Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855.Oberfläche eine gemeine March? Da las der seinen griechischen Text, Frau Hadwig hatte sich schon in mancherlei Lebenslagen befunden. Ratpert der Lehrmeister holte aus seinem Holzverschlag eine mäch- "So weit hat das Vertrauen auf euer Geschlecht euch verleitet? Himmel und Erde sogar, ohn' alles Geheiß von mir selber Wagt ihr zu mischen, ihr Winde, und solchen Tumult zu erheben?! Quos ego!!" Erneuter Hallohruf war die Antwort. Schon war der Saal durch Die hohe Gefangene stand am andern Ende des Hörsaals in einer Was soll das Alles, ihr schlimmen Knaben? frug sie lächelnd. Da trat Einer der Aufrührer vor, beugte sein Knie und sprach Lernt ihr das auch aus euren griechischen Büchern? Nein, Herrin, das ist deutscher Brauch. So will ich mich denn auslösen, lachte Frau Hadwig, erfaßte den Oberfläche eine gemeine March? Da las der ſeinen griechiſchen Text, Frau Hadwig hatte ſich ſchon in mancherlei Lebenslagen befunden. Ratpert der Lehrmeiſter holte aus ſeinem Holzverſchlag eine mäch- „So weit hat das Vertrauen auf euer Geſchlecht euch verleitet? Himmel und Erde ſogar, ohn' alles Geheiß von mir ſelber Wagt ihr zu miſchen, ihr Winde, und ſolchen Tumult zu erheben?! Quos ego!!“ Erneuter Hallohruf war die Antwort. Schon war der Saal durch Die hohe Gefangene ſtand am andern Ende des Hörſaals in einer Was ſoll das Alles, ihr ſchlimmen Knaben? frug ſie lächelnd. Da trat Einer der Aufrührer vor, beugte ſein Knie und ſprach Lernt ihr das auch aus euren griechiſchen Büchern? Nein, Herrin, das iſt deutſcher Brauch. So will ich mich denn auslöſen, lachte Frau Hadwig, erfaßte den <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0063" n="41"/> Oberfläche eine gemeine March? Da las der ſeinen griechiſchen Text,<lb/> aber die Bewegung in den Schulbänken ward ſtärker, es ſummte und<lb/> brummte wie ferne Sturmglocken, zur Ueberſetzung kam's nicht mehr,<lb/> plötzlich ſtürmten die Zöglinge Ratpert's lärmend vor, ſie ſtürmten<lb/> auf die Herzogin ein, riſſen ſie von des Abts und ihres Kämmerers<lb/> Seite: gefangen! gefangen! ſchrie die holde Jugend und begann ſich<lb/> mit den Schulbänken zu verſchanzen: gefangen! wir haben die Herzogin<lb/> in Schwaben gefangen. Was ſoll ihr Löſegeld ſein?</p><lb/> <p>Frau Hadwig hatte ſich ſchon in mancherlei Lebenslagen befunden.<lb/> Daß ſie als Gefangene unter Schulknaben fallen könne, war ihr noch<lb/> nicht zu Sinn gekommen. Weil die Sache neu war, hatte ſie Reiz<lb/> für ſie; ſie fügte ſich.</p><lb/> <p>Ratpert der Lehrmeiſter holte aus ſeinem Holzverſchlag eine mäch-<lb/> tige Ruthe hervor, ſchwang ſie dräuend zur Umkehr und rief, ein<lb/> zweiter Neptunus, die virgiliſchen Verſe in's Getümmel:</p><lb/> <lg type="poem"> <l>„So weit hat das Vertrauen auf euer Geſchlecht euch verleitet?</l><lb/> <l>Himmel und Erde ſogar, ohn' alles Geheiß von mir ſelber</l><lb/> <l>Wagt ihr zu miſchen, ihr Winde, und ſolchen Tumult zu erheben?!</l><lb/> <l> <hi rendition="#aq">Quos ego!!“</hi> </l> </lg><lb/> <p>Erneuter Hallohruf war die Antwort. Schon war der Saal durch<lb/> Schulbänke und Schemel abgeſperrt. Herr Spazzo überlegte den Ge-<lb/> danken eines Sturms und kräftiger Fauſtſchläge an die Haupträdels-<lb/> führer. Der Abt war ſprachlos, die Keckheit war ihm lähmend in<lb/> die Glieder gefahren.