Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855.

Bild:
<< vorherige Seite

fragen als Ekkehard beantworten konnte; von so Manchem seiner
alten Mitbrüder war Nichts mehr zu berichten, als daß sein Sarg
eingemauert stand bei dem der Andern und ein Kreuz an der Wand
und ein Eintrag im Todtenbuch die einzige Spur, daß er gelebt; --
die Geschichten und Späßlein und Klosterfehden, wie sie vor dreißig
Jahren erzählt wurden, waren durch Neue ersetzt und was seit damals
geschehen, ließ ihn gleichgiltig. Nur wie Ekkehard ihm von Zweck und
Ziel seiner Fahrt sprach, rief er: Hoiho, Confrater, was habt Ihr
wider die Jagd gesprochen und ziehet ja selber auf Edelwild aus.

Aber Ekkehard lenkte ab. Habt Ihr noch nie Heimweh nach des
Klosters Stille und Wissenschaft verspürt? frug er.

Da flammte des Leutpriestres Aug': Ward Catilina von Heimweh
nach den Holzbänken des römischen Senats geplagt, nachdem von
ihm gesagt war: excessit, evasit, erupit? Junges Blut versteht das
nicht. Fleischtöpfe Aegyptens?! ille terrarum mihi praeter omnes ...
sprach der Hund zum Stall, in dem er sieben Jahre gelegen.

Ich versteh Euch allerdings nicht, sprach Ekkehard. Was schuf
Euch solche Aenderung der Sinnesart? Er warf einen Seitenblick
auf das Jagdgeräth.

Die Zeit, gab der Leutpriester zurück, und klopfte seinen Gang-
fisch auf dem Eichentisch mürb, -- die Zeit und wachsende Erkenntniß.
Das braucht Ihr aber Eurem Abte nicht zu berichten. Bin auch
einmal ein Bursch gewesen wie Ihr, Irland zieht fromme Leute, sie
wissen's hier zu Lande. Eheu, wie war ich untadligen Gemüthes, wie
ich mit Oheim Marcus von der Wallfahrt gen Rom zurückkam.110) Hättet den jungen Moengal sehen sollen, die ganze Welt war ihm
keinen Gründling werth, aber Psalliren, Vigilien singen, geistliche
Uebungen halten: das war mein Labsal. Da ritten wir in Gallus
Kloster ein -- einem heiligen Landsmann zu Ehren macht ein braver
Irländer schon ein paar Meilen um, -- ich aber bin ganz dort
hängen geblieben. Kleider, Bücher, Gold und Wissen, der ganze
Mensch ward des Klosters, und der irische Moengal ward Marcellus
geheißen und warf seines Oheims silberne und goldene Pfennige zum
Fenster hinaus, daß die Brücke abgebrochen sei, die zur Welt zurückführt.
Waren schöne Jahre, sag' ich Euch, hab' gewacht und gebetet und
studirt nach Herzenslust.

fragen als Ekkehard beantworten konnte; von ſo Manchem ſeiner
alten Mitbrüder war Nichts mehr zu berichten, als daß ſein Sarg
eingemauert ſtand bei dem der Andern und ein Kreuz an der Wand
und ein Eintrag im Todtenbuch die einzige Spur, daß er gelebt; —
die Geſchichten und Späßlein und Kloſterfehden, wie ſie vor dreißig
Jahren erzählt wurden, waren durch Neue erſetzt und was ſeit damals
geſchehen, ließ ihn gleichgiltig. Nur wie Ekkehard ihm von Zweck und
Ziel ſeiner Fahrt ſprach, rief er: Hoiho, Confrater, was habt Ihr
wider die Jagd geſprochen und ziehet ja ſelber auf Edelwild aus.

Aber Ekkehard lenkte ab. Habt Ihr noch nie Heimweh nach des
Kloſters Stille und Wiſſenſchaft verſpürt? frug er.

Da flammte des Leutprieſtres Aug': Ward Catilina von Heimweh
nach den Holzbänken des römiſchen Senats geplagt, nachdem von
ihm geſagt war: excessit, evasit, erupit? Junges Blut verſteht das
nicht. Fleiſchtöpfe Aegyptens?! ille terrarum mihi praeter omnes ...
ſprach der Hund zum Stall, in dem er ſieben Jahre gelegen.

Ich verſteh Euch allerdings nicht, ſprach Ekkehard. Was ſchuf
Euch ſolche Aenderung der Sinnesart? Er warf einen Seitenblick
auf das Jagdgeräth.

