Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855.ströme, Hügel und Bergschluchten. Pferden, Rindern und vielen an- dern Thieren schneiden sie das Haupt vom Rumpf und bringen sie diesen als Schlachtopfer dar," so schreibt der Grieche Agathias im sechsten Jahrhundert von den Alemannen im Gegensatz zu den christ- lichen Franken. "Betet keine Götzen an, weder an Felsen noch an Bäumen, weder an abgelegenen Orten noch an Quellen, auch nicht auf Kreuzwegen bringet eure Anbetung und eure Gelübde dar," pre- digt der heilige Pirminius, Stifter der Reichenau, zwei Jahrhunderte später. Wer da weiß, mit welcher Zähigkeit der Bauer in seiner Sitte die Ueberlieferung altersgrauer Vergangenheit bewahrt, und wie noch manche seiner heutigen Bräuche an die Opfer des Heidenthums gemahnen, den wird es nicht befremden, im zehnten Jahrhundert noch auf nächtliche biertrinkende Conventikel zu stoßen, die sich von denen zu des heiligen Columba Zeiten wenig oder gar nicht unterscheiden. Ob übrigens eine in ähnlichen Formen, wie die hier beschriebenen, sich bewegende Sitte des gemeinschaftlichen Trinkens auf den deutschen Hochschulen, die unter dem Namen "einen Salamander reiben" be- kannt aber von Niemanden erklärt ist, nicht auch einen Anklang an altheidnische Trankopfer enthalte, bleibe dahin gestellt, wiewohl die Wissenschaft darüber einig ist, daß "durch die religiöse Bedeutung des Trinkens ein überraschender Zusammenhang in mehrere andere Ge- bräuche kommt". 123) Die Steinbrüche am s. g. Schienemer Berg wie die im be- nachbarten Oeningen sind später berühmt geworden durch ihre Petre- facten, insbesondere durch die seltenen Ueberreste von Vögeln. Be- kanntlich ward dort auch das Gebein eines riesenmäßigen Salaman- ders aufgegraben, in welchem der gelehrte Naturforscher Scheuchzer (1726) einen fossilen Menschen erkannte, bis daß Cuvier die wahre Organisation dieses "Zeugen der Sündfluth" nachwies. Vgl. Bur- meister Geschichte der Schöpfung, 5te Aufl., p. 518. 124) Vita Sancti Galli lib. I. bei Pertz, Monum. II. 7. 125) Die Herzogin theilt hier dieselben Grundsätze zweckmäßiger Bekehrungspolitik, die der Pabst Gregor der Große seiner Zeit in ſtröme, Hügel und Bergſchluchten. Pferden, Rindern und vielen an- dern Thieren ſchneiden ſie das Haupt vom Rumpf und bringen ſie dieſen als Schlachtopfer dar,“ ſo ſchreibt der Grieche Agathias im ſechsten Jahrhundert von den Alemannen im Gegenſatz zu den chriſt- lichen Franken. „Betet keine Götzen an, weder an Felſen noch an Bäumen, weder an abgelegenen Orten noch an Quellen, auch nicht auf Kreuzwegen bringet eure Anbetung und eure Gelübde dar,“ pre- digt der heilige Pirminius, Stifter der Reichenau, zwei Jahrhunderte ſpäter. Wer da weiß, mit welcher Zähigkeit der Bauer in ſeiner Sitte die Ueberlieferung altersgrauer Vergangenheit bewahrt, und wie noch manche ſeiner heutigen Bräuche an die Opfer des Heidenthums gemahnen, den wird es nicht befremden, im zehnten Jahrhundert noch auf nächtliche biertrinkende Conventikel zu ſtoßen, die ſich von denen zu des heiligen Columba Zeiten wenig oder gar nicht unterſcheiden. Ob übrigens eine in ähnlichen Formen, wie die hier beſchriebenen, ſich bewegende Sitte des gemeinſchaftlichen Trinkens auf den deutſchen Hochſchulen, die unter dem Namen „einen Salamander reiben“ be- kannt aber von Niemanden erklärt iſt, nicht auch einen Anklang an altheidniſche Trankopfer enthalte, bleibe dahin geſtellt, wiewohl die Wiſſenſchaft darüber einig iſt, daß „durch die religiöſe Bedeutung des Trinkens ein überraſchender Zuſammenhang in mehrere andere Ge- bräuche kommt“. 