voll, stieß mit ihm an und sprach: des Klosterweins Auslese! Herr Spazzo gedachte einen mächtigen Zug zu thun, aber es schüttelte ihn wie Fieberfrost und den Becher absetzend sagte er: da möchte der Teufel Klosterbruder sein! Der böse Sindolt hatte ihm ein saures Apfelweinlein mit dem Saft von Brombeeren gemischt vorgesetzt. Wie aber Herr Spazzo ihm schier mit einem Faustschlag gelohnt hätte, holte er, ihn zu sänftigen, des dunkelrothen Valtelliners einen Henkelkrug. Der Valtelliner ist ein wackerer Wein, in dem schon der Kaiser Augustus seinen Schmerz über die Varusschlacht niedergetrun- ken;73) und allmälig versöhnte sich Herr Spazzo, trank auch auf das Wohlergehen des Bischofs von Chur, dem das Kloster diesen Wein verdankte, ohne daß er ihm sonst näher bekannt war, seinen Becher leer und Sindolt that wacker Bescheid.
Was sagt Euer Patron zu solchem Trinken? fragte der Kämmerer.
Sanct Benedict war ein weiser Mann, sprach Sindolt. Darum schrieb er in sein Gesetz: Wiewohl zu lesen steht, daß der Wein überhaupt kein Trunk für Mönche sei, so mag dies doch heutigen Tages keinem Einzigen mehr mit Ueberzeugung eingeredet werden. Darum, und schwächlicheren Gemüthes Hinfälligkeit erwägend, ordnen wir dem Einzelnen eine halbe Maas für den Tag zu. Keiner aber soll trinken bis zur Sättigkeit, denn der Wein macht auch den Weise- sten abtrünnig vom Pfade der Weisheit ... 74)
Gut! sprach Spazzo und trank seinen Becher aus.
Wißt Ihr aber auch, frug Sindolt, was den Brüdern zu thun vorgeschrieben steht, in deren Gegend wenig oder gar kein Rebensaft gedeihen mag? Die sollen Gott loben und preisen und nicht murren.
Auch gut! sprach Spazzo und trank wiederholt seinen Becher aus.
Der Abt suchte inzwischen seine fürnehme Base nach Kräften zu unterhalten. Er fing an, Herrn Burkhart's trefflichen Eigenschaften einen Nachruf zu halten. Aber Frau Hadwig's Antworten waren karg und einsilbig. Da merkte der Abt, daß Alles seine Zeit habe, namentlich die Liebe einer Wittib zum verstorbenen Ehemann. Er wandte das Gespräch und fragte, wie ihr des Klosters Schulen gefallen.
Mich dauert das junge Völklein, sprach die Herzogin, daß es in jungen Tagen so Vieles erlernen muß. Ist das nicht wie eine Last, die Ihr ihnen aufbürdet, an der sie zeitlebens keuchend schleppen müssen?
voll, ſtieß mit ihm an und ſprach: des Kloſterweins Ausleſe! Herr Spazzo gedachte einen mächtigen Zug zu thun, aber es ſchüttelte ihn wie Fieberfroſt und den Becher abſetzend ſagte er: da möchte der Teufel Kloſterbruder ſein! Der böſe Sindolt hatte ihm ein ſaures Apfelweinlein mit dem Saft von Brombeeren gemiſcht vorgeſetzt. Wie aber Herr Spazzo ihm ſchier mit einem Fauſtſchlag gelohnt hätte, holte er, ihn zu ſänftigen, des dunkelrothen Valtelliners einen Henkelkrug. Der Valtelliner iſt ein wackerer Wein, in dem ſchon der Kaiſer Auguſtus ſeinen Schmerz über die Varusſchlacht niedergetrun- ken;73) und allmälig verſöhnte ſich Herr Spazzo, trank auch auf das Wohlergehen des Biſchofs von Chur, dem das Kloſter dieſen Wein verdankte, ohne daß er ihm ſonſt näher bekannt war, ſeinen Becher leer und Sindolt that wacker Beſcheid.
Was ſagt Euer Patron zu ſolchem Trinken? fragte der Kämmerer.
Sanct Benedict war ein weiſer Mann, ſprach Sindolt. Darum ſchrieb er in ſein Geſetz: Wiewohl zu leſen ſteht, daß der Wein überhaupt kein Trunk für Mönche ſei, ſo mag dies doch heutigen Tages keinem Einzigen mehr mit Ueberzeugung eingeredet werden. Darum, und ſchwächlicheren Gemüthes Hinfälligkeit erwägend, ordnen wir dem Einzelnen eine halbe Maas für den Tag zu. Keiner aber ſoll trinken bis zur Sättigkeit, denn der Wein macht auch den Weiſe- ſten abtrünnig vom Pfade der Weisheit ... 74)
Gut! ſprach Spazzo und trank ſeinen Becher aus.
