Werke noch nicht gelesen hat, zu hoch span- nen, den noch nicht ganz sichern-Geschmack irre führen oder beunruhigen, und dem schon befestigten manchmal anstößig werden, wenn seine Erfahrungen ihm andere Resultate ge- liefert haben, die daun ihn, der in ihrer Zustimmung ein befriedigendes Zeuguiß für die Richtigkeit seines Urtheils suchte, ver- anlassen können, den Kritikus für exaltirt, oder partheyisch zu halten?
Herders Bemerkungen über den kalos khagathos erinnern mich an den Eindruck, den die Jdee eines griechischen kalos khagathos auf mich gemacht, und wie sie in mir, ohne eben das principibus viris placuisse non ultima laus est zu denken, den Wunsch er- regt, ein solcher zu werden. Mir scheint in ihr das Jdeal der brittischen Gentlemanu- schaft zu liegen. *)
*)"Das kalon der Alten begriff in sich, nicht den "flachen Anschein, mit welchem wir tändeln. Jh- "nen war es der höchste Begriff der Harmonie, "des Anstandes, der Würde, die auch höchste "Pflicht ist. Dieser Begriff schließt weder die "Nutzbarkeit der Handlungen aus, noch weniger "Pflicht, schwere Pflicht. Vielmehr ist diese "Schönheit des Menschen nichts als reiner "Charakter. Sie fordert ohne Rücksicht auf
Werke noch nicht geleſen hat, zu hoch ſpan- nen, den noch nicht ganz ſichern-Geſchmack irre fuͤhren oder beunruhigen, und dem ſchon befeſtigten manchmal anſtoͤßig werden, wenn ſeine Erfahrungen ihm andere Reſultate ge- liefert haben, die daun ihn, der in ihrer Zuſtimmung ein befriedigendes Zeuguiß fuͤr die Richtigkeit ſeines Urtheils ſuchte, ver- anlaſſen koͤnnen, den Kritikus fuͤr exaltirt, oder partheyiſch zu halten?
Herders Bemerkungen uͤber den ϰαλος χἀγαϑος erinnern mich an den Eindruck, den die Jdee eines griechiſchen ϰαλος χἀγαϑος auf mich gemacht, und wie ſie in mir, ohne eben das principibus viris placuiſſe non ultima laus eſt zu denken, den Wunſch er- regt, ein ſolcher zu werden. Mir ſcheint in ihr das Jdeal der brittiſchen Gentlemanu- ſchaft zu liegen. *)
*)„Das ϰαλον der Alten begriff in ſich, nicht den „flachen Anſchein, mit welchem wir taͤndeln. Jh- „nen war es der hoͤchſte Begriff der Harmonie, „des Anſtandes, der Wuͤrde, die auch hoͤchſte „Pflicht iſt. Dieſer Begriff ſchließt weder die „Nutzbarkeit der Handlungen aus, noch weniger „Pflicht, ſchwere Pflicht. Vielmehr iſt dieſe „Schoͤnheit des Menſchen nichts als reiner „Charakter. Sie fordert ohne Ruͤckſicht auf
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Werke noch nicht geleſen hat, zu hoch ſpan-
nen, den noch nicht ganz ſichern-Geſchmack
irre fuͤhren oder beunruhigen, und dem ſchon
befeſtigten manchmal anſtoͤßig werden, wenn
ſeine Erfahrungen ihm andere Reſultate ge-
liefert haben, die daun ihn, der in ihrer
Zuſtimmung ein befriedigendes Zeuguiß fuͤr
die Richtigkeit ſeines Urtheils ſuchte, ver-
anlaſſen koͤnnen, den Kritikus fuͤr exaltirt,
oder partheyiſch zu halten?
Herders Bemerkungen uͤber den ϰαλος
χἀγαϑος erinnern mich an den Eindruck, den
die Jdee eines griechiſchen ϰαλος χἀγαϑος auf
mich gemacht, und wie ſie in mir, ohne
eben das principibus viris placuiſſe non
ultima laus eſt zu denken, den Wunſch er-
regt, ein ſolcher zu werden. Mir ſcheint in
ihr das Jdeal der brittiſchen Gentlemanu-
ſchaft zu liegen. *)
*) „Das ϰαλον der Alten begriff in ſich, nicht den
„flachen Anſchein, mit welchem wir taͤndeln. Jh-
„nen war es der hoͤchſte Begriff der Harmonie,
„des Anſtandes, der Wuͤrde, die auch hoͤchſte
„Pflicht iſt. Dieſer Begriff ſchließt weder die
„Nutzbarkeit der Handlungen aus, noch weniger
„Pflicht, ſchwere Pflicht. Vielmehr iſt dieſe
„Schoͤnheit des Menſchen nichts als reiner
„Charakter. Sie fordert ohne Ruͤckſicht auf
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Scheffner, Johann George: Mein Leben, wie ich Johann George Scheffner es selbst beschrieben. Leipzig, 1823, S. 138. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffner_leben_1823/155>, abgerufen am 28.11.2024.
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