Die Zeit, gab der Leutprieſter zurück, und klopfte ſeinen Gang-
fiſch auf dem Eichentiſch mürb, — die Zeit und wachſende Erkenntniß.
Das braucht Ihr aber Eurem Abte nicht zu berichten. Bin auch
einmal ein Burſch geweſen wie Ihr, Irland zieht fromme Leute, ſie
wiſſen's hier zu Lande. Eheu, wie war ich untadligen Gemüthes, wie
ich mit Oheim Marcus von der Wallfahrt gen Rom zurückkam.110) Hättet den jungen Moengal ſehen ſollen, die ganze Welt war ihm
keinen Gründling werth, aber Pſalliren, Vigilien ſingen, geiſtliche
Uebungen halten: das war mein Labſal. Da ritten wir in Gallus
Kloſter ein — einem heiligen Landsmann zu Ehren macht ein braver
Irländer ſchon ein paar Meilen um, — ich aber bin ganz dort
hängen geblieben. Kleider, Bücher, Gold und Wiſſen, der ganze
Menſch ward des Kloſters, und der iriſche Moengal ward Marcellus
geheißen und warf ſeines Oheims ſilberne und goldene Pfennige zum
Fenſter hinaus, daß die Brücke abgebrochen ſei, die zur Welt zurückführt.
Waren ſchöne Jahre, ſag' ich Euch, hab' gewacht und gebetet und
ſtudirt nach Herzensluſt.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0093" n="71"/>
fragen als Ekkehard beantworten konnte; von &#x017F;o Manchem &#x017F;einer<lb/>
alten Mitbrüder war Nichts mehr zu berichten, als daß &#x017F;ein Sarg<lb/>
eingemauert &#x017F;tand bei dem der Andern und ein Kreuz an der Wand<lb/>
und ein Eintrag im Todtenbuch die einzige Spur, daß er gelebt; &#x2014;<lb/>
die Ge&#x017F;chichten und Späßlein und Klo&#x017F;terfehden, wie &#x017F;ie vor dreißig<lb/>
Jahren erzählt wurden, waren durch Neue er&#x017F;etzt und was &#x017F;eit damals<lb/>
ge&#x017F;chehen, ließ ihn gleichgiltig. Nur wie Ekkehard ihm von Zweck und<lb/>
Ziel &#x017F;einer Fahrt &#x017F;prach, rief er: Hoiho, Confrater, was habt Ihr<lb/>
wider die Jagd ge&#x017F;prochen und ziehet ja &#x017F;elber auf Edelwild aus.</p><lb/>
        <p>Aber Ekkehard lenkte ab. Habt Ihr noch nie Heimweh nach des<lb/>
Klo&#x017F;ters Stille und Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaft ver&#x017F;pürt? frug er.</p><lb/>
        <p>Da flammte des Leutprie&#x017F;tres Aug': Ward Catilina von Heimweh<lb/>
nach den Holzbänken des römi&#x017F;chen Senats geplagt, nachdem von<lb/>
ihm ge&#x017F;agt war: <hi rendition="#aq">excessit, evasit, erupit?</hi> Junges Blut ver&#x017F;teht das<lb/>
nicht. Flei&#x017F;chtöpfe Aegyptens?! <hi rendition="#aq">ille terrarum mihi praeter omnes ...</hi><lb/>
&#x017F;prach der Hund zum Stall, in dem er &#x017F;ieben Jahre gelegen.</p><lb/>
        <p>Ich ver&#x017F;teh Euch allerdings nicht, &#x017F;prach Ekkehard. Was &#x017F;chuf<lb/>
Euch &#x017F;olche Aenderung der Sinnesart? Er warf einen Seitenblick<lb/>
auf das Jagdgeräth.</p><lb/>
        <p>Die Zeit, gab der Leutprie&#x017F;ter zurück, und klopfte &#x017F;einen Gang-<lb/>
fi&#x017F;ch auf dem Eichenti&#x017F;ch mürb, &#x2014; die Zeit und wach&#x017F;ende Erkenntniß.<lb/>
Das braucht Ihr aber Eurem Abte nicht zu berichten. Bin auch<lb/>
einmal ein Bur&#x017F;ch gewe&#x017F;en wie Ihr, Irland zieht fromme Leute, &#x017F;ie<lb/>
wi&#x017F;&#x017F;en's hier zu Lande. <hi rendition="#aq">Eheu,</hi> wie war ich untadligen Gemüthes, wie<lb/>
ich mit Oheim Marcus von der Wallfahrt gen Rom zurückkam.<note xml:id="ed110" next="#edt110" place="end" n="110)"/><lb/>
Hättet den jungen Moengal &#x017F;ehen &#x017F;ollen, die ganze Welt war ihm<lb/>
