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Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855.

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Stangen eingeschlagen, von blauer Bohnenblüthe umrankt, dahin trug
Praxedis das Getüch an seinen andern Enden; in Kurzem hing die
schattige Decke über den luftigen Raum, die grauweiße Leinwand
schimmerte anmuthig zum Gelbgrün der Blätter und Ranken, es war
eine lustige Gartenfrische.

Der Vesperwein möchte sich anmuthig hier trinken lassen, sagte
Herr Spazzo halb betrübt über das, was bevorstand. Praxedis aber
ordnete Tisch und Sitze; der Herzogin Polsterstuhl mit dem durch-
brochenen Schnitzwerk lehnte sich an den Stamm des Ahorns, niedrige
Schemel für die Andern, ihre Laute holte sie herunter und legte sie
auf den Tisch, Burkard aber mußte einen großen Blumenstrauß bin-
den, der ward vor den Herzogssitz gestellt. Dann band die Griechin
einen rothen Seidenfaden um den Baumstamm, zog ihn bis zur
Bohnenhecke hinüber und von dort zur Mauer, so daß nur ein schmaler
Durchgang freiblieb. So! sprach sie vergnügt, jetzt ist unser Plauder-
saal umgrenzt und umfriedet wie König Laurins Rosengarten,235) die
Mauern sind wohlfeil herzustellen.

Die Herzogin freute sich ihres Einfalls, und schmückte sich mit
einer gewissen Absicht. Es war noch früh am Abend, da stieg sie
zur Laube hinab. Blendend rauschte die stolze Erscheinung einher, sie
hatte ein weites Gewand umgethan, Saum und Aermel mit schim-
merndem Gold durchstickt, ein stahlgrauer mantelartiger Ueberwurf
wallte bis zum Boden herab, von edelsteinbesetzten Agraffen gehalten;
über's Haupt trug sie ein schleierartig Gewebe, licht und durchsichtig,
von güldenem Stirnband anschmiegend zusammengefaltet. Sie griff
eine Rose aus Burkard's Strauß und heftete sie zwischen Band und
Schleier.

Der Klosterschüler, der schon nahe daran war, Klassiker und freie
Künste zu vergessen, hatte sich die Gnade erbeten, der Herzogin Schleppe
zu tragen und ihr zu Ehren ein Paar abenteuerliche Schnabelschuhe,
an beiden Seiten mit Ohren versehen, angelegt,236) und machte sich
verschiedene Gedanken über das Glück, einer solchen Gebieterin als
frommer Edelknabe zu dienen.

Praxedis und Herr Spazzo traten mit ein. Die Herzogin schaute
sich flüchtig um: Ist Meister Ekkehard, zu dessen Belehrung wir den
Abend geordnet, unsichtbar?

Stangen eingeſchlagen, von blauer Bohnenblüthe umrankt, dahin trug
Praxedis das Getüch an ſeinen andern Enden; in Kurzem hing die
ſchattige Decke über den luftigen Raum, die grauweiße Leinwand
ſchimmerte anmuthig zum Gelbgrün der Blätter und Ranken, es war
eine luſtige Gartenfriſche.

Der Vesperwein möchte ſich anmuthig hier trinken laſſen, ſagte
Herr Spazzo halb betrübt über das, was bevorſtand. Praxedis aber
ordnete Tiſch und Sitze; der Herzogin Polſterſtuhl mit dem durch-
brochenen Schnitzwerk lehnte ſich an den Stamm des Ahorns, niedrige
Schemel für die Andern, ihre Laute holte ſie herunter und legte ſie
auf den Tiſch, Burkard aber mußte einen großen Blumenſtrauß bin-
den, der ward vor den Herzogsſitz geſtellt. Dann band die Griechin
einen rothen Seidenfaden um den Baumſtamm, zog ihn bis zur
Bohnenhecke hinüber und von dort zur Mauer, ſo daß nur ein ſchmaler
Durchgang freiblieb. So! ſprach ſie vergnügt, jetzt iſt unſer Plauder-
ſaal umgrenzt und umfriedet wie König Laurins Roſengarten,235) die
Mauern ſind wohlfeil herzuſtellen.

