Die Herzogin hatte sein Fortsein wahrgenommen, aber nicht nach ihm gefragt. Er ging iu seine Thurmstube hinauf; er griff ein Per- gament als ob er lesen wolle. Es war Gunzo's Schrift wider ihn. "Gern würde ich Euch ermahnen, ihm die Hilfe heilender Arzneien angedeihen zu lassen, aber ich fürchte seine Krankheit ist zu tief ein- gewurzelt," las er drin. Er lachte. Die gewölbte Decke gab einen Wiederhall, da sprang er auf, als wollt' er erspähen, wer gelacht. Dann trat er an's Fenster und schaute in die Tiefe; es ging weit, weit hinab. Ein Schwindel wollte ihn fassen, da wich er zurück.
Des alten Thieto Fläschlein stand bei den Büchern, das machte ihn wehmüthig. Er gedachte des Blinden. Frauendienst ist ein schlimm Ding für den, der gerecht bleiben will, hatte der einst zu ihm ge- sprochen, wie er Abschied nahm.
Er riß das Siegel von dem Fläschlein und goß sich das Jordan- wasser über's Haupt und netzte die Augen. Es war zu spät. Auch die Fluth heiliger Ströme löscht die Gluth des Herzens nicht; nur dem, der sich hinunterstürzt, um nimmer aufzutauchen ... Doch kam ein Anflug von Ruhe über ihn. Ich will beten! sprach er, es ist eine Versuchung. Er warf sich auf die Knie, aber bald war's ihm als schwirrten die Tauben um sein Haupt, wie damals als er zuerst die Thurmstube betrat, aber sie hatten itzt grinsende Gesichter und einen höhnischen Zug um die Schnäbel.
Er stand auf und ging langsam die Wendeltreppe hinunter zur Burgcapelle. Der Altar drunten war Zeuge frommer Andacht an manchem guten Tag. In der Capelle war's wie ehedem, dunkel und still. Sechs schwere Säulen mit würfelförmigem laubwerkverziertem Knauf trugen die niedere Wölbung; ein feiner Streif Tageslicht fiel durch's schmale Fenster herein. Die Tiefe der Nische, wo der Altar stund, war schwach erleuchtet; nur der Goldgrund um das Mosaikbild des Erlösers glänzte in mattem Flimmern. Griechische Künstler hatten die Formen ihrer Kirchenausschmückung einst auf den deutschen Fels getragen: in weißem wallendem Gewand, goldrothen Schein um's Haupt, hob sich des Heilands hagere Gestalt, die Finger der Rechten segnend ausgestreckt.
Ekkehard neigte sich vor den Stufen des Altars; seine Stirn ruhte auf den Steinplatten -- so blieb er, in sich versunken. "Der
Die Herzogin hatte ſein Fortſein wahrgenommen, aber nicht nach ihm gefragt. Er ging iu ſeine Thurmſtube hinauf; er griff ein Per- gament als ob er leſen wolle. Es war Gunzo's Schrift wider ihn. „Gern würde ich Euch ermahnen, ihm die Hilfe heilender Arzneien angedeihen zu laſſen, aber ich fürchte ſeine Krankheit iſt zu tief ein- gewurzelt,“ las er drin. Er lachte. Die gewölbte Decke gab einen Wiederhall, da ſprang er auf, als wollt' er erſpähen, wer gelacht. Dann trat er an's Fenſter und ſchaute in die Tiefe; es ging weit, weit hinab. Ein Schwindel wollte ihn faſſen, da wich er zurück.
Des alten Thieto Fläſchlein ſtand bei den Büchern, das machte ihn wehmüthig. Er gedachte des Blinden. Frauendienſt iſt ein ſchlimm Ding für den, der gerecht bleiben will, hatte der einſt zu ihm ge- ſprochen, wie er Abſchied nahm.
Er riß das Siegel von dem Fläſchlein und goß ſich das Jordan- waſſer über's Haupt und netzte die Augen. Es war zu ſpät. Auch die Fluth heiliger Ströme löſcht die Gluth des Herzens nicht; nur dem, der ſich hinunterſtürzt, um nimmer aufzutauchen ... Doch kam ein Anflug von Ruhe über ihn. Ich will beten! ſprach er, es iſt eine Verſuchung. Er warf ſich auf die Knie, aber bald war's ihm als ſchwirrten die Tauben um ſein Haupt, wie damals als er zuerſt die Thurmſtube betrat, aber ſie hatten itzt grinſende Geſichter und einen höhniſchen Zug um die Schnäbel.
