Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Scheffner, Johann George: Mein Leben, wie ich Johann George Scheffner es selbst beschrieben. Leipzig, 1823.

Bild:
<< vorherige Seite

suchte, jetzt aber nach merklich erhöhten Ge-
halten und Titeln mehr laute Regsamkeit
herrscht, indem man in den meisten Händen
Reisecharten und staatswirthschaftliche Ap-
parate sieht, ob man gleich doch manchmal
bezweifeln möchte, daß der neueingekehrte
Geist ganz engelhafter Natur sey, und nicht
auch Spuren des betrübten Sündenfalls an
sich habe. Wenigstens sieht man auch jetzt
noch große Mittel und oft kleine Effekte
und fordert zwar von Dingen und Perso-
nen weit mehr, als sonst, läßt sich aber
auch mit ehemaligem Wenigerleisten abfin-
den. Jch gehöre indessen doch zu den an
das Besserwerden Glaubenden, und lasse mich
durch nichts, am wenigsten durch das, was
Gorgias-Müller in seinen Elementen

"daurendschönen Gemüthsfassung, die sich
"auf alles erstreckt, durch alles verbreitet, wer
"diesen Rückklang der Wettharmouie im
"Herzen des Menschen
gefühlt hat, der
"fühlte zugleich, daß es außer ihm kein Sitten-
"gesetz gebe -- kein Vernunftgesetz. Kein Natur-
"und Kunstwerk ist ohne eine unsern Organen
"zusprechende Convenienz und Organisation seiner
"Theile zu uns auch nur denkbar."
Herders
Werke zur Philosophie und Geschichte 9ter Theil
S. 183.

ſuchte, jetzt aber nach merklich erhoͤhten Ge-
halten und Titeln mehr laute Regſamkeit
herrſcht, indem man in den meiſten Haͤnden
Reiſecharten und ſtaatswirthſchaftliche Ap-
parate ſieht, ob man gleich doch manchmal
bezweifeln moͤchte, daß der neueingekehrte
Geiſt ganz engelhafter Natur ſey, und nicht
auch Spuren des betruͤbten Suͤndenfalls an
ſich habe. Wenigſtens ſieht man auch jetzt
noch große Mittel und oft kleine Effekte
und fordert zwar von Dingen und Perſo-
nen weit mehr, als ſonſt, laͤßt ſich aber
auch mit ehemaligem Wenigerleiſten abfin-
den. Jch gehoͤre indeſſen doch zu den an
das Beſſerwerden Glaubenden, und laſſe mich
durch nichts, am wenigſten durch das, was
Gorgias-Muͤller in ſeinen Elementen

