Mir sind Männer von ausgezeichnetem Verstande und unbezweifelter Rechtlichkeit bekannt, die alles für sich gewinnen könn- ten, wenn sie sich von solcher trocknen, zu jeder vernünftigen Discussion unfähig ma- chenden Arroganz losmachen wollten!
Nimmt man die Arroganz von ihrer lächerlichen Seite, die sie oft genug zur Schau trägt, so find ich an ihr viel Aehn- liches mit der Prüderie der Weiber, die, wenn sie vorherrschend wird, alle ihre an- dern Eigenschaften, selbst die Schönheit und wissenschaftliche Bildung zu Schanden, ja sie beynah zu aller häuslichen Glückseligkeit un- fähig macht; denn wer eine Prüde zu hei- rathen wagt, läuft Gefahr, viel von ihren Wunderlichkeiten leiden, oder sich zur Par- thie derer, die über sie lachen, schlagen zu müssen; und doch giebt es Eltern, die die Prüderie ihrer Töchter nicht merken, viel- mehr Wohlgefallen an ihr finden, sie für die Quintessenz weiblicher Tugenden, oder den unverwüstlichen Keim zu allen zu hal- ten. Ueber die arroganten Leute muß ich auch noch dieses sagen, daß sie, von Gesell- schaftsfrölichkeit übermannt, höchst gemein werden können, als ob sie durch solche lustige
Mir ſind Maͤnner von ausgezeichnetem Verſtande und unbezweifelter Rechtlichkeit bekannt, die alles fuͤr ſich gewinnen koͤnn- ten, wenn ſie ſich von ſolcher trocknen, zu jeder vernuͤnftigen Discuſſion unfaͤhig ma- chenden Arroganz losmachen wollten!
Nimmt man die Arroganz von ihrer laͤcherlichen Seite, die ſie oft genug zur Schau traͤgt, ſo find ich an ihr viel Aehn- liches mit der Pruͤderie der Weiber, die, wenn ſie vorherrſchend wird, alle ihre an- dern Eigenſchaften, ſelbſt die Schoͤnheit und wiſſenſchaftliche Bildung zu Schanden, ja ſie beynah zu aller haͤuslichen Gluͤckſeligkeit un- faͤhig macht; denn wer eine Pruͤde zu hei- rathen wagt, laͤuft Gefahr, viel von ihren Wunderlichkeiten leiden, oder ſich zur Par- thie derer, die uͤber ſie lachen, ſchlagen zu muͤſſen; und doch giebt es Eltern, die die Pruͤderie ihrer Toͤchter nicht merken, viel- mehr Wohlgefallen an ihr finden, ſie fuͤr die Quinteſſenz weiblicher Tugenden, oder den unverwuͤſtlichen Keim zu allen zu hal- ten. Ueber die arroganten Leute muß ich auch noch dieſes ſagen, daß ſie, von Geſell- ſchaftsfroͤlichkeit uͤbermannt, hoͤchſt gemein werden koͤnnen, als ob ſie durch ſolche luſtige
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0233"n="216"/><p>Mir ſind Maͤnner von ausgezeichnetem<lb/>
Verſtande und unbezweifelter Rechtlichkeit<lb/>
bekannt, die alles fuͤr ſich gewinnen koͤnn-<lb/>
ten, wenn ſie ſich von ſolcher trocknen, zu<lb/>
jeder vernuͤnftigen Discuſſion unfaͤhig ma-<lb/>
chenden Arroganz losmachen wollten!</p><lb/><p>Nimmt man die Arroganz von ihrer<lb/>
laͤcherlichen Seite, die ſie oft genug zur<lb/>
Schau traͤgt, ſo find ich an ihr viel Aehn-<lb/>
liches mit der Pruͤderie der Weiber, die,<lb/>
wenn ſie vorherrſchend wird, alle ihre an-<lb/>
dern Eigenſchaften, ſelbſt die Schoͤnheit und<lb/>
wiſſenſchaftliche Bildung zu Schanden, ja ſie<lb/>
beynah zu aller haͤuslichen Gluͤckſeligkeit un-<lb/>
faͤhig macht; denn wer eine Pruͤde zu hei-<lb/>
rathen wagt, laͤuft Gefahr, viel von ihren<lb/>
Wunderlichkeiten leiden, oder ſich zur Par-<lb/>
thie derer, die uͤber ſie lachen, ſchlagen zu<lb/>
muͤſſen; und doch giebt es Eltern, die die<lb/>
Pruͤderie ihrer Toͤchter nicht merken, viel-<lb/>
mehr Wohlgefallen an ihr finden, ſie fuͤr<lb/>
die Quinteſſenz weiblicher Tugenden, oder<lb/>
den unverwuͤſtlichen Keim zu allen zu hal-<lb/>
ten. Ueber die arroganten Leute muß ich<lb/>
auch noch dieſes ſagen, daß ſie, von Geſell-<lb/>ſchaftsfroͤlichkeit uͤbermannt, hoͤchſt gemein<lb/>
werden koͤnnen, als ob ſie durch ſolche luſtige<lb/></p></div></body></text></TEI>
[216/0233]
Mir ſind Maͤnner von ausgezeichnetem
Verſtande und unbezweifelter Rechtlichkeit
bekannt, die alles fuͤr ſich gewinnen koͤnn-
ten, wenn ſie ſich von ſolcher trocknen, zu
jeder vernuͤnftigen Discuſſion unfaͤhig ma-
chenden Arroganz losmachen wollten!
Nimmt man die Arroganz von ihrer
laͤcherlichen Seite, die ſie oft genug zur
Schau traͤgt, ſo find ich an ihr viel Aehn-
liches mit der Pruͤderie der Weiber, die,
wenn ſie vorherrſchend wird, alle ihre an-
dern Eigenſchaften, ſelbſt die Schoͤnheit und
wiſſenſchaftliche Bildung zu Schanden, ja ſie
beynah zu aller haͤuslichen Gluͤckſeligkeit un-
faͤhig macht; denn wer eine Pruͤde zu hei-
rathen wagt, laͤuft Gefahr, viel von ihren
Wunderlichkeiten leiden, oder ſich zur Par-
thie derer, die uͤber ſie lachen, ſchlagen zu
muͤſſen; und doch giebt es Eltern, die die
Pruͤderie ihrer Toͤchter nicht merken, viel-
mehr Wohlgefallen an ihr finden, ſie fuͤr
die Quinteſſenz weiblicher Tugenden, oder
den unverwuͤſtlichen Keim zu allen zu hal-
ten. Ueber die arroganten Leute muß ich
auch noch dieſes ſagen, daß ſie, von Geſell-
ſchaftsfroͤlichkeit uͤbermannt, hoͤchſt gemein
werden koͤnnen, als ob ſie durch ſolche luſtige
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Scheffner, Johann George: Mein Leben, wie ich Johann George Scheffner es selbst beschrieben. Leipzig, 1823, S. 216. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffner_leben_1823/233>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.