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Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855.

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mir, daß ich zu ihm kam! Ich mag wohl auf der weiten Erden
keinen schöneren Ritter erschauen. Gott verzeih mir, daß ich ihn an-
gaffete, als wär' er ein Engel.

O weh mir! sprach die Kaisertochter, soll ich denn nimmermehr
selig sein? So sollst du mir zum mindesten die Schuhe geben, die
dir des edeln Degens Huld verlieh, ich füll' sie dir mit Golde.

Da ward der Kauf geschlossen: sie zog den güldenen Schuh an
und nahm auch den silbernen, doch der ging an denselben Fuß. O
weh mir! klagte die Holde, es ward ein Mißgriff gethan, ich bring
ihn nimmer an, du mußt wiederum gehen und Herrn Dietrich bitten,
daß er dir den andern gebe und selber komme.

Das wird die Lästerer freuen, lachte Herlindis. Was thut's? Ich
gehe -- und sie hob ihr Gewand schier bis an's Knie und schritt, als
hätte sie fraulichen Ganges vergessen, über den regenfeuchten Hof zu
Dietrich. Und der werthe Held wußte wohl, warum sie kam, er that
aber, als sähe er's nicht. Herlindis sprach zu ihm: Ich muß noch
mehr Botengänge thun, es ist ein Mißgriff geschehen: itzt heißt dich
meine Herrin mahnen, daß du den andern Schuh gebest und sie ge-
sehest selber. Hei, wie thät ich's gerne, sprach er, aber des Kaisers
Kämmerer werden mich melden. O nie! sagte Herlindis, die tummeln
sich im Hof und schießen den Speerschaft, nimm du zwei Diener und
heb' dich leis mir nach, bei Schall und Kampfspiel misset dich Keiner.

Jetzt wollte die Getreue von dannen gehen. Doch der Held sprach:
Ich will erst nach den Schuhen fragen. Da rief Asprian draußen:
was liegt an einem alten Schuh? Viel tausend haben wir geschmiedet,
die trägt das Ingesind; ich will den rechten suchen. Und er brachte
ihn, und Dietrich schenkte der Kammerfrau wiederum einen Mantel
und zwölf Spangen.

Da ging sie voraus und kündete ihrer Herrin die erwünschte
Mähre. Herr Dietrich aber hieß im Hippodromoshofe einen großen
Schall anheben und hieß die Riesen ausgehen; da fuhr Widolt mit
der Stange heraus und geberdete sich schreckentlich, und Asprian schlug
einen Purzelbaum in die blaue Luft und Abendroth warf einen un-
gefügen Stein von viel hundert Pfunden und ersprang ihn zwölf
Klafter weit, so daß keiner der Merker Herrn Dietrich wahrnehmen
mochte.

mir, daß ich zu ihm kam! Ich mag wohl auf der weiten Erden
keinen ſchöneren Ritter erſchauen. Gott verzeih mir, daß ich ihn an-
gaffete, als wär' er ein Engel.

O weh mir! ſprach die Kaiſertochter, ſoll ich denn nimmermehr
ſelig ſein? So ſollſt du mir zum mindeſten die Schuhe geben, die
dir des edeln Degens Huld verlieh, ich füll' ſie dir mit Golde.

Da ward der Kauf geſchloſſen: ſie zog den güldenen Schuh an
und nahm auch den ſilbernen, doch der ging an denſelben Fuß. O
weh mir! klagte die Holde, es ward ein Mißgriff gethan, ich bring
ihn nimmer an, du mußt wiederum gehen und Herrn Dietrich bitten,
daß er dir den andern gebe und ſelber komme.

Das wird die Läſterer freuen, lachte Herlindis. Was thut's? Ich
gehe — und ſie hob ihr Gewand ſchier bis an's Knie und ſchritt, als
hätte ſie fraulichen Ganges vergeſſen, über den regenfeuchten Hof zu
Dietrich. Und der werthe Held wußte wohl, warum ſie kam, er that
aber, als ſähe er's nicht. Herlindis ſprach zu ihm: Ich muß noch
mehr Botengänge thun, es iſt ein Mißgriff geſchehen: itzt heißt dich
meine Herrin mahnen, daß du den andern Schuh gebeſt und ſie ge-
ſeheſt ſelber. Hei, wie thät ich's gerne, ſprach er, aber des Kaiſers
Kämmerer werden mich melden. O nie! ſagte Herlindis, die tummeln
ſich im Hof und ſchießen den Speerſchaft, nimm du zwei Diener und
heb' dich leis mir nach, bei Schall und Kampfſpiel miſſet dich Keiner.

