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Scheffner, Johann George: Mein Leben, wie ich Johann George Scheffner es selbst beschrieben. Leipzig, 1823.

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Mir sind Männer von ausgezeichnetem
Verstande und unbezweifelter Rechtlichkeit
bekannt, die alles für sich gewinnen könn-
ten, wenn sie sich von solcher trocknen, zu
jeder vernünftigen Discussion unfähig ma-
chenden Arroganz losmachen wollten!

Nimmt man die Arroganz von ihrer
lächerlichen Seite, die sie oft genug zur
Schau trägt, so find ich an ihr viel Aehn-
liches mit der Prüderie der Weiber, die,
wenn sie vorherrschend wird, alle ihre an-
dern Eigenschaften, selbst die Schönheit und
wissenschaftliche Bildung zu Schanden, ja sie
beynah zu aller häuslichen Glückseligkeit un-
fähig macht; denn wer eine Prüde zu hei-
rathen wagt, läuft Gefahr, viel von ihren
Wunderlichkeiten leiden, oder sich zur Par-
thie derer, die über sie lachen, schlagen zu
müssen; und doch giebt es Eltern, die die
Prüderie ihrer Töchter nicht merken, viel-
mehr Wohlgefallen an ihr finden, sie für
die Quintessenz weiblicher Tugenden, oder
den unverwüstlichen Keim zu allen zu hal-
ten. Ueber die arroganten Leute muß ich
auch noch dieses sagen, daß sie, von Gesell-
schaftsfrölichkeit übermannt, höchst gemein
werden können, als ob sie durch solche lustige

Mir ſind Maͤnner von ausgezeichnetem
Verſtande und unbezweifelter Rechtlichkeit
bekannt, die alles fuͤr ſich gewinnen koͤnn-
ten, wenn ſie ſich von ſolcher trocknen, zu
jeder vernuͤnftigen Discuſſion unfaͤhig ma-
chenden Arroganz losmachen wollten!

Nimmt man die Arroganz von ihrer
laͤcherlichen Seite, die ſie oft genug zur
Schau traͤgt, ſo find ich an ihr viel Aehn-
liches mit der Pruͤderie der Weiber, die,
wenn ſie vorherrſchend wird, alle ihre an-
dern Eigenſchaften, ſelbſt die Schoͤnheit und
wiſſenſchaftliche Bildung zu Schanden, ja ſie
beynah zu aller haͤuslichen Gluͤckſeligkeit un-
faͤhig macht; denn wer eine Pruͤde zu hei-
rathen wagt, laͤuft Gefahr, viel von ihren
Wunderlichkeiten leiden, oder ſich zur Par-
thie derer, die uͤber ſie lachen, ſchlagen zu
muͤſſen; und doch giebt es Eltern, die die
Pruͤderie ihrer Toͤchter nicht merken, viel-
mehr Wohlgefallen an ihr finden, ſie fuͤr
die Quinteſſenz weiblicher Tugenden, oder
den unverwuͤſtlichen Keim zu allen zu hal-
ten. Ueber die arroganten Leute muß ich
auch noch dieſes ſagen, daß ſie, von Geſell-
ſchaftsfroͤlichkeit uͤbermannt, hoͤchſt gemein
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[216/0233] Mir ſind Maͤnner von ausgezeichnetem Verſtande und unbezweifelter Rechtlichkeit bekannt, die alles fuͤr ſich gewinnen koͤnn- ten, wenn ſie ſich von ſolcher trocknen, zu jeder vernuͤnftigen Discuſſion unfaͤhig ma- chenden Arroganz losmachen wollten! Nimmt man die Arroganz von ihrer laͤcherlichen Seite, die ſie oft genug zur Schau traͤgt, ſo find ich an ihr viel Aehn- liches mit der Pruͤderie der Weiber, die, wenn ſie vorherrſchend wird, alle ihre an- dern Eigenſchaften, ſelbſt die Schoͤnheit und wiſſenſchaftliche Bildung zu Schanden, ja ſie beynah zu aller haͤuslichen Gluͤckſeligkeit un- faͤhig macht; denn wer eine Pruͤde zu hei- rathen wagt, laͤuft Gefahr, viel von ihren Wunderlichkeiten leiden, oder ſich zur Par- thie derer, die uͤber ſie lachen, ſchlagen zu muͤſſen; und doch giebt es Eltern, die die Pruͤderie ihrer Toͤchter nicht merken, viel- mehr Wohlgefallen an ihr finden, ſie fuͤr die Quinteſſenz weiblicher Tugenden, oder den unverwuͤſtlichen Keim zu allen zu hal- ten. Ueber die arroganten Leute muß ich auch noch dieſes ſagen, daß ſie, von Geſell- ſchaftsfroͤlichkeit uͤbermannt, hoͤchſt gemein werden koͤnnen, als ob ſie durch ſolche luſtige

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Zitationshilfe: Scheffner, Johann George: Mein Leben, wie ich Johann George Scheffner es selbst beschrieben. Leipzig, 1823, S. 216. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffner_leben_1823/233>, abgerufen am 30.04.2024.