Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Scheffner, Johann George: Mein Leben, wie ich Johann George Scheffner es selbst beschrieben. Leipzig, 1823.

Bild:
<< vorherige Seite

Hierseyns hatt' ich ihr unter andern Klin-
gers Geschichte eines Deutschen und, ihrer
großen Liebhaberey der Alten wegen, einige
Satyren des Horaz von Wieland vorgelesen,
auch ihr, bey näherer Bekanntschaft mit ih-
ren Talenten für Künste und Wissenschaften
und Wahrnehmung einer gewissen Kälte
und Zurückhaltung in ihrem Aeußern, offen-
herzig gerathen, ihr Geisteslicht nicht unter
den Scheffel zu stellen, denn da die natür-
liche Sonne selten die Hofzimmer erhelle,
müsse man für Herzenserleuchtung sorgen.
Jhre Aufnahme bey diesem Abschied hatte
viel Herzliches und Freundschaftliches, und
was wir in dieser letzten Stunde über die
Prinzenerziehung sprachen, zeigte, daß sie
über diesen Punkt zwar gleich mit mir
dachte, da es aber gleichmißlich ist, sich zwi-
schen Eltern und Kinder über die Erzie-
hungsweise, und zwischen Eheleute über
ihre Betragensart zu mischen, so werden
diese Gespräche wohl ohne Anwendung ge-
blieben seyn, wie Vieles, das ich in dieser
Zeit über diesen Gegenstand zu höchst be-
deutenden Männern und Frauen geredet,
und wodurch ich wenigstens meiner Einsicht

Hierſeyns hatt’ ich ihr unter andern Klin-
gers Geſchichte eines Deutſchen und, ihrer
großen Liebhaberey der Alten wegen, einige
Satyren des Horaz von Wieland vorgeleſen,
auch ihr, bey naͤherer Bekanntſchaft mit ih-
ren Talenten fuͤr Kuͤnſte und Wiſſenſchaften
und Wahrnehmung einer gewiſſen Kaͤlte
und Zuruͤckhaltung in ihrem Aeußern, offen-
herzig gerathen, ihr Geiſteslicht nicht unter
den Scheffel zu ſtellen, denn da die natuͤr-
liche Sonne ſelten die Hofzimmer erhelle,
muͤſſe man fuͤr Herzenserleuchtung ſorgen.
Jhre Aufnahme bey dieſem Abſchied hatte
viel Herzliches und Freundſchaftliches, und
was wir in dieſer letzten Stunde uͤber die
Prinzenerziehung ſprachen, zeigte, daß ſie
uͤber dieſen Punkt zwar gleich mit mir
dachte, da es aber gleichmißlich iſt, ſich zwi-
ſchen Eltern und Kinder uͤber die Erzie-
hungsweiſe, und zwiſchen Eheleute uͤber
ihre Betragensart zu miſchen, ſo werden
dieſe Geſpraͤche wohl ohne Anwendung ge-
blieben ſeyn, wie Vieles, das ich in dieſer
Zeit uͤber dieſen Gegenſtand zu hoͤchſt be-
deutenden Maͤnnern und Frauen geredet,
und wodurch ich wenigſtens meiner Einſicht

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0332" n="315"/>
Hier&#x017F;eyns hatt&#x2019; ich ihr unter andern Klin-<lb/>
gers Ge&#x017F;chichte eines Deut&#x017F;chen und, ihrer<lb/>
großen Liebhaberey der Alten wegen, einige<lb/>
Satyren des Horaz von Wieland vorgele&#x017F;en,<lb/>
auch ihr, bey na&#x0364;herer Bekannt&#x017F;chaft mit ih-<lb/>
ren Talenten fu&#x0364;r Ku&#x0364;n&#x017F;te und Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaften<lb/>
und Wahrnehmung einer gewi&#x017F;&#x017F;en Ka&#x0364;lte<lb/>
und Zuru&#x0364;ckhaltung in ihrem Aeußern, offen-<lb/>
herzig gerathen, ihr Gei&#x017F;teslicht nicht unter<lb/>
den Scheffel zu &#x017F;tellen, denn da die natu&#x0364;r-<lb/>
liche Sonne &#x017F;elten die Hofzimmer erhelle,<lb/>
mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e man fu&#x0364;r Herzenserleuchtung &#x017F;orgen.<lb/>
Jhre Aufnahme bey die&#x017F;em Ab&#x017F;chied hatte<lb/>
viel Herzliches und Freund&#x017F;chaftliches, und<lb/>
was wir in die&#x017F;er letzten Stunde u&#x0364;ber die<lb/>
Prinzenerziehung &#x017F;prachen, zeigte, daß &#x017F;ie<lb/>
u&#x0364;ber die&#x017F;en Punkt zwar gleich mit mir<lb/>
dachte, da es aber gleichmißlich i&#x017F;t, &#x017F;ich zwi-<lb/>
&#x017F;chen Eltern und Kinder u&#x0364;ber die Erzie-<lb/>
hungswei&#x017F;e, und zwi&#x017F;chen Eheleute u&#x0364;ber<lb/>
ihre Betragensart zu mi&#x017F;chen, &#x017F;o werden<lb/>
die&#x017F;e Ge&#x017F;pra&#x0364;che wohl ohne Anwendung ge-<lb/>
blieben &#x017F;eyn, wie Vieles, das ich in die&#x017F;er<lb/>
Zeit u&#x0364;ber die&#x017F;en Gegen&#x017F;tand zu ho&#x0364;ch&#x017F;t be-<lb/>
deutenden Ma&#x0364;nnern und Frauen geredet,<lb/>
und wodurch ich wenig&#x017F;tens meiner Ein&#x017F;icht<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[315/0332] Hierſeyns hatt’ ich ihr unter andern Klin- gers Geſchichte eines Deutſchen und, ihrer großen Liebhaberey der Alten wegen, einige Satyren des Horaz von Wieland vorgeleſen, auch ihr, bey naͤherer Bekanntſchaft mit ih- ren Talenten fuͤr Kuͤnſte und Wiſſenſchaften und Wahrnehmung einer gewiſſen Kaͤlte und Zuruͤckhaltung in ihrem Aeußern, offen- herzig gerathen, ihr Geiſteslicht nicht unter den Scheffel zu ſtellen, denn da die natuͤr- liche Sonne ſelten die Hofzimmer erhelle, muͤſſe man fuͤr Herzenserleuchtung ſorgen. Jhre Aufnahme bey dieſem Abſchied hatte viel Herzliches und Freundſchaftliches, und was wir in dieſer letzten Stunde uͤber die Prinzenerziehung ſprachen, zeigte, daß ſie uͤber dieſen Punkt zwar gleich mit mir dachte, da es aber gleichmißlich iſt, ſich zwi- ſchen Eltern und Kinder uͤber die Erzie- hungsweiſe, und zwiſchen Eheleute uͤber ihre Betragensart zu miſchen, ſo werden dieſe Geſpraͤche wohl ohne Anwendung ge- blieben ſeyn, wie Vieles, das ich in dieſer Zeit uͤber dieſen Gegenſtand zu hoͤchſt be- deutenden Maͤnnern und Frauen geredet, und wodurch ich wenigſtens meiner Einſicht

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/scheffner_leben_1823
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/scheffner_leben_1823/332
Zitationshilfe: Scheffner, Johann George: Mein Leben, wie ich Johann George Scheffner es selbst beschrieben. Leipzig, 1823, S. 315. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffner_leben_1823/332>, abgerufen am 21.05.2024.