Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855.

Bild:
<< vorherige Seite
Und sorgsam auch zu Handen hielt sie die Fischergerte
Dieweil das viele Gewaffen Waltari schier beschwerte.
Als nun die Morgensonne aufging mit lichtem Funkel,
Entbogen sie der Heerstraß zu tiefem Waldesdunkel
Und hätte Haß der Fremde und Heimweh nicht gedrängt,
So hätte schier Hiltgunde das Roß nicht weiter gelenkt.
Wo nur ein Lüftlein rauschte, wo ein Waldvogel sang,
Wo schrill ein Baumast knarrte, da seufzete sie bang.
So mieden sie der Menschen Behausung und Gehege
Und suchten in bahnlosem Gebirg sich Weg und Stege.
Noch schwieg der Hunnen Hofburg. Es war schon hoch am Tag,
Da wurde König Etzel von Allen der Erste wach.
Er wiegt' in beiden Händen sein Haupt das nebelschwere
Und schritt aus dem Gemach: Ruft mir Waltari here,
Er theile als Genosse heut seines Königs Jammer,
Er soll den Frühtrunk reichen mir in der Waffenkammer.
Da rieben sich die Diener die Augen und liefen und sah'n
Und suchten aller Orten, sie trafen ihn nicht an.
Jetzund kam auch die Fürstin Frau Ospirin gehinkt:
Wo säumt und träumt denn Hiltgund, daß sie kein Kleid mir bringt?
Und ſorgſam auch zu Handen hielt ſie die Fiſchergerte
Dieweil das viele Gewaffen Waltari ſchier beſchwerte.
Als nun die Morgenſonne aufging mit lichtem Funkel,
Entbogen ſie der Heerſtraß zu tiefem Waldesdunkel
Und hätte Haß der Fremde und Heimweh nicht gedrängt,
So hätte ſchier Hiltgunde das Roß nicht weiter gelenkt.
Wo nur ein Lüftlein rauſchte, wo ein Waldvogel ſang,
Wo ſchrill ein Baumaſt knarrte, da ſeufzete ſie bang.
So mieden ſie der Menſchen Behauſung und Gehege
Und ſuchten in bahnloſem Gebirg ſich Weg und Stege.
Noch ſchwieg der Hunnen Hofburg. Es war ſchon hoch am Tag,
Da wurde König Etzel von Allen der Erſte wach.
Er wiegt' in beiden Händen ſein Haupt das nebelſchwere
Und ſchritt aus dem Gemach: Ruft mir Waltari here,
Er theile als Genoſſe heut ſeines Königs Jammer,
Er ſoll den Frühtrunk reichen mir in der Waffenkammer.
Da rieben ſich die Diener die Augen und liefen und ſah'n
Und ſuchten aller Orten, ſie trafen ihn nicht an.
Jetzund kam auch die Fürſtin Frau Ospirin gehinkt:
Wo ſäumt und träumt denn Hiltgund, daß ſie kein Kleid mir bringt?
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <lg type="poem">
          <pb facs="#f0382" n="360"/>
          <lg n="3">
            <l>Und &#x017F;org&#x017F;am auch zu Handen hielt &#x017F;ie die Fi&#x017F;chergerte</l><lb/>
            <l>Dieweil das viele Gewaffen Waltari &#x017F;chier be&#x017F;chwerte.</l><lb/>
            <l>Als nun die Morgen&#x017F;onne aufging mit lichtem Funkel,</l><lb/>
            <l>Entbogen &#x017F;ie der Heer&#x017F;traß zu tiefem Waldesdunkel</l><lb/>
            <l>Und hätte Haß der Fremde und Heimweh nicht gedrängt,</l><lb/>
            <l>So hätte &#x017F;chier Hiltgunde das Roß nicht weiter gelenkt.</l><lb/>
            <l>Wo nur ein Lüftlein rau&#x017F;chte, wo ein Waldvogel &#x017F;ang,</l><lb/>
            <l>Wo &#x017F;chrill ein Bauma&#x017F;t knarrte, da &#x017F;eufzete &#x017F;ie bang.</l><lb/>
            <l>So mieden &#x017F;ie der Men&#x017F;chen Behau&#x017F;ung und Gehege</l><lb/>
            <l>Und &#x017F;uchten in bahnlo&#x017F;em Gebirg &#x017F;ich Weg und Stege.</l>
          </lg>
        </lg><lb/>
        <lg type="poem">
          <lg n="1">
            <l><hi rendition="#in">N</hi>och &#x017F;chwieg der Hunnen Hofburg. Es war &#x017F;chon hoch am Tag,</l><lb/>
            <l>Da wurde König Etzel von Allen der Er&#x017F;te wach.</l><lb/>
            <l>Er wiegt' in beiden Händen &#x017F;ein Haupt das nebel&#x017F;chwere</l><lb/>
            <l>Und &#x017F;chritt aus dem Gemach: Ruft mir Waltari here,</l><lb/>
            <l>Er theile als Geno&#x017F;&#x017F;e heut &#x017F;eines Königs Jammer,</l><lb/>
            <l>Er &#x017F;oll den Frühtrunk reichen mir in der Waffenkammer.</l>
          </lg><lb/>
          <lg n="2">
            <l>Da rieben &#x017F;ich die Diener die Augen und liefen und &#x017F;ah'n</l><lb/>
            <l>Und &#x017F;uchten aller Orten, &#x017F;ie trafen ihn nicht an.</l><lb/>
            <l>Jetzund kam auch die Für&#x017F;tin Frau Ospirin gehinkt:</l><lb/>
            <l>Wo &#x017F;äumt und träumt denn Hiltgund, daß &#x017F;ie kein Kleid mir bringt?</l>
          </lg><lb/>
        </lg>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[360/0382] Und ſorgſam auch zu Handen hielt ſie die Fiſchergerte Dieweil das viele Gewaffen Waltari ſchier beſchwerte. Als nun die Morgenſonne aufging mit lichtem Funkel, Entbogen ſie der Heerſtraß zu tiefem Waldesdunkel Und hätte Haß der Fremde und Heimweh nicht gedrängt, So hätte ſchier Hiltgunde das Roß nicht weiter gelenkt. Wo nur ein Lüftlein rauſchte, wo ein Waldvogel ſang, Wo ſchrill ein Baumaſt knarrte, da ſeufzete ſie bang. So mieden ſie der Menſchen Behauſung und Gehege Und ſuchten in bahnloſem Gebirg ſich Weg und Stege. Noch ſchwieg der Hunnen Hofburg. Es war ſchon hoch am Tag, Da wurde König Etzel von Allen der Erſte wach. Er wiegt' in beiden Händen ſein Haupt das nebelſchwere Und ſchritt aus dem Gemach: Ruft mir Waltari here, Er theile als Genoſſe heut ſeines Königs Jammer, Er ſoll den Frühtrunk reichen mir in der Waffenkammer. Da rieben ſich die Diener die Augen und liefen und ſah'n Und ſuchten aller Orten, ſie trafen ihn nicht an. Jetzund kam auch die Fürſtin Frau Ospirin gehinkt: Wo ſäumt und träumt denn Hiltgund, daß ſie kein Kleid mir bringt?

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/scheffel_ekkehard_1855
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/scheffel_ekkehard_1855/382
Zitationshilfe: Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855, S. 360. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffel_ekkehard_1855/382>, abgerufen am 28.11.2024.