Er ſtand auf und ging langſam die Wendeltreppe hinunter zur Burgcapelle. Der Altar drunten war Zeuge frommer Andacht an manchem guten Tag. In der Capelle war's wie ehedem, dunkel und ſtill. Sechs ſchwere Säulen mit würfelförmigem laubwerkverziertem Knauf trugen die niedere Wölbung; ein feiner Streif Tageslicht fiel durch's ſchmale Fenſter herein. Die Tiefe der Niſche, wo der Altar ſtund, war ſchwach erleuchtet; nur der Goldgrund um das Moſaikbild des Erlöſers glänzte in mattem Flimmern. Griechiſche Künſtler hatten die Formen ihrer Kirchenausſchmückung einſt auf den deutſchen Fels getragen: in weißem wallendem Gewand, goldrothen Schein um's Haupt, hob ſich des Heilands hagere Geſtalt, die Finger der Rechten ſegnend ausgeſtreckt.
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Die Herzogin hatte ſein Fortſein wahrgenommen, aber nicht nach
ihm gefragt. Er ging iu ſeine Thurmſtube hinauf; er griff ein Per-
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„Gern würde ich Euch ermahnen, ihm die Hilfe heilender Arzneien
angedeihen zu laſſen, aber ich fürchte ſeine Krankheit iſt zu tief ein-
gewurzelt,“ las er drin. Er lachte. Die gewölbte Decke gab einen
Wiederhall, da ſprang er auf, als wollt' er erſpähen, wer gelacht.
Dann trat er an's Fenſter und ſchaute in die Tiefe; es ging weit,
weit hinab. Ein Schwindel wollte ihn faſſen, da wich er zurück.
Des alten Thieto Fläſchlein ſtand bei den Büchern, das machte
ihn wehmüthig. Er gedachte des Blinden. Frauendienſt iſt ein ſchlimm
Ding für den, der gerecht bleiben will, hatte der einſt zu ihm ge-
ſprochen, wie er Abſchied nahm.
Er riß das Siegel von dem Fläſchlein und goß ſich das Jordan-
waſſer über's Haupt und netzte die Augen. Es war zu ſpät. Auch
die Fluth heiliger Ströme löſcht die Gluth des Herzens nicht; nur
dem, der ſich hinunterſtürzt, um nimmer aufzutauchen ... Doch kam
ein Anflug von Ruhe über ihn. Ich will beten! ſprach er, es iſt
eine Verſuchung. Er warf ſich auf die Knie, aber bald war's ihm
als ſchwirrten die Tauben um ſein Haupt, wie damals als er zuerſt
die Thurmſtube betrat, aber ſie hatten itzt grinſende Geſichter und
einen höhniſchen Zug um die Schnäbel.
Er ſtand auf und ging langſam die Wendeltreppe hinunter zur
Burgcapelle. Der Altar drunten war Zeuge frommer Andacht an
manchem guten Tag. In der Capelle war's wie ehedem, dunkel und ſtill.
Sechs ſchwere Säulen mit würfelförmigem laubwerkverziertem Knauf
trugen die niedere Wölbung; ein feiner Streif Tageslicht fiel durch's
ſchmale Fenſter herein. Die Tiefe der Niſche, wo der Altar ſtund,
war ſchwach erleuchtet; nur der Goldgrund um das Moſaikbild des
Erlöſers glänzte in mattem Flimmern. Griechiſche Künſtler hatten
die Formen ihrer Kirchenausſchmückung einſt auf den deutſchen Fels
getragen: in weißem wallendem Gewand, goldrothen Schein um's
Haupt, hob ſich des Heilands hagere Geſtalt, die Finger der Rechten
ſegnend ausgeſtreckt.
Ekkehard neigte ſich vor den Stufen des Altars; ſeine Stirn
ruhte auf den Steinplatten — ſo blieb er, in ſich verſunken. „Der
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Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855, S. 303. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffel_ekkehard_1855/325>, abgerufen am 22.11.2024.
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