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Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855.

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Meerkatze zusammen an einer Kette durch's Leben tollte, -- zwei Ge-
schöpfe, von denen ein Dichter damaliger Zeit sagt, daß weder das
eine noch das andere eine Spur nutzbringender Anlage als Berech-
tigungsgrund seines Vorhandenseins aufzuweisen vermöge.56)

Ein alter Steinbock stund in seines Raumes Enge, der Sohn der
Hochalpe senkte sein Haupt, still und geduckt; seit er die schneidige
Luft der Gletscher entbehren mußte, war er blind geworden, denn nicht
Jedweder gedeiht in den Niederungen der Menschen.

In anderem Behältniß waren dickhäutige Dachse angebaut; der
böse Sindolt lachte, wie sie vorüberkamen: Sei gegrüßt, du kleines,
niederträchtig Gethier, sprach er, du erlesen Wildpret der Klosterknechte!

Wieder anderswo pfiff es durchdringend. Ein Rudel Murmelthiere
lief den Ritzen zwischen den künstlich geschichteten Felsen zu. Frau
Hadwig hatte solch kurzweilig Geschöpf noch nicht erschaut. Da erklärte
ihr der Abt deren Lebensart:

Die schlafen mehr als jede andere Kreatur, sprach er; auch wenn
sie wachen, mögen sie ohne Phantasiren nicht sein, und so der Winter
herzustreicht, lesen sie allenthalb Halm und Heu zusammen, und Eines
von ihnen legt sich auf den Rücken, richtet die vier Füße ob sich, die
Andern legen auf es Alles, so sie zusammengeraspelt haben, nehmen
es danach beim Schweif und ziehen's wie einen geladenen Frachtwagen
zu ihrer Höhle.57)

Da sprach Sindolt zum dicken Kämmerer Spazzo: Wie schade,
daß Ihr keine Bergmaus geworden, das wär' eine anmuthige Ver-
richtung für Euch!

Wie der Abt sich abgewendet, hub der böse Sindolt eine neue Art
der Erklärung an: Das ist unser Tutilo, sprach er und deutete auf
einen Bären, der so eben seinen Nebenbär rücklings zu Boden gewor-
fen, -- das der blinde Thieto! er deutete auf den Steinbock; eben
wollte er auch seinem Abte die Ehre einer nicht schmeichelhaften Ver-
gleichung erweisen, da fiel ihm die Herzogin in die Rede: Wenn Ihr
Alles zu vergleichen wisset, habt Ihr auch für mich ein Sinnbild?

Sindolt ward verlegen. Zu gutem Glück stand bei den Kranichen
und Reihern ein schmucker Silberfasan und wiegte sein perlgrau glän-
zend Gefieder im Sonnenschein.

Dort! sprach Sindolt.

Meerkatze zuſammen an einer Kette durch's Leben tollte, — zwei Ge-
ſchöpfe, von denen ein Dichter damaliger Zeit ſagt, daß weder das
eine noch das andere eine Spur nutzbringender Anlage als Berech-
tigungsgrund ſeines Vorhandenſeins aufzuweiſen vermöge.56)

Ein alter Steinbock ſtund in ſeines Raumes Enge, der Sohn der
Hochalpe ſenkte ſein Haupt, ſtill und geduckt; ſeit er die ſchneidige
Luft der Gletſcher entbehren mußte, war er blind geworden, denn nicht
Jedweder gedeiht in den Niederungen der Menſchen.

In anderem Behältniß waren dickhäutige Dachſe angebaut; der
böſe Sindolt lachte, wie ſie vorüberkamen: Sei gegrüßt, du kleines,
niederträchtig Gethier, ſprach er, du erleſen Wildpret der Kloſterknechte!

Wieder anderswo pfiff es durchdringend. Ein Rudel Murmelthiere
lief den Ritzen zwiſchen den künſtlich geſchichteten Felſen zu. Frau
Hadwig hatte ſolch kurzweilig Geſchöpf noch nicht erſchaut. Da erklärte
ihr der Abt deren Lebensart:

Die ſchlafen mehr als jede andere Kreatur, ſprach er; auch wenn
ſie wachen, mögen ſie ohne Phantaſiren nicht ſein, und ſo der Winter
herzuſtreicht, leſen ſie allenthalb Halm und Heu zuſammen, und Eines
von ihnen legt ſich auf den Rücken, richtet die vier Füße ob ſich, die
Andern legen auf es Alles, ſo ſie zuſammengeraspelt haben, nehmen
es danach beim Schweif und ziehen's wie einen geladenen Frachtwagen
zu ihrer Höhle.57)

Da ſprach Sindolt zum dicken Kämmerer Spazzo: Wie ſchade,
daß Ihr keine Bergmaus geworden, das wär' eine anmuthige Ver-
richtung für Euch!