Jetzt wollte die Getreue von dannen gehen. Doch der Held ſprach:
Ich will erſt nach den Schuhen fragen. Da rief Asprian draußen:
was liegt an einem alten Schuh? Viel tauſend haben wir geſchmiedet,
die trägt das Ingeſind; ich will den rechten ſuchen. Und er brachte
ihn, und Dietrich ſchenkte der Kammerfrau wiederum einen Mantel
und zwölf Spangen.

Da ging ſie voraus und kündete ihrer Herrin die erwünſchte
Mähre. Herr Dietrich aber hieß im Hippodromoshofe einen großen
Schall anheben und hieß die Rieſen ausgehen; da fuhr Widolt mit
der Stange heraus und geberdete ſich ſchreckentlich, und Asprian ſchlug
einen Purzelbaum in die blaue Luft und Abendroth warf einen un-
gefügen Stein von viel hundert Pfunden und erſprang ihn zwölf
Klafter weit, ſo daß keiner der Merker Herrn Dietrich wahrnehmen
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[296/0318] mir, daß ich zu ihm kam! Ich mag wohl auf der weiten Erden keinen ſchöneren Ritter erſchauen. Gott verzeih mir, daß ich ihn an- gaffete, als wär' er ein Engel. O weh mir! ſprach die Kaiſertochter, ſoll ich denn nimmermehr ſelig ſein? So ſollſt du mir zum mindeſten die Schuhe geben, die dir des edeln Degens Huld verlieh, ich füll' ſie dir mit Golde. Da ward der Kauf geſchloſſen: ſie zog den güldenen Schuh an und nahm auch den ſilbernen, doch der ging an denſelben Fuß. O weh mir! klagte die Holde, es ward ein Mißgriff gethan, ich bring ihn nimmer an, du mußt wiederum gehen und Herrn Dietrich bitten, daß er dir den andern gebe und ſelber komme. Das wird die Läſterer freuen, lachte Herlindis. Was thut's? Ich gehe — und ſie hob ihr Gewand ſchier bis an's Knie und ſchritt, als hätte ſie fraulichen Ganges vergeſſen, über den regenfeuchten Hof zu Dietrich. Und der werthe Held wußte wohl, warum ſie kam, er that aber, als ſähe er's nicht. Herlindis ſprach zu ihm: Ich muß noch mehr Botengänge thun, es iſt ein Mißgriff geſchehen: itzt heißt dich meine Herrin mahnen, daß du den andern Schuh gebeſt und ſie ge- ſeheſt ſelber. Hei, wie thät ich's gerne, ſprach er, aber des Kaiſers Kämmerer werden mich melden. O nie! ſagte Herlindis, die tummeln ſich im Hof und ſchießen den Speerſchaft, nimm du zwei Diener und heb' dich leis mir nach, bei Schall und Kampfſpiel miſſet dich Keiner. Jetzt wollte die Getreue von dannen gehen. Doch der Held ſprach: Ich will erſt nach den Schuhen fragen. Da rief Asprian draußen: was liegt an einem alten Schuh? Viel tauſend haben wir geſchmiedet, die trägt das Ingeſind; ich will den rechten ſuchen. Und er brachte ihn, und Dietrich ſchenkte der Kammerfrau wiederum einen Mantel und zwölf Spangen. Da ging ſie voraus und kündete ihrer Herrin die erwünſchte Mähre. Herr Dietrich aber hieß im Hippodromoshofe einen großen Schall anheben und hieß die Rieſen ausgehen; da fuhr Widolt mit der Stange heraus und geberdete ſich ſchreckentlich, und Asprian ſchlug einen Purzelbaum in die blaue Luft und Abendroth warf einen un- gefügen Stein von viel hundert Pfunden und erſprang ihn zwölf Klafter weit, ſo daß keiner der Merker Herrn Dietrich wahrnehmen mochte.

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Zitationshilfe: Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855, S. 296. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffel_ekkehard_1855/318>, abgerufen am 22.11.2024.