Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Scheffner, Johann George: Mein Leben, wie ich Johann George Scheffner es selbst beschrieben. Leipzig, 1823.

Bild:
<< vorherige Seite

Meine Neigung, allen Menschen etwas
zu gefallen zu thun und zu dienen, ist so
uneingeschränkt, daß man mich oft über
mein Bemühen, meinen Hausleuten eine
Arbeit zu ersparen oder zu erleichtern und
Gänge zu verkürzen, ausgelacht hat, und
daß ich es nie habe begreifen können, wie
ein Herr seinen fortreitenden Diener, der,
auf einem unruhigen Pferde sitzend, den
Huth verliert, lieber absteigen und Zeit ver-
lieren lassen kann, als ihm den Huth auf-
zuheben und zuzureichen.

Wenn meine Leute eine beschwerliche
Arbeit befonders unverdrossen ausführen,
suche ich ihnen gleich dafür aus Erkenntlich-
keit eine kleine Freude zu machen, so wie
ich mich förmlich ärgre, wenn ich Menschen
ein Thier auf irgend eine Art überladen
sehe.

Meine stets bereitwillige Dienstleistung *)
leidet aber eine Einschränkung, sobald sie

*) Ueber die Dienstfertigkeit sollte man die Begriffe
der Kinder in Zeiten gehörig berichtigen, und sie
besonders auch belehren, daß Geschenke geben und
Dienste erzeigen, an innern Werth sehr verschie-
den sind, ja daß ersteres oft beinah gar keinen
Werth habe, wenn der Geber sich dadurch nichts

Meine Neigung, allen Menſchen etwas
zu gefallen zu thun und zu dienen, iſt ſo
uneingeſchraͤnkt, daß man mich oft uͤber
mein Bemuͤhen, meinen Hausleuten eine
Arbeit zu erſparen oder zu erleichtern und
Gaͤnge zu verkuͤrzen, ausgelacht hat, und
daß ich es nie habe begreifen koͤnnen, wie
ein Herr ſeinen fortreitenden Diener, der,
auf einem unruhigen Pferde ſitzend, den
Huth verliert, lieber abſteigen und Zeit ver-
lieren laſſen kann, als ihm den Huth auf-
zuheben und zuzureichen.

Wenn meine Leute eine beſchwerliche
Arbeit befonders unverdroſſen ausfuͤhren,
ſuche ich ihnen gleich dafuͤr aus Erkenntlich-
keit eine kleine Freude zu machen, ſo wie
ich mich foͤrmlich aͤrgre, wenn ich Menſchen
ein Thier auf irgend eine Art uͤberladen
ſehe.

Meine ſtets bereitwillige Dienſtleiſtung *)
leidet aber eine Einſchraͤnkung, ſobald ſie

*) Ueber die Dienſtfertigkeit ſollte man die Begriffe
der Kinder in Zeiten gehoͤrig berichtigen, und ſie
beſonders auch belehren, daß Geſchenke geben und
Dienſte erzeigen, an innern Werth ſehr verſchie-
den ſind, ja daß erſteres oft beinah gar keinen
Werth habe, wenn der Geber ſich dadurch nichts
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0362" n="345"/>
        <p>Meine Neigung, allen Men&#x017F;chen etwas<lb/>
zu gefallen zu thun und zu dienen, i&#x017F;t &#x017F;o<lb/>
uneinge&#x017F;chra&#x0364;nkt, daß man mich oft u&#x0364;ber<lb/>
mein Bemu&#x0364;hen, meinen Hausleuten eine<lb/>
Arbeit zu er&#x017F;paren oder zu erleichtern und<lb/>
Ga&#x0364;nge zu verku&#x0364;rzen, ausgelacht hat, und<lb/>
daß ich es nie habe begreifen ko&#x0364;nnen, wie<lb/>
ein Herr &#x017F;einen fortreitenden Diener, der,<lb/>
auf einem unruhigen Pferde &#x017F;itzend, den<lb/>
Huth verliert, lieber ab&#x017F;teigen und Zeit ver-<lb/>
lieren la&#x017F;&#x017F;en kann, als ihm den Huth auf-<lb/>
zuheben und zuzureichen.</p><lb/>
        <p>Wenn meine Leute eine be&#x017F;chwerliche<lb/>
Arbeit befonders unverdro&#x017F;&#x017F;en ausfu&#x0364;hren,<lb/>
&#x017F;uche ich ihnen gleich dafu&#x0364;r aus Erkenntlich-<lb/>
keit eine kleine Freude zu machen, &#x017F;o wie<lb/>
ich mich fo&#x0364;rmlich a&#x0364;rgre, wenn ich Men&#x017F;chen<lb/>
ein Thier auf irgend eine Art u&#x0364;berladen<lb/>
&#x017F;ehe.</p><lb/>
        <p>Meine &#x017F;tets bereitwillige Dien&#x017F;tlei&#x017F;tung <note xml:id="seg2pn_31_1" next="#seg2pn_31_2" place="foot" n="*)">Ueber die Dien&#x017F;tfertigkeit &#x017F;ollte man die Begriffe<lb/>
der Kinder in Zeiten geho&#x0364;rig berichtigen, und &#x017F;ie<lb/>
be&#x017F;onders auch belehren, daß Ge&#x017F;chenke geben und<lb/>
Dien&#x017F;te erzeigen, an innern Werth &#x017F;ehr ver&#x017F;chie-<lb/>
den &#x017F;ind, ja daß er&#x017F;teres oft beinah gar keinen<lb/>
Werth habe, wenn der Geber &#x017F;ich dadurch nichts</note><lb/>
leidet aber eine Ein&#x017F;chra&#x0364;nkung, &#x017F;obald &#x017F;ie<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[345/0362] Meine Neigung, allen Menſchen etwas zu gefallen zu thun und zu dienen, iſt ſo uneingeſchraͤnkt, daß man mich oft uͤber mein Bemuͤhen, meinen Hausleuten eine Arbeit zu erſparen oder zu erleichtern und Gaͤnge zu verkuͤrzen, ausgelacht hat, und daß ich es nie habe begreifen koͤnnen, wie ein Herr ſeinen fortreitenden Diener, der, auf einem unruhigen Pferde ſitzend, den Huth verliert, lieber abſteigen und Zeit ver- lieren laſſen kann, als ihm den Huth auf- zuheben und zuzureichen. Wenn meine Leute eine beſchwerliche Arbeit befonders unverdroſſen ausfuͤhren, ſuche ich ihnen gleich dafuͤr aus Erkenntlich- keit eine kleine Freude zu machen, ſo wie ich mich foͤrmlich aͤrgre, wenn ich Menſchen ein Thier auf irgend eine Art uͤberladen ſehe. Meine ſtets bereitwillige Dienſtleiſtung *) leidet aber eine Einſchraͤnkung, ſobald ſie *) Ueber die Dienſtfertigkeit ſollte man die Begriffe der Kinder in Zeiten gehoͤrig berichtigen, und ſie beſonders auch belehren, daß Geſchenke geben und Dienſte erzeigen, an innern Werth ſehr verſchie- den ſind, ja daß erſteres oft beinah gar keinen Werth habe, wenn der Geber ſich dadurch nichts

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/scheffner_leben_1823
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/scheffner_leben_1823/362
Zitationshilfe: Scheffner, Johann George: Mein Leben, wie ich Johann George Scheffner es selbst beschrieben. Leipzig, 1823, S. 345. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffner_leben_1823/362>, abgerufen am 24.11.2024.