bewirken können, sie sprühten blos einige Funken. Man wird eher gleichgültig gegen Gewinnste als über Verluste. Wie schwer wurd' es mir, mich von der Trauer über den Tod des Professor Kraus zu erholen! Sollte diese Gefühlabnahme nicht von einer Gedächtnißschwächung herrühren, die das Erinnern an vergangne Freuden hindert, und im gewöhnlichen Genuß der gegenwär- tigen erstre untersinken läßt? Mit dem Tode hat es vielleicht eine andre Bewand- niß, indem da der Gedanke an einen, im Alter noch schwierigern, Ersatz des Verlornen und an den eignen baldigen Uebergang ins Todtenreich, das Gefühl vom Verlust eines Freundes vermehren kann.
Nach meiner Heimkehr wandt' ich alle Kräfte an, um den Bau meines hölzernen Hauses unter Strohdach zu vollenden und Acker, Wald und Wiesen in die Form eines Gartens, doch ohne Nachtheil ihrer Nutz- barkeit, zu bringen. Zu den Verwilderun- gen meines Güthchens gehörte auch die, daß die dazu gehörigen Bauern in der tiefsten Unwissenheit lebten, und wegen der weit abgelegenen Schule ihre Kinder blos thie- risch mußten aufwachsen lassen. Mich jam-
bewirken koͤnnen, ſie ſpruͤhten blos einige Funken. Man wird eher gleichguͤltig gegen Gewinnſte als uͤber Verluſte. Wie ſchwer wurd’ es mir, mich von der Trauer uͤber den Tod des Profeſſor Kraus zu erholen! Sollte dieſe Gefuͤhlabnahme nicht von einer Gedaͤchtnißſchwaͤchung herruͤhren, die das Erinnern an vergangne Freuden hindert, und im gewoͤhnlichen Genuß der gegenwaͤr- tigen erſtre unterſinken laͤßt? Mit dem Tode hat es vielleicht eine andre Bewand- niß, indem da der Gedanke an einen, im Alter noch ſchwierigern, Erſatz des Verlornen und an den eignen baldigen Uebergang ins Todtenreich, das Gefuͤhl vom Verluſt eines Freundes vermehren kann.
Nach meiner Heimkehr wandt’ ich alle Kraͤfte an, um den Bau meines hoͤlzernen Hauſes unter Strohdach zu vollenden und Acker, Wald und Wieſen in die Form eines Gartens, doch ohne Nachtheil ihrer Nutz- barkeit, zu bringen. Zu den Verwilderun- gen meines Guͤthchens gehoͤrte auch die, daß die dazu gehoͤrigen Bauern in der tiefſten Unwiſſenheit lebten, und wegen der weit abgelegenen Schule ihre Kinder blos thie- riſch mußten aufwachſen laſſen. Mich jam-
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0217"n="200"/>
bewirken koͤnnen, ſie ſpruͤhten blos einige<lb/>
Funken. Man wird eher gleichguͤltig gegen<lb/>
Gewinnſte als uͤber Verluſte. Wie ſchwer<lb/>
wurd’ es mir, mich von der Trauer uͤber<lb/>
den Tod des Profeſſor <hirendition="#g">Kraus</hi> zu erholen!<lb/>
Sollte dieſe Gefuͤhlabnahme nicht von einer<lb/>
Gedaͤchtnißſchwaͤchung herruͤhren, die das<lb/>
Erinnern an vergangne Freuden hindert,<lb/>
und im gewoͤhnlichen Genuß der gegenwaͤr-<lb/>
tigen erſtre unterſinken laͤßt? Mit dem<lb/>
Tode hat es vielleicht eine andre Bewand-<lb/>
niß, indem da der Gedanke an einen, im<lb/>
Alter noch ſchwierigern, Erſatz des Verlornen<lb/>
und an den eignen baldigen Uebergang ins<lb/>
Todtenreich, das Gefuͤhl vom Verluſt eines<lb/>
Freundes vermehren kann.</p><lb/><p>Nach meiner Heimkehr wandt’ ich alle<lb/>
Kraͤfte an, um den Bau meines hoͤlzernen<lb/>
Hauſes unter Strohdach zu vollenden und<lb/>
Acker, Wald und Wieſen in die Form eines<lb/>
Gartens, doch ohne Nachtheil ihrer Nutz-<lb/>
barkeit, zu bringen. Zu den Verwilderun-<lb/>
gen meines Guͤthchens gehoͤrte auch die, daß<lb/>
die dazu gehoͤrigen Bauern in der tiefſten<lb/>
Unwiſſenheit lebten, und wegen der weit<lb/>
abgelegenen Schule ihre Kinder blos thie-<lb/>
riſch mußten aufwachſen laſſen. Mich jam-<lb/></p></div></body></text></TEI>
[200/0217]
bewirken koͤnnen, ſie ſpruͤhten blos einige
Funken. Man wird eher gleichguͤltig gegen
Gewinnſte als uͤber Verluſte. Wie ſchwer
wurd’ es mir, mich von der Trauer uͤber
den Tod des Profeſſor Kraus zu erholen!
Sollte dieſe Gefuͤhlabnahme nicht von einer
Gedaͤchtnißſchwaͤchung herruͤhren, die das
Erinnern an vergangne Freuden hindert,
und im gewoͤhnlichen Genuß der gegenwaͤr-
tigen erſtre unterſinken laͤßt? Mit dem
Tode hat es vielleicht eine andre Bewand-
niß, indem da der Gedanke an einen, im
Alter noch ſchwierigern, Erſatz des Verlornen
und an den eignen baldigen Uebergang ins
Todtenreich, das Gefuͤhl vom Verluſt eines
Freundes vermehren kann.
Nach meiner Heimkehr wandt’ ich alle
Kraͤfte an, um den Bau meines hoͤlzernen
Hauſes unter Strohdach zu vollenden und
Acker, Wald und Wieſen in die Form eines
Gartens, doch ohne Nachtheil ihrer Nutz-
barkeit, zu bringen. Zu den Verwilderun-
gen meines Guͤthchens gehoͤrte auch die, daß
die dazu gehoͤrigen Bauern in der tiefſten
Unwiſſenheit lebten, und wegen der weit
abgelegenen Schule ihre Kinder blos thie-
riſch mußten aufwachſen laſſen. Mich jam-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Scheffner, Johann George: Mein Leben, wie ich Johann George Scheffner es selbst beschrieben. Leipzig, 1823, S. 200. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffner_leben_1823/217>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.