mit hellem Schein und die Schätze der Tiefe heben sich zu ihm herauf, davon mag er greifen so viel sein Herz begehrt und seinen Hut bis zum Rande füllen. Wenn ich die Blume finde, bring' ich sie Euch, dann werdet Ihr ein steinreicher Mann, ich kann sie doch nicht brauchen -- sie schlang ihren Arm um den jungen Senn -- ich hab' den Schatz schon gefunden.
Aber Ekkehard sprach: Ich kann sie auch nicht brauchen!
Er hatte Recht. Wem die Kunst zu eigen ward, der hat die ächte blaue Blume: wo für Andere Stein und Fels sich aufthürmt, thut sich ihm das weite Reich des Schönen auf, dort liegen Schätze, die kein Rost verzehrt, und er ist reicher als die Wechsler und Mäkler und Goldgewaltigen der Welt, wenn auch in seiner Tasche oftmals der Pfennig mit dem Heller betrüblich Hochzeit feiert.
Ja, was fangen wir dann mit der Wunderblume an? sprach Benedicta.
Gib sie den Ziegen zu fressen oder dem großen Stierkalb, lachte der Senn, denen ist auch was zu gönnen.
Und wiederum hoben sie die Füße zum Tanz und schwangen sich im Mondschein, bis Benedicta's Vater heraufgestiegen kam. Der hatte nach vollbrachtem Tagewerk den seither von der Sonne gebleichten Schädel des Bären über die niedere Thür seiner Sennhütte gena- gelt275) und ihm mit einem Tropfstein den Rachen aufgesperrt, daß Ziegen und Kühe scheu vor der neuen Wandverzierung davon liefen.
Ihr gumpet und ruguset276) ja, daß der Säntis zu wanken und schüttern anhebt, rief der alte Alpmeister schon von weitem, was ist das für ein Gelärme? Gutmüthig scheltend trieb er sie in die Hütte.
Das Waltarilied schritt rasch vorwärts. Wenn das Herz erfüllt ist von Sang und Klang, hat die Hand sich zu sputen, dem Flug der Gedanken nachzukommen.
Eines Mittags wollte Ekkehard seinen schmalen Felssteig entlang wandeln: Da kam ihm ein sonderbarer Gast entgegen. Es war die Bärin, die er aus dem Schnee gegraben, langsam stieg sie den Pfad herauf, sie trug Etwas in der Schnauze. Er sprang zur Höhle zurück und griff seinen Speer, aber die Bärin kam nicht als Feind, achtungs- voll machte sie Halt am Höhleneingang und legte auf die vorsprin- gende Felskante ein fettes Murmelthier, das sie beim Spielen im
mit hellem Schein und die Schätze der Tiefe heben ſich zu ihm herauf, davon mag er greifen ſo viel ſein Herz begehrt und ſeinen Hut bis zum Rande füllen. Wenn ich die Blume finde, bring' ich ſie Euch, dann werdet Ihr ein ſteinreicher Mann, ich kann ſie doch nicht brauchen — ſie ſchlang ihren Arm um den jungen Senn — ich hab' den Schatz ſchon gefunden.
Aber Ekkehard ſprach: Ich kann ſie auch nicht brauchen!
Er hatte Recht. Wem die Kunſt zu eigen ward, der hat die ächte blaue Blume: wo für Andere Stein und Fels ſich aufthürmt, thut ſich ihm das weite Reich des Schönen auf, dort liegen Schätze, die kein Roſt verzehrt, und er iſt reicher als die Wechsler und Mäkler und Goldgewaltigen der Welt, wenn auch in ſeiner Taſche oftmals der Pfennig mit dem Heller betrüblich Hochzeit feiert.
Ja, was fangen wir dann mit der Wunderblume an? ſprach Benedicta.
Gib ſie den Ziegen zu freſſen oder dem großen Stierkalb, lachte der Senn, denen iſt auch was zu gönnen.
Und wiederum hoben ſie die Füße zum Tanz und ſchwangen ſich im Mondſchein, bis Benedicta's Vater heraufgeſtiegen kam. Der hatte nach vollbrachtem Tagewerk den ſeither von der Sonne gebleichten Schädel des Bären über die niedere Thür ſeiner Sennhütte gena- gelt275) und ihm mit einem Tropfſtein den Rachen aufgeſperrt, daß Ziegen und Kühe ſcheu vor der neuen Wandverzierung davon liefen.
