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Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855.

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156) Das griechische Feuer, eine Mischung von Naphta, Schwefel
und Pech, durch Wasser nicht zu löschen, leistete seine Dienste schon
bei der Belagerung Constantinopels im Jahr 716 wider die Sara-
cenen und rettete im Jahr 941 die Hauptstadt vor einer russischen
Flotte, die unter Igor, Rurik's Sohn, die schon damals gangbare
Prophezeihung zu verwirklichen drohte, daß die Russen "in den letzten
Tagen Herren von Constantinopel werden würden". Seine Verwen-
dung wurde zu einer förmlichen Artilleriekunst ausgebildet, und von
den griechischen Kaisern als ein wichtiges Staatsgeheimniß bewahrt.
Die französischen Kreuzfahrer, die der heilige Ludwig in Orient führte,
beschreiben mit aufrichtigem Entsetzen den Anblick der zerstörenden
Geschosse. s. Joinville, histoire de St. Louis. Paris 1668. p. 39.
157) .. ipse velut Domini gigans lorica indutus, cucullam
superinduens et stolam ipsos eadem facere jubet: "Contra dia-
bolum, ait, fratres mei, quam hactenus animis in Deo confisi
pugnaverimus, ut nunc manibus ostendere valeamus, ab ipso
petamus." Ekkeh. IV. casus S. Galli c. 3. Pertz II. 104.
158) Jornandes de rebus geticis cap. 24.
159) .. tollensque manu sua de pallio suo filum projecit in
terram et dixit: "Ecce in testimonium perfectae remissionis
filum de pallio meo projicio in terram, ut cunctis pateat quod
pristina deinceps annulletur inimicitia." Vita S. Sturmi cap. 18

bei Pertz Mon. II. 374.
160) Der erwähnte Smaragd befindet sich noch im Kirchenschatz
der Pfarrkirche Mittelzell auf Reichenau. Er hat das Schicksal der
berühmten Smaragdschüssel von Genua getheilt, die als sacro catino
für das unschätzbare Palladium der Stadt galt und in den napoleo-
nischen Kriegen als solches nach Paris abgeführt ward, allwo die
Untersuchungscommission des französischen Instituts (1809) sie für
einen gefärbten Glasfluß erkannte; -- ein Mangel an Romantik, der
die Zurückgabe des Beutestücks an die Genuesen "wesentlich erleichterte".
Es war sehr zweckmäßig, ein solches Schau- und Prachtstück im
156) Das griechiſche Feuer, eine Miſchung von Naphta, Schwefel
und Pech, durch Waſſer nicht zu löſchen, leiſtete ſeine Dienſte ſchon
bei der Belagerung Conſtantinopels im Jahr 716 wider die Sara-
cenen und rettete im Jahr 941 die Hauptſtadt vor einer ruſſiſchen
Flotte, die unter Igor, Rurik's Sohn, die ſchon damals gangbare
Prophezeihung zu verwirklichen drohte, daß die Ruſſen „in den letzten
Tagen Herren von Conſtantinopel werden würden“. Seine Verwen-
dung wurde zu einer förmlichen Artilleriekunſt ausgebildet, und von
den griechiſchen Kaiſern als ein wichtiges Staatsgeheimniß bewahrt.
Die franzöſiſchen Kreuzfahrer, die der heilige Ludwig in Orient führte,
beſchreiben mit aufrichtigem Entſetzen den Anblick der zerſtörenden
Geſchoſſe. ſ. Joinville, histoire de St. Louis. Paris 1668. p. 39.
157) .. ipse velut Domini gigans lorica indutus, cucullam
ſuperinduenſ et ſtolam ipſoſ eadem facere jubet: „Contra dia-
bolum, ait, fratreſ mei, quam hactenuſ animiſ in Deo confiſi
pugnaverimuſ, ut nunc manibuſ oſtendere valeamuſ, ab ipſo
petamus.“ Ekkeh. IV. casus S. Galli c. 3. Pertz II. 104.
158) Jornandes de rebus geticis cap. 24.
159) .. tollensque manu sua de pallio suo filum projecit in
terram et dixit: „Ecce in teſtimonium perfectae remiſſioniſ
filum de pallio meo projicio in terram, ut cunctiſ pateat quod
pristina deinceps annulletur inimicitia.“ Vita S. Sturmi cap. 18