Wie der Abt ſich abgewendet, hub der böſe Sindolt eine neue Art
der Erklärung an: Das iſt unſer Tutilo, ſprach er und deutete auf
einen Bären, der ſo eben ſeinen Nebenbär rücklings zu Boden gewor-
fen, — das der blinde Thieto! er deutete auf den Steinbock; eben
wollte er auch ſeinem Abte die Ehre einer nicht ſchmeichelhaften Ver-
gleichung erweiſen, da fiel ihm die Herzogin in die Rede: Wenn Ihr
Alles zu vergleichen wiſſet, habt Ihr auch für mich ein Sinnbild?

Sindolt ward verlegen. Zu gutem Glück ſtand bei den Kranichen
und Reihern ein ſchmucker Silberfaſan und wiegte ſein perlgrau glän-
zend Gefieder im Sonnenſchein.

Dort! ſprach Sindolt.

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[38/0060] Meerkatze zuſammen an einer Kette durch's Leben tollte, — zwei Ge- ſchöpfe, von denen ein Dichter damaliger Zeit ſagt, daß weder das eine noch das andere eine Spur nutzbringender Anlage als Berech- tigungsgrund ſeines Vorhandenſeins aufzuweiſen vermöge. ⁵⁶⁾ Ein alter Steinbock ſtund in ſeines Raumes Enge, der Sohn der Hochalpe ſenkte ſein Haupt, ſtill und geduckt; ſeit er die ſchneidige Luft der Gletſcher entbehren mußte, war er blind geworden, denn nicht Jedweder gedeiht in den Niederungen der Menſchen. In anderem Behältniß waren dickhäutige Dachſe angebaut; der böſe Sindolt lachte, wie ſie vorüberkamen: Sei gegrüßt, du kleines, niederträchtig Gethier, ſprach er, du erleſen Wildpret der Kloſterknechte! Wieder anderswo pfiff es durchdringend. Ein Rudel Murmelthiere lief den Ritzen zwiſchen den künſtlich geſchichteten Felſen zu. Frau Hadwig hatte ſolch kurzweilig Geſchöpf noch nicht erſchaut. Da erklärte ihr der Abt deren Lebensart: Die ſchlafen mehr als jede andere Kreatur, ſprach er; auch wenn ſie wachen, mögen ſie ohne Phantaſiren nicht ſein, und ſo der Winter herzuſtreicht, leſen ſie allenthalb Halm und Heu zuſammen, und Eines von ihnen legt ſich auf den Rücken, richtet die vier Füße ob ſich, die Andern legen auf es Alles, ſo ſie zuſammengeraspelt haben, nehmen es danach beim Schweif und ziehen's wie einen geladenen Frachtwagen zu ihrer Höhle. ⁵⁷⁾ Da ſprach Sindolt zum dicken Kämmerer Spazzo: Wie ſchade, daß Ihr keine Bergmaus geworden, das wär' eine anmuthige Ver- richtung für Euch! Wie der Abt ſich abgewendet, hub der böſe Sindolt eine neue Art der Erklärung an: Das iſt unſer Tutilo, ſprach er und deutete auf einen Bären, der ſo eben ſeinen Nebenbär rücklings zu Boden gewor- fen, — das der blinde Thieto! er deutete auf den Steinbock; eben wollte er auch ſeinem Abte die Ehre einer nicht ſchmeichelhaften Ver- gleichung erweiſen, da fiel ihm die Herzogin in die Rede: Wenn Ihr Alles zu vergleichen wiſſet, habt Ihr auch für mich ein Sinnbild? Sindolt ward verlegen. Zu gutem Glück ſtand bei den Kranichen und Reihern ein ſchmucker Silberfaſan und wiegte ſein perlgrau glän- zend Gefieder im Sonnenſchein. Dort! ſprach Sindolt.

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Zitationshilfe: Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855, S. 38. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffel_ekkehard_1855/60>, abgerufen am 23.11.2024.