Ihr gumpet und ruguſet276) ja, daß der Säntis zu wanken und ſchüttern anhebt, rief der alte Alpmeiſter ſchon von weitem, was iſt das für ein Gelärme? Gutmüthig ſcheltend trieb er ſie in die Hütte.
Das Waltarilied ſchritt raſch vorwärts. Wenn das Herz erfüllt iſt von Sang und Klang, hat die Hand ſich zu ſputen, dem Flug der Gedanken nachzukommen.
Eines Mittags wollte Ekkehard ſeinen ſchmalen Felsſteig entlang wandeln: Da kam ihm ein ſonderbarer Gaſt entgegen. Es war die Bärin, die er aus dem Schnee gegraben, langſam ſtieg ſie den Pfad herauf, ſie trug Etwas in der Schnauze. Er ſprang zur Höhle zurück und griff ſeinen Speer, aber die Bärin kam nicht als Feind, achtungs- voll machte ſie Halt am Höhleneingang und legte auf die vorſprin- gende Felskante ein fettes Murmelthier, das ſie beim Spielen im
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mit hellem Schein und die Schätze der Tiefe heben ſich zu ihm herauf,
davon mag er greifen ſo viel ſein Herz begehrt und ſeinen Hut bis
zum Rande füllen. Wenn ich die Blume finde, bring' ich ſie Euch,
dann werdet Ihr ein ſteinreicher Mann, ich kann ſie doch nicht
brauchen — ſie ſchlang ihren Arm um den jungen Senn — ich hab'
den Schatz ſchon gefunden.
Aber Ekkehard ſprach: Ich kann ſie auch nicht brauchen!
Er hatte Recht. Wem die Kunſt zu eigen ward, der hat die ächte
blaue Blume: wo für Andere Stein und Fels ſich aufthürmt, thut
ſich ihm das weite Reich des Schönen auf, dort liegen Schätze, die
kein Roſt verzehrt, und er iſt reicher als die Wechsler und Mäkler
und Goldgewaltigen der Welt, wenn auch in ſeiner Taſche oftmals
der Pfennig mit dem Heller betrüblich Hochzeit feiert.
Ja, was fangen wir dann mit der Wunderblume an? ſprach
Benedicta.
Gib ſie den Ziegen zu freſſen oder dem großen Stierkalb, lachte
der Senn, denen iſt auch was zu gönnen.
Und wiederum hoben ſie die Füße zum Tanz und ſchwangen ſich
im Mondſchein, bis Benedicta's Vater heraufgeſtiegen kam. Der hatte
nach vollbrachtem Tagewerk den ſeither von der Sonne gebleichten
Schädel des Bären über die niedere Thür ſeiner Sennhütte gena-
gelt
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und ihm mit einem Tropfſtein den Rachen aufgeſperrt, daß
Ziegen und Kühe ſcheu vor der neuen Wandverzierung davon liefen.
Ihr gumpet und ruguſet
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ja, daß der Säntis zu wanken und
ſchüttern anhebt, rief der alte Alpmeiſter ſchon von weitem, was iſt
das für ein Gelärme? Gutmüthig ſcheltend trieb er ſie in die Hütte.
Das Waltarilied ſchritt raſch vorwärts. Wenn das Herz erfüllt
iſt von Sang und Klang, hat die Hand ſich zu ſputen, dem Flug der
Gedanken nachzukommen.
Eines Mittags wollte Ekkehard ſeinen ſchmalen Felsſteig entlang
wandeln: Da kam ihm ein ſonderbarer Gaſt entgegen. Es war die
Bärin, die er aus dem Schnee gegraben, langſam ſtieg ſie den Pfad
herauf, ſie trug Etwas in der Schnauze. Er ſprang zur Höhle zurück
und griff ſeinen Speer, aber die Bärin kam nicht als Feind, achtungs-
voll machte ſie Halt am Höhleneingang und legte auf die vorſprin-
gende Felskante ein fettes Murmelthier, das ſie beim Spielen im
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Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855, S. 345. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffel_ekkehard_1855/367>, abgerufen am 24.11.2024.
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