keinen Gründling werth, aber P&#x017F;alliren, Vigilien &#x017F;ingen, gei&#x017F;tliche<lb/>
Uebungen halten: das war mein Lab&#x017F;al. Da ritten wir in Gallus<lb/>
Klo&#x017F;ter ein &#x2014; einem heiligen Landsmann zu Ehren macht ein braver<lb/>
Irländer &#x017F;chon ein paar Meilen um, &#x2014; ich aber bin ganz dort<lb/>
hängen geblieben. Kleider, Bücher, Gold und Wi&#x017F;&#x017F;en, der ganze<lb/>
Men&#x017F;ch ward des Klo&#x017F;ters, und der iri&#x017F;che Moengal ward Marcellus<lb/>
geheißen und warf &#x017F;eines Oheims &#x017F;ilberne und goldene Pfennige zum<lb/>
Fen&#x017F;ter hinaus, daß die Brücke abgebrochen &#x017F;ei, die zur Welt zurückführt.<lb/>
Waren &#x017F;chöne Jahre, &#x017F;ag' ich Euch, hab' gewacht und gebetet und<lb/>
&#x017F;tudirt nach Herzenslu&#x017F;t.</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[71/0093] fragen als Ekkehard beantworten konnte; von ſo Manchem ſeiner alten Mitbrüder war Nichts mehr zu berichten, als daß ſein Sarg eingemauert ſtand bei dem der Andern und ein Kreuz an der Wand und ein Eintrag im Todtenbuch die einzige Spur, daß er gelebt; — die Geſchichten und Späßlein und Kloſterfehden, wie ſie vor dreißig Jahren erzählt wurden, waren durch Neue erſetzt und was ſeit damals geſchehen, ließ ihn gleichgiltig. Nur wie Ekkehard ihm von Zweck und Ziel ſeiner Fahrt ſprach, rief er: Hoiho, Confrater, was habt Ihr wider die Jagd geſprochen und ziehet ja ſelber auf Edelwild aus. Aber Ekkehard lenkte ab. Habt Ihr noch nie Heimweh nach des Kloſters Stille und Wiſſenſchaft verſpürt? frug er. Da flammte des Leutprieſtres Aug': Ward Catilina von Heimweh nach den Holzbänken des römiſchen Senats geplagt, nachdem von ihm geſagt war: excessit, evasit, erupit? Junges Blut verſteht das nicht. Fleiſchtöpfe Aegyptens?! ille terrarum mihi praeter omnes ... ſprach der Hund zum Stall, in dem er ſieben Jahre gelegen. Ich verſteh Euch allerdings nicht, ſprach Ekkehard. Was ſchuf Euch ſolche Aenderung der Sinnesart? Er warf einen Seitenblick auf das Jagdgeräth. Die Zeit, gab der Leutprieſter zurück, und klopfte ſeinen Gang- fiſch auf dem Eichentiſch mürb, — die Zeit und wachſende Erkenntniß. Das braucht Ihr aber Eurem Abte nicht zu berichten. Bin auch einmal ein Burſch geweſen wie Ihr, Irland zieht fromme Leute, ſie wiſſen's hier zu Lande. Eheu, wie war ich untadligen Gemüthes, wie ich mit Oheim Marcus von der Wallfahrt gen Rom zurückkam. ¹¹⁰⁾ Hättet den jungen Moengal ſehen ſollen, die ganze Welt war ihm keinen Gründling werth, aber Pſalliren, Vigilien ſingen, geiſtliche Uebungen halten: das war mein Labſal. Da ritten wir in Gallus Kloſter ein — einem heiligen Landsmann zu Ehren macht ein braver Irländer ſchon ein paar Meilen um, — ich aber bin ganz dort hängen geblieben. Kleider, Bücher, Gold und Wiſſen, der ganze Menſch ward des Kloſters, und der iriſche Moengal ward Marcellus geheißen und warf ſeines Oheims ſilberne und goldene Pfennige zum Fenſter hinaus, daß die Brücke abgebrochen ſei, die zur Welt zurückführt. Waren ſchöne Jahre, ſag' ich Euch, hab' gewacht und gebetet und ſtudirt nach Herzensluſt.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/scheffel_ekkehard_1855
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/scheffel_ekkehard_1855/93
Zitationshilfe: Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855, S. 71. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffel_ekkehard_1855/93>, abgerufen am 03.05.2024.