123) Die Steinbrüche am ſ. g. Schienemer Berg wie die im be- nachbarten Oeningen ſind ſpäter berühmt geworden durch ihre Petre- facten, insbeſondere durch die ſeltenen Ueberreſte von Vögeln. Be- kanntlich ward dort auch das Gebein eines rieſenmäßigen Salaman- ders aufgegraben, in welchem der gelehrte Naturforſcher Scheuchzer (1726) einen foſſilen Menſchen erkannte, bis daß Cuvier die wahre Organiſation dieſes „Zeugen der Sündfluth“ nachwies. Vgl. Bur- meiſter Geſchichte der Schöpfung, 5te Aufl., p. 518. 124) Vita Sancti Galli lib. I. bei Pertz, Monum. II. 7. 125) Die Herzogin theilt hier dieſelben Grundſätze zweckmäßiger Bekehrungspolitik, die der Pabſt Gregor der Große ſeiner Zeit in <TEI> <text> <body> <div n="1"> <note xml:id="edt122" prev="#ed122" place="end" n="122)"><pb facs="#f0456" n="434"/> ſtröme, Hügel und Bergſchluchten. 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¹²²⁾ ſtröme, Hügel und Bergſchluchten. Pferden, Rindern und vielen an-
dern Thieren ſchneiden ſie das Haupt vom Rumpf und bringen ſie
dieſen als Schlachtopfer dar,“ ſo ſchreibt der Grieche Agathias im
ſechsten Jahrhundert von den Alemannen im Gegenſatz zu den chriſt-
lichen Franken. „Betet keine Götzen an, weder an Felſen noch an
Bäumen, weder an abgelegenen Orten noch an Quellen, auch nicht
auf Kreuzwegen bringet eure Anbetung und eure Gelübde dar,“ pre-
digt der heilige Pirminius, Stifter der Reichenau, zwei Jahrhunderte
ſpäter. Wer da weiß, mit welcher Zähigkeit der Bauer in ſeiner
Sitte die Ueberlieferung altersgrauer Vergangenheit bewahrt, und wie
noch manche ſeiner heutigen Bräuche an die Opfer des Heidenthums
gemahnen, den wird es nicht befremden, im zehnten Jahrhundert noch
auf nächtliche biertrinkende Conventikel zu ſtoßen, die ſich von denen
zu des heiligen Columba Zeiten wenig oder gar nicht unterſcheiden.
Ob übrigens eine in ähnlichen Formen, wie die hier beſchriebenen,
ſich bewegende Sitte des gemeinſchaftlichen Trinkens auf den deutſchen
Hochſchulen, die unter dem Namen „einen Salamander reiben“ be-
kannt aber von Niemanden erklärt iſt, nicht auch einen Anklang an
altheidniſche Trankopfer enthalte, bleibe dahin geſtellt, wiewohl die
Wiſſenſchaft darüber einig iſt, daß „durch die religiöſe Bedeutung des
Trinkens ein überraſchender Zuſammenhang in mehrere andere Ge-
bräuche kommt“.
¹²³⁾ Die Steinbrüche am ſ. g. Schienemer Berg wie die im be-
nachbarten Oeningen ſind ſpäter berühmt geworden durch ihre Petre-
facten, insbeſondere durch die ſeltenen Ueberreſte von Vögeln. Be-
kanntlich ward dort auch das Gebein eines rieſenmäßigen Salaman-
ders aufgegraben, in welchem der gelehrte Naturforſcher Scheuchzer
(1726) einen foſſilen Menſchen erkannte, bis daß Cuvier die wahre
Organiſation dieſes „Zeugen der Sündfluth“ nachwies. Vgl. Bur-
meiſter Geſchichte der Schöpfung, 5te Aufl., p. 518.
¹²⁴⁾ Vita Sancti Galli lib. I. bei Pertz, Monum. II. 7.
¹²⁵⁾ Die Herzogin theilt hier dieſelben Grundſätze zweckmäßiger
Bekehrungspolitik, die der Pabſt Gregor der Große ſeiner Zeit in
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