bei Pertz Mon. II. 374.
160) Der erwähnte Smaragd befindet ſich noch im Kirchenſchatz
der Pfarrkirche Mittelzell auf Reichenau. Er hat das Schickſal der
berühmten Smaragdſchüſſel von Genua getheilt, die als sacro catino
für das unſchätzbare Palladium der Stadt galt und in den napoleo-
niſchen Kriegen als ſolches nach Paris abgeführt ward, allwo die
Unterſuchungscommiſſion des franzöſiſchen Inſtituts (1809) ſie für
einen gefärbten Glasfluß erkannte; — ein Mangel an Romantik, der
die Zurückgabe des Beuteſtücks an die Genueſen „weſentlich erleichterte“.
Es war ſehr zweckmäßig, ein ſolches Schau- und Prachtſtück im
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[443/0465] ¹⁵⁶⁾ Das griechiſche Feuer, eine Miſchung von Naphta, Schwefel und Pech, durch Waſſer nicht zu löſchen, leiſtete ſeine Dienſte ſchon bei der Belagerung Conſtantinopels im Jahr 716 wider die Sara- cenen und rettete im Jahr 941 die Hauptſtadt vor einer ruſſiſchen Flotte, die unter Igor, Rurik's Sohn, die ſchon damals gangbare Prophezeihung zu verwirklichen drohte, daß die Ruſſen „in den letzten Tagen Herren von Conſtantinopel werden würden“. Seine Verwen- dung wurde zu einer förmlichen Artilleriekunſt ausgebildet, und von den griechiſchen Kaiſern als ein wichtiges Staatsgeheimniß bewahrt. Die franzöſiſchen Kreuzfahrer, die der heilige Ludwig in Orient führte, beſchreiben mit aufrichtigem Entſetzen den Anblick der zerſtörenden Geſchoſſe. ſ. Joinville, histoire de St. Louis. Paris 1668. p. 39. ¹⁵⁷⁾ .. ipse velut Domini gigans lorica indutus, cucullam ſuperinduenſ et ſtolam ipſoſ eadem facere jubet: „Contra dia- bolum, ait, fratreſ mei, quam hactenuſ animiſ in Deo confiſi pugnaverimuſ, ut nunc manibuſ oſtendere valeamuſ, ab ipſo petamus.“ Ekkeh. IV. casus S. Galli c. 3. Pertz II. 104. ¹⁵⁸⁾ Jornandes de rebus geticis cap. 24. ¹⁵⁹⁾ .. tollensque manu sua de pallio suo filum projecit in terram et dixit: „Ecce in teſtimonium perfectae remiſſioniſ filum de pallio meo projicio in terram, ut cunctiſ pateat quod pristina deinceps annulletur inimicitia.“ Vita S. Sturmi cap. 18 bei Pertz Mon. II. 374. ¹⁶⁰⁾ Der erwähnte Smaragd befindet ſich noch im Kirchenſchatz der Pfarrkirche Mittelzell auf Reichenau. Er hat das Schickſal der berühmten Smaragdſchüſſel von Genua getheilt, die als sacro catino für das unſchätzbare Palladium der Stadt galt und in den napoleo- niſchen Kriegen als ſolches nach Paris abgeführt ward, allwo die Unterſuchungscommiſſion des franzöſiſchen Inſtituts (1809) ſie für einen gefärbten Glasfluß erkannte; — ein Mangel an Romantik, der die Zurückgabe des Beuteſtücks an die Genueſen „weſentlich erleichterte“. Es war ſehr zweckmäßig, ein ſolches Schau- und Prachtſtück im

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Zitationshilfe: Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855, S. 443. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffel_ekkehard_1855/465>, abgerufen am 06.05.2024.