Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Scheffner, Johann George: Mein Leben, wie ich Johann George Scheffner es selbst beschrieben. Leipzig, 1823.

Bild:
<< vorherige Seite

Reisen in den Niederlanden, wo er unter
Marlborough ein Paar Feldzüge mitge-
macht, manches erzählte. Von Wissenschaf-
ten schien er ein größrer Liebhaber zu seyn,
als mein Vater, dem er aber an Thätigkeit
weit nachstand. Sein Haug alles ins Co-
mische zu ziehen, gefiel mir außerordentlich,
und fast glaub ich, daß er mich damit ange-
steckt hat. Nur wundert es mich, daß er
nie versuchte meiner jungen Seele eine mehr
wissenschaftliche Richtung zu geben. Viel-
leicht fand er bedenklich meinem etwas hitzi-
gen Vater ins Hausrecht zu greifen; viel-
leicht auch unterließ er es aus einer natür-
lichen und durch Gewohnheit noch vergrö-
ßerten Läßigkeit, oder auch aus Besorgniß
meinen Hofmeister durch einiges Anstoßen
noch mehr aus dem Unterrichtsgleichgewicht
zu bringen, woraus manche Erziehungsübel
entstehen, deren keines ich je veranlaßt habe,
indem ich mich immer sorgfältig gehütet, sol-
che Einsprache anders als auf ausdrückliches
Verlangen der Eltern zu thun. Mehren-
theils werden Vater und Mutter dadurch
mißtrauisch gegen den Lehrer, oder dieser un-
zufrieden und schüchtern; oft fangen auch die
Kinder an, die Klugheit oder Gelehrsamkeit

Reiſen in den Niederlanden, wo er unter
Marlborough ein Paar Feldzuͤge mitge-
macht, manches erzaͤhlte. Von Wiſſenſchaf-
ten ſchien er ein groͤßrer Liebhaber zu ſeyn,
als mein Vater, dem er aber an Thaͤtigkeit
weit nachſtand. Sein Haug alles ins Co-
miſche zu ziehen, gefiel mir außerordentlich,
und faſt glaub ich, daß er mich damit ange-
ſteckt hat. Nur wundert es mich, daß er
nie verſuchte meiner jungen Seele eine mehr
wiſſenſchaftliche Richtung zu geben. Viel-
leicht fand er bedenklich meinem etwas hitzi-
gen Vater ins Hausrecht zu greifen; viel-
leicht auch unterließ er es aus einer natuͤr-
lichen und durch Gewohnheit noch vergroͤ-
ßerten Laͤßigkeit, oder auch aus Beſorgniß
meinen Hofmeiſter durch einiges Anſtoßen
noch mehr aus dem Unterrichtsgleichgewicht
zu bringen, woraus manche Erziehungsuͤbel
entſtehen, deren keines ich je veranlaßt habe,
indem ich mich immer ſorgfaͤltig gehuͤtet, ſol-
che Einſprache anders als auf ausdruͤckliches
Verlangen der Eltern zu thun. Mehren-
theils werden Vater und Mutter dadurch
mißtrauiſch gegen den Lehrer, oder dieſer un-
zufrieden und ſchuͤchtern; oft fangen auch die
Kinder an, die Klugheit oder Gelehrſamkeit

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0034" n="17"/>
Rei&#x017F;en in den Niederlanden, wo er unter<lb/><hi rendition="#g">Marlborough</hi> ein Paar Feldzu&#x0364;ge mitge-<lb/>
macht, manches erza&#x0364;hlte. Von Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaf-<lb/>
ten &#x017F;chien er ein gro&#x0364;ßrer Liebhaber zu &#x017F;eyn,<lb/>
als mein Vater, dem er aber an Tha&#x0364;tigkeit<lb/>
weit nach&#x017F;tand. Sein Haug alles ins Co-<lb/>
mi&#x017F;che zu ziehen, gefiel mir außerordentlich,<lb/>
und fa&#x017F;t glaub ich, daß er mich damit ange-<lb/>
&#x017F;teckt hat. Nur wundert es mich, daß er<lb/>
nie ver&#x017F;uchte meiner jungen Seele eine mehr<lb/>
wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaftliche Richtung zu geben. Viel-<lb/>
leicht fand er bedenklich meinem etwas hitzi-<lb/>
gen Vater ins Hausrecht zu greifen; viel-<lb/>
leicht auch unterließ er es aus einer natu&#x0364;r-<lb/>
lichen und durch Gewohnheit noch vergro&#x0364;-<lb/>
ßerten La&#x0364;ßigkeit, oder auch aus Be&#x017F;orgniß<lb/>
meinen Hofmei&#x017F;ter durch einiges An&#x017F;toßen<lb/>
noch mehr aus dem Unterrichtsgleichgewicht<lb/>
zu bringen, woraus manche Erziehungsu&#x0364;bel<lb/>
ent&#x017F;tehen, deren keines ich je veranlaßt habe,<lb/>
indem ich mich immer &#x017F;orgfa&#x0364;ltig gehu&#x0364;tet, &#x017F;ol-<lb/>
che Ein&#x017F;prache anders als auf ausdru&#x0364;ckliches<lb/>
Verlangen der Eltern zu thun. Mehren-<lb/>
theils werden Vater und Mutter dadurch<lb/>
mißtraui&#x017F;ch gegen den Lehrer, oder die&#x017F;er un-<lb/>
zufrieden und &#x017F;chu&#x0364;chtern; oft fangen auch die<lb/>
Kinder an, die Klugheit oder Gelehr&#x017F;amkeit<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[17/0034] Reiſen in den Niederlanden, wo er unter Marlborough ein Paar Feldzuͤge mitge- macht, manches erzaͤhlte. Von Wiſſenſchaf- ten ſchien er ein groͤßrer Liebhaber zu ſeyn, als mein Vater, dem er aber an Thaͤtigkeit weit nachſtand. Sein Haug alles ins Co- miſche zu ziehen, gefiel mir außerordentlich, und faſt glaub ich, daß er mich damit ange- ſteckt hat. Nur wundert es mich, daß er nie verſuchte meiner jungen Seele eine mehr wiſſenſchaftliche Richtung zu geben. Viel- leicht fand er bedenklich meinem etwas hitzi- gen Vater ins Hausrecht zu greifen; viel- leicht auch unterließ er es aus einer natuͤr- lichen und durch Gewohnheit noch vergroͤ- ßerten Laͤßigkeit, oder auch aus Beſorgniß meinen Hofmeiſter durch einiges Anſtoßen noch mehr aus dem Unterrichtsgleichgewicht zu bringen, woraus manche Erziehungsuͤbel entſtehen, deren keines ich je veranlaßt habe, indem ich mich immer ſorgfaͤltig gehuͤtet, ſol- che Einſprache anders als auf ausdruͤckliches Verlangen der Eltern zu thun. Mehren- theils werden Vater und Mutter dadurch mißtrauiſch gegen den Lehrer, oder dieſer un- zufrieden und ſchuͤchtern; oft fangen auch die Kinder an, die Klugheit oder Gelehrſamkeit

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/scheffner_leben_1823
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/scheffner_leben_1823/34
Zitationshilfe: Scheffner, Johann George: Mein Leben, wie ich Johann George Scheffner es selbst beschrieben. Leipzig, 1823, S. 17. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffner_leben_1823/34>, abgerufen am 23.04.2024.