„daurendſchoͤnen Gemuͤthsfaſſung, die ſich
„auf alles erſtreckt, durch alles verbreitet, wer
„dieſen Ruͤckklang der Wettharmouie im
„Herzen des Menſchen
gefuͤhlt hat, der
„fuͤhlte zugleich, daß es außer ihm kein Sitten-
„geſetz gebe — kein Vernunftgeſetz. Kein Natur-
„und Kunſtwerk iſt ohne eine unſern Organen
„zuſprechende Convenienz und Organiſation ſeiner
„Theile zu uns auch nur denkbar.“
Herders
Werke zur Philoſophie und Geſchichte 9ter Theil
S. 183.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0157" n="140"/>
&#x017F;uchte, jetzt aber nach merklich erho&#x0364;hten Ge-<lb/>
halten und Titeln mehr <hi rendition="#g">laute</hi> Reg&#x017F;amkeit<lb/>
herr&#x017F;cht, indem man in den mei&#x017F;ten Ha&#x0364;nden<lb/>
Rei&#x017F;echarten und &#x017F;taatswirth&#x017F;chaftliche Ap-<lb/>
parate &#x017F;ieht, ob man gleich doch manchmal<lb/>
bezweifeln mo&#x0364;chte, daß der neueingekehrte<lb/>
Gei&#x017F;t ganz engelhafter Natur &#x017F;ey, und nicht<lb/>
auch Spuren des betru&#x0364;bten Su&#x0364;ndenfalls an<lb/>
&#x017F;ich habe. Wenig&#x017F;tens &#x017F;ieht man auch jetzt<lb/>
noch große Mittel und oft kleine Effekte<lb/>
und fordert zwar von Dingen und Per&#x017F;o-<lb/>
nen weit mehr, als &#x017F;on&#x017F;t, la&#x0364;ßt &#x017F;ich aber<lb/>
auch mit ehemaligem Wenigerlei&#x017F;ten abfin-<lb/>
den. Jch geho&#x0364;re inde&#x017F;&#x017F;en doch zu den an<lb/>
das Be&#x017F;&#x017F;erwerden Glaubenden, und la&#x017F;&#x017F;e mich<lb/>
durch nichts, am wenig&#x017F;ten durch das, was<lb/><hi rendition="#g">Gorgias-</hi>Mu&#x0364;ller in &#x017F;einen <hi rendition="#g">Elementen</hi><lb/><note xml:id="seg2pn_12_3" prev="#seg2pn_12_2" place="foot" n="*)"><cit><quote>&#x201E;daurend&#x017F;cho&#x0364;nen <hi rendition="#g">Gemu&#x0364;thsfa&#x017F;&#x017F;ung,</hi> die &#x017F;ich<lb/>
&#x201E;auf alles er&#x017F;treckt, durch alles verbreitet, wer<lb/>
&#x201E;die&#x017F;en <hi rendition="#g">Ru&#x0364;ckklang der Wettharmouie im<lb/>
&#x201E;Herzen des Men&#x017F;chen</hi> gefu&#x0364;hlt hat, der<lb/>
&#x201E;fu&#x0364;hlte zugleich, daß es außer ihm kein Sitten-<lb/>
&#x201E;ge&#x017F;etz gebe &#x2014; kein Vernunftge&#x017F;etz. Kein Natur-<lb/>
&#x201E;und Kun&#x017F;twerk i&#x017F;t ohne eine un&#x017F;ern Organen<lb/>
&#x201E;zu&#x017F;prechende Convenienz und Organi&#x017F;ation &#x017F;einer<lb/>
&#x201E;Theile zu uns auch nur denkbar.&#x201C;</quote></cit> Herders<lb/>
Werke zur Philo&#x017F;ophie und Ge&#x017F;chichte 9ter Theil<lb/>
S. 183.</note><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[140/0157] ſuchte, jetzt aber nach merklich erhoͤhten Ge- halten und Titeln mehr laute Regſamkeit herrſcht, indem man in den meiſten Haͤnden Reiſecharten und ſtaatswirthſchaftliche Ap- parate ſieht, ob man gleich doch manchmal bezweifeln moͤchte, daß der neueingekehrte Geiſt ganz engelhafter Natur ſey, und nicht auch Spuren des betruͤbten Suͤndenfalls an ſich habe. Wenigſtens ſieht man auch jetzt noch große Mittel und oft kleine Effekte und fordert zwar von Dingen und Perſo- nen weit mehr, als ſonſt, laͤßt ſich aber auch mit ehemaligem Wenigerleiſten abfin- den. Jch gehoͤre indeſſen doch zu den an das Beſſerwerden Glaubenden, und laſſe mich durch nichts, am wenigſten durch das, was Gorgias-Muͤller in ſeinen Elementen *) *) „daurendſchoͤnen Gemuͤthsfaſſung, die ſich „auf alles erſtreckt, durch alles verbreitet, wer „dieſen Ruͤckklang der Wettharmouie im „Herzen des Menſchen gefuͤhlt hat, der „fuͤhlte zugleich, daß es außer ihm kein Sitten- „geſetz gebe — kein Vernunftgeſetz. Kein Natur- „und Kunſtwerk iſt ohne eine unſern Organen „zuſprechende Convenienz und Organiſation ſeiner „Theile zu uns auch nur denkbar.“ Herders Werke zur Philoſophie und Geſchichte 9ter Theil S. 183.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/scheffner_leben_1823
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/scheffner_leben_1823/157
Zitationshilfe: Scheffner, Johann George: Mein Leben, wie ich Johann George Scheffner es selbst beschrieben. Leipzig, 1823, S. 140. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffner_leben_1823/157>, abgerufen am 03.05.2024.