Die Herzogin freute ſich ihres Einfalls, und ſchmückte ſich mit
einer gewiſſen Abſicht. Es war noch früh am Abend, da ſtieg ſie
zur Laube hinab. Blendend rauſchte die ſtolze Erſcheinung einher, ſie
hatte ein weites Gewand umgethan, Saum und Aermel mit ſchim-
merndem Gold durchſtickt, ein ſtahlgrauer mantelartiger Ueberwurf
wallte bis zum Boden herab, von edelſteinbeſetzten Agraffen gehalten;
über's Haupt trug ſie ein ſchleierartig Gewebe, licht und durchſichtig,
von güldenem Stirnband anſchmiegend zuſammengefaltet. Sie griff
eine Roſe aus Burkard's Strauß und heftete ſie zwiſchen Band und
Schleier.

Der Kloſterſchüler, der ſchon nahe daran war, Klaſſiker und freie
Künſte zu vergeſſen, hatte ſich die Gnade erbeten, der Herzogin Schleppe
zu tragen und ihr zu Ehren ein Paar abenteuerliche Schnabelſchuhe,
an beiden Seiten mit Ohren verſehen, angelegt,236) und machte ſich
verſchiedene Gedanken über das Glück, einer ſolchen Gebieterin als
frommer Edelknabe zu dienen.

Praxedis und Herr Spazzo traten mit ein. Die Herzogin ſchaute
ſich flüchtig um: Iſt Meiſter Ekkehard, zu deſſen Belehrung wir den
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[284/0306] Stangen eingeſchlagen, von blauer Bohnenblüthe umrankt, dahin trug Praxedis das Getüch an ſeinen andern Enden; in Kurzem hing die ſchattige Decke über den luftigen Raum, die grauweiße Leinwand ſchimmerte anmuthig zum Gelbgrün der Blätter und Ranken, es war eine luſtige Gartenfriſche. Der Vesperwein möchte ſich anmuthig hier trinken laſſen, ſagte Herr Spazzo halb betrübt über das, was bevorſtand. Praxedis aber ordnete Tiſch und Sitze; der Herzogin Polſterſtuhl mit dem durch- brochenen Schnitzwerk lehnte ſich an den Stamm des Ahorns, niedrige Schemel für die Andern, ihre Laute holte ſie herunter und legte ſie auf den Tiſch, Burkard aber mußte einen großen Blumenſtrauß bin- den, der ward vor den Herzogsſitz geſtellt. Dann band die Griechin einen rothen Seidenfaden um den Baumſtamm, zog ihn bis zur Bohnenhecke hinüber und von dort zur Mauer, ſo daß nur ein ſchmaler Durchgang freiblieb. So! ſprach ſie vergnügt, jetzt iſt unſer Plauder- ſaal umgrenzt und umfriedet wie König Laurins Roſengarten, ²³⁵⁾ die Mauern ſind wohlfeil herzuſtellen. Die Herzogin freute ſich ihres Einfalls, und ſchmückte ſich mit einer gewiſſen Abſicht. Es war noch früh am Abend, da ſtieg ſie zur Laube hinab. Blendend rauſchte die ſtolze Erſcheinung einher, ſie hatte ein weites Gewand umgethan, Saum und Aermel mit ſchim- merndem Gold durchſtickt, ein ſtahlgrauer mantelartiger Ueberwurf wallte bis zum Boden herab, von edelſteinbeſetzten Agraffen gehalten; über's Haupt trug ſie ein ſchleierartig Gewebe, licht und durchſichtig, von güldenem Stirnband anſchmiegend zuſammengefaltet. Sie griff eine Roſe aus Burkard's Strauß und heftete ſie zwiſchen Band und Schleier. Der Kloſterſchüler, der ſchon nahe daran war, Klaſſiker und freie Künſte zu vergeſſen, hatte ſich die Gnade erbeten, der Herzogin Schleppe zu tragen und ihr zu Ehren ein Paar abenteuerliche Schnabelſchuhe, an beiden Seiten mit Ohren verſehen, angelegt, ²³⁶⁾ und machte ſich verſchiedene Gedanken über das Glück, einer ſolchen Gebieterin als frommer Edelknabe zu dienen. Praxedis und Herr Spazzo traten mit ein. Die Herzogin ſchaute ſich flüchtig um: Iſt Meiſter Ekkehard, zu deſſen Belehrung wir den Abend geordnet, unſichtbar?

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Zitationshilfe: Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855, S. 284. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffel_ekkehard_1855/306>, abgerufen am 22.11.2024.