Wißt Ihr aber auch, frug Sindolt, was den Brüdern zu thun vorgeſchrieben ſteht, in deren Gegend wenig oder gar kein Rebenſaft gedeihen mag? Die ſollen Gott loben und preiſen und nicht murren.
Auch gut! ſprach Spazzo und trank wiederholt ſeinen Becher aus.
Der Abt ſuchte inzwiſchen ſeine fürnehme Baſe nach Kräften zu unterhalten. Er fing an, Herrn Burkhart's trefflichen Eigenſchaften einen Nachruf zu halten. Aber Frau Hadwig's Antworten waren karg und einſilbig. Da merkte der Abt, daß Alles ſeine Zeit habe, namentlich die Liebe einer Wittib zum verſtorbenen Ehemann. Er wandte das Geſpräch und fragte, wie ihr des Kloſters Schulen gefallen.
Mich dauert das junge Völklein, ſprach die Herzogin, daß es in jungen Tagen ſo Vieles erlernen muß. Iſt das nicht wie eine Laſt, die Ihr ihnen aufbürdet, an der ſie zeitlebens keuchend ſchleppen müſſen?
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voll, ſtieß mit ihm an und ſprach: des Kloſterweins Ausleſe! Herr
Spazzo gedachte einen mächtigen Zug zu thun, aber es ſchüttelte ihn
wie Fieberfroſt und den Becher abſetzend ſagte er: da möchte der
Teufel Kloſterbruder ſein! Der böſe Sindolt hatte ihm ein ſaures
Apfelweinlein mit dem Saft von Brombeeren gemiſcht vorgeſetzt.
Wie aber Herr Spazzo ihm ſchier mit einem Fauſtſchlag gelohnt
hätte, holte er, ihn zu ſänftigen, des dunkelrothen Valtelliners einen
Henkelkrug. Der Valtelliner iſt ein wackerer Wein, in dem ſchon der
Kaiſer Auguſtus ſeinen Schmerz über die Varusſchlacht niedergetrun-
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und allmälig verſöhnte ſich Herr Spazzo, trank auch auf das
Wohlergehen des Biſchofs von Chur, dem das Kloſter dieſen Wein
verdankte, ohne daß er ihm ſonſt näher bekannt war, ſeinen Becher
leer und Sindolt that wacker Beſcheid.
Was ſagt Euer Patron zu ſolchem Trinken? fragte der Kämmerer.
Sanct Benedict war ein weiſer Mann, ſprach Sindolt. Darum
ſchrieb er in ſein Geſetz: Wiewohl zu leſen ſteht, daß der Wein
überhaupt kein Trunk für Mönche ſei, ſo mag dies doch heutigen
Tages keinem Einzigen mehr mit Ueberzeugung eingeredet werden.
Darum, und ſchwächlicheren Gemüthes Hinfälligkeit erwägend, ordnen
wir dem Einzelnen eine halbe Maas für den Tag zu. Keiner aber
ſoll trinken bis zur Sättigkeit, denn der Wein macht auch den Weiſe-
ſten abtrünnig vom Pfade der Weisheit ...
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Gut! ſprach Spazzo und trank ſeinen Becher aus.
Wißt Ihr aber auch, frug Sindolt, was den Brüdern zu thun
vorgeſchrieben ſteht, in deren Gegend wenig oder gar kein Rebenſaft
gedeihen mag? Die ſollen Gott loben und preiſen und nicht murren.
Auch gut! ſprach Spazzo und trank wiederholt ſeinen Becher aus.
Der Abt ſuchte inzwiſchen ſeine fürnehme Baſe nach Kräften zu
unterhalten. Er fing an, Herrn Burkhart's trefflichen Eigenſchaften
einen Nachruf zu halten. Aber Frau Hadwig's Antworten waren
karg und einſilbig. Da merkte der Abt, daß Alles ſeine Zeit habe,
namentlich die Liebe einer Wittib zum verſtorbenen Ehemann. Er
wandte das Geſpräch und fragte, wie ihr des Kloſters Schulen gefallen.
Mich dauert das junge Völklein, ſprach die Herzogin, daß es in
jungen Tagen ſo Vieles erlernen muß. Iſt das nicht wie eine Laſt,
die Ihr ihnen aufbürdet, an der ſie zeitlebens keuchend ſchleppen müſſen?
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Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855, S. 47. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffel_ekkehard_1855/69>, abgerufen am 23.11.2024.
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