</p><lb/> <p>Die hohe Gefangene ſtand am andern Ende des Hörſaals in einer<lb/> Fenſterniſche, umringt von ihren fünfzehnjährigen Entführern.</p><lb/> <p>Was ſoll das Alles, ihr ſchlimmen Knaben? frug ſie lächelnd.</p><lb/> <p>Da trat Einer der Aufrührer vor, beugte ſein Knie und ſprach<lb/> demüthig: Wer als Fremder kommt, iſt ſonder Schutz und Friede,<lb/> und friedloſe Leute hält man gefangen, bis ſie ſich der Unfreiheit löſen.<note xml:id="ed63" next="#edt63" place="end" n="63)"/></p><lb/> <p>Lernt ihr das auch aus euren griechiſchen Büchern?</p><lb/> <p>Nein, Herrin, das iſt deutſcher Brauch.</p><lb/> <p>So will ich mich denn auslöſen, lachte Frau Hadwig, erfaßte den<lb/> rothwangigen Logiker und zog ihn zu ſich heran, ihn zu küſſen; der<lb/> aber riß ſich von ihr los, ſprang in den Kreis der lärmenden Ge-<lb/> noſſen und rief:</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [41/0063]
Oberfläche eine gemeine March? Da las der ſeinen griechiſchen Text,
aber die Bewegung in den Schulbänken ward ſtärker, es ſummte und
brummte wie ferne Sturmglocken, zur Ueberſetzung kam's nicht mehr,
plötzlich ſtürmten die Zöglinge Ratpert's lärmend vor, ſie ſtürmten
auf die Herzogin ein, riſſen ſie von des Abts und ihres Kämmerers
Seite: gefangen! gefangen! ſchrie die holde Jugend und begann ſich
mit den Schulbänken zu verſchanzen: gefangen! wir haben die Herzogin
in Schwaben gefangen. Was ſoll ihr Löſegeld ſein?
Frau Hadwig hatte ſich ſchon in mancherlei Lebenslagen befunden.
Daß ſie als Gefangene unter Schulknaben fallen könne, war ihr noch
nicht zu Sinn gekommen. Weil die Sache neu war, hatte ſie Reiz
für ſie; ſie fügte ſich.
Ratpert der Lehrmeiſter holte aus ſeinem Holzverſchlag eine mäch-
tige Ruthe hervor, ſchwang ſie dräuend zur Umkehr und rief, ein
zweiter Neptunus, die virgiliſchen Verſe in's Getümmel:
„So weit hat das Vertrauen auf euer Geſchlecht euch verleitet?
Himmel und Erde ſogar, ohn' alles Geheiß von mir ſelber
Wagt ihr zu miſchen, ihr Winde, und ſolchen Tumult zu erheben?!
Quos ego!!“
Erneuter Hallohruf war die Antwort. Schon war der Saal durch
Schulbänke und Schemel abgeſperrt. Herr Spazzo überlegte den Ge-
danken eines Sturms und kräftiger Fauſtſchläge an die Haupträdels-
führer. Der Abt war ſprachlos, die Keckheit war ihm lähmend in
die Glieder gefahren.
Die hohe Gefangene ſtand am andern Ende des Hörſaals in einer
Fenſterniſche, umringt von ihren fünfzehnjährigen Entführern.
Was ſoll das Alles, ihr ſchlimmen Knaben? frug ſie lächelnd.
Da trat Einer der Aufrührer vor, beugte ſein Knie und ſprach
demüthig: Wer als Fremder kommt, iſt ſonder Schutz und Friede,
und friedloſe Leute hält man gefangen, bis ſie ſich der Unfreiheit löſen.
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Lernt ihr das auch aus euren griechiſchen Büchern?
Nein, Herrin, das iſt deutſcher Brauch.
So will ich mich denn auslöſen, lachte Frau Hadwig, erfaßte den
rothwangigen Logiker und zog ihn zu ſich heran, ihn zu küſſen; der
aber riß ſich von ihr los, ſprang in den Kreis der lärmenden Ge-
noſſen und rief:
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