Scheffel, Joseph Victor von: Hugideo. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 19. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 237–254. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.schauen ließ; kein Menschenlärm umtönte sein Ohr, und friedlich und groß trug der Strom seine rauschende Flut vorüber. Der Mann hieß Hugideo und sprach. Hier will ich ein Nest in den Fels bauen, wie eine Mauerschwalbe und in Frieden geharren, bis mein Tag sich neigt, das soll meine letzte Kunst sein! Am Rhein drunten fand er einen alten Salmenfischer, der hieß Nebi und gab ihm Bescheid, daß Niemand einen Zwing und Bann über den Klotz von Istein übe, und daß Nester bauen könne, wer da Gelüst trage und des Mauerns kundig sei. Da hub der Fremde an, sich einzubauen in die Höhlung des Felsens; er schien den Römern ein Stück ihres Architekturwesens abgesehen zu haben: in kurzer Frist stund ein steinern Gelaß keck und wohlgeschirmt in schier unnahbarer Abgeschiedenheit errichtet -- ein Klausnerhäuslein, wie dazumal an manchem italischen und gallischen Berg manches eingeklebt stund, denn ein anständiger Mensch hatte in selbiger Zeit eher Drang und Grund, die Welt zu fliehen, als sie zu suchen. Wie es fertig war, ging der neue Siedel auf etliche Tage von dannen über den Rhein hinüber, und wie er wieder kam, trug er einen Korb mit Fisch- und Jagdzeug auf dem Rücken und eine schneeweiße Marmorbüste aus dem Haupt, und trug Geräthe und Marmor den Berg hinan in seine Klause[.] schauen ließ; kein Menschenlärm umtönte sein Ohr, und friedlich und groß trug der Strom seine rauschende Flut vorüber. Der Mann hieß Hugideo und sprach. Hier will ich ein Nest in den Fels bauen, wie eine Mauerschwalbe und in Frieden geharren, bis mein Tag sich neigt, das soll meine letzte Kunst sein! Am Rhein drunten fand er einen alten Salmenfischer, der hieß Nebi und gab ihm Bescheid, daß Niemand einen Zwing und Bann über den Klotz von Istein übe, und daß Nester bauen könne, wer da Gelüst trage und des Mauerns kundig sei. Da hub der Fremde an, sich einzubauen in die Höhlung des Felsens; er schien den Römern ein Stück ihres Architekturwesens abgesehen zu haben: in kurzer Frist stund ein steinern Gelaß keck und wohlgeschirmt in schier unnahbarer Abgeschiedenheit errichtet — ein Klausnerhäuslein, wie dazumal an manchem italischen und gallischen Berg manches eingeklebt stund, denn ein anständiger Mensch hatte in selbiger Zeit eher Drang und Grund, die Welt zu fliehen, als sie zu suchen. Wie es fertig war, ging der neue Siedel auf etliche Tage von dannen über den Rhein hinüber, und wie er wieder kam, trug er einen Korb mit Fisch- und Jagdzeug auf dem Rücken und eine schneeweiße Marmorbüste aus dem Haupt, und trug Geräthe und Marmor den Berg hinan in seine Klause[.] <TEI> <text> <body> <div n="0"> <p><pb facs="#f0009"/> schauen ließ; kein Menschenlärm umtönte sein Ohr, und friedlich und groß trug der Strom seine rauschende Flut vorüber.</p><lb/> <p>Der Mann hieß Hugideo und sprach. Hier will ich ein Nest in den Fels bauen, wie eine Mauerschwalbe und in Frieden geharren, bis mein Tag sich neigt, das soll meine letzte Kunst sein!</p><lb/> <p>Am Rhein drunten fand er einen alten Salmenfischer, der hieß Nebi und gab ihm Bescheid, daß Niemand einen Zwing und Bann über den Klotz von Istein übe, und daß Nester bauen könne, wer da Gelüst trage und des Mauerns kundig sei.</p><lb/> <p>Da hub der Fremde an, sich einzubauen in die Höhlung des Felsens; er schien den Römern ein Stück ihres Architekturwesens abgesehen zu haben: in kurzer Frist stund ein steinern Gelaß keck und wohlgeschirmt in schier unnahbarer Abgeschiedenheit errichtet — ein Klausnerhäuslein, wie dazumal an manchem italischen und gallischen Berg manches eingeklebt stund, denn ein anständiger Mensch hatte in selbiger Zeit eher Drang und Grund, die Welt zu fliehen, als sie zu suchen.</p><lb/> <p>Wie es fertig war, ging der neue Siedel auf etliche Tage von dannen über den Rhein hinüber, und wie er wieder kam, trug er einen Korb mit Fisch- und Jagdzeug auf dem Rücken und eine schneeweiße Marmorbüste aus dem Haupt, und trug Geräthe und Marmor den Berg hinan in seine Klause<supplied reason="damage" cert="high">.</supplied></p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [0009]
schauen ließ; kein Menschenlärm umtönte sein Ohr, und friedlich und groß trug der Strom seine rauschende Flut vorüber.
Der Mann hieß Hugideo und sprach. Hier will ich ein Nest in den Fels bauen, wie eine Mauerschwalbe und in Frieden geharren, bis mein Tag sich neigt, das soll meine letzte Kunst sein!
Am Rhein drunten fand er einen alten Salmenfischer, der hieß Nebi und gab ihm Bescheid, daß Niemand einen Zwing und Bann über den Klotz von Istein übe, und daß Nester bauen könne, wer da Gelüst trage und des Mauerns kundig sei.
Da hub der Fremde an, sich einzubauen in die Höhlung des Felsens; er schien den Römern ein Stück ihres Architekturwesens abgesehen zu haben: in kurzer Frist stund ein steinern Gelaß keck und wohlgeschirmt in schier unnahbarer Abgeschiedenheit errichtet — ein Klausnerhäuslein, wie dazumal an manchem italischen und gallischen Berg manches eingeklebt stund, denn ein anständiger Mensch hatte in selbiger Zeit eher Drang und Grund, die Welt zu fliehen, als sie zu suchen.
Wie es fertig war, ging der neue Siedel auf etliche Tage von dannen über den Rhein hinüber, und wie er wieder kam, trug er einen Korb mit Fisch- und Jagdzeug auf dem Rücken und eine schneeweiße Marmorbüste aus dem Haupt, und trug Geräthe und Marmor den Berg hinan in seine Klause.
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Zitationshilfe: | Scheffel, Joseph Victor von: Hugideo. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 19. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 237–254. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffel_hugideo_1910/9>, abgerufen am 16.07.2024. |