mitorium geschlichen um zu lauschen, was die Brüder vor Einschlafen über Euch und über das, was in seiner Schrift stand, zusammen sprechen würden. Die Nachtkerze hat trüb geflackert, daß er im Ver- borgenen niedersitzen konnte. Aber um Mitternacht ist der Vater Notker Pfefferkorn gekommen, der hat die Runde gemacht, nachzuschauen, ob Jeder seinen Gürtel fest um's Gewand geschlungen, und ob kein Messer oder schädlich Gewaffen im Schlafgemach sei. Der hat den Fremden hervorgezogen aus seinem Versteck, und die Brüder sind aufgewacht, und die große Abtslaterne ist angezündet worden, mit Stecken und Stangen und der siebenfältigen Geißel aus der Geißelkammer sind sie herbeigesprungen und war ein großer Lärm und Geschrei, trotzdem daß der Decan und die Alten abwinkten. Notker Pfefferkorn selber war hoch ergrimmt: Der Teufel geht lauernd umher und sucht wen er verschlinge, rief er, wir haben den Teufel, züchtiget ihn!
Vater Rudimann aber ist noch recht höhnisch gewesen: ich gestehe, treffliche Jünglinge, hat er gesagt, wenn ich wüßte wo der Zimmer- mann einen Weg offen gelassen, so würde ich auf Händen und Füßen von dannen gehen; nun aber, da ich gern oder ungern euch in die Hände fiel, so gedenket, daß ihr euerem Gastfreund keine Schande an- thuet.226) Da wurden sie alle wild und schleppten ihn in die Geißel- kammer; nur auf den Knien konnt' er sich losbitten, und als endlich der Abt sprach: Wir wollen das Füchslein heimspringen lassen in seinen Bau, hat er sich höflich bedankt.
Ich bin gestern einem Fuhrwerk mit zwei großen Weinfässern vor- beigekommen: der Kellermeister der Reichenau schicke das dem heiligen Gallus für freundschaftliche Aufnahme, hat der Fuhrmann zu mir gesagt ...
Davon hat Herr Rudimann nichts gemunkelt, wie er gestern bei uns war, sprach Praxedis. Für die Geschichte verdienst du ein Stück Kuchen, Goldsohn, du erzählst ja, wie ein Jubelgreis.
O, sprach der Klosterschüler halb beleidigt, es heißt nichts. Aber ich werde ein Gedicht darüber machen, des Wolfs Einbruch im Schaf- stall und Strafe, -- ich hab's schon halb im Kopf, das muß schön werden.
Du machst auch Gedichte, junger Neffe? sprach Ekkehard heiter.
mitorium geſchlichen um zu lauſchen, was die Brüder vor Einſchlafen über Euch und über das, was in ſeiner Schrift ſtand, zuſammen ſprechen würden. Die Nachtkerze hat trüb geflackert, daß er im Ver- borgenen niederſitzen konnte. Aber um Mitternacht iſt der Vater Notker Pfefferkorn gekommen, der hat die Runde gemacht, nachzuſchauen, ob Jeder ſeinen Gürtel feſt um's Gewand geſchlungen, und ob kein Meſſer oder ſchädlich Gewaffen im Schlafgemach ſei. Der hat den Fremden hervorgezogen aus ſeinem Verſteck, und die Brüder ſind aufgewacht, und die große Abtslaterne iſt angezündet worden, mit Stecken und Stangen und der ſiebenfältigen Geißel aus der Geißelkammer ſind ſie herbeigeſprungen und war ein großer Lärm und Geſchrei, trotzdem daß der Decan und die Alten abwinkten. Notker Pfefferkorn ſelber war hoch ergrimmt: Der Teufel geht lauernd umher und ſucht wen er verſchlinge, rief er, wir haben den Teufel, züchtiget ihn!
Vater Rudimann aber iſt noch recht höhniſch geweſen: ich geſtehe, treffliche Jünglinge, hat er geſagt, wenn ich wüßte wo der Zimmer- mann einen Weg offen gelaſſen, ſo würde ich auf Händen und Füßen von dannen gehen; nun aber, da ich gern oder ungern euch in die Hände fiel, ſo gedenket, daß ihr euerem Gaſtfreund keine Schande an- thuet.226) Da wurden ſie alle wild und ſchleppten ihn in die Geißel- kammer; nur auf den Knien konnt' er ſich losbitten, und als endlich der Abt ſprach: Wir wollen das Füchslein heimſpringen laſſen in ſeinen Bau, hat er ſich höflich bedankt.
Ich bin geſtern einem Fuhrwerk mit zwei großen Weinfäſſern vor- beigekommen: der Kellermeiſter der Reichenau ſchicke das dem heiligen Gallus für freundſchaftliche Aufnahme, hat der Fuhrmann zu mir geſagt ...
Davon hat Herr Rudimann nichts gemunkelt, wie er geſtern bei uns war, ſprach Praxedis. Für die Geſchichte verdienſt du ein Stück Kuchen, Goldſohn, du erzählſt ja, wie ein Jubelgreis.
O, ſprach der Kloſterſchüler halb beleidigt, es heißt nichts. Aber ich werde ein Gedicht darüber machen, des Wolfs Einbruch im Schaf- ſtall und Strafe, — ich hab's ſchon halb im Kopf, das muß ſchön werden.
Du machſt auch Gedichte, junger Neffe? ſprach Ekkehard heiter.
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mitorium geſchlichen um zu lauſchen, was die Brüder vor Einſchlafen
über Euch und über das, was in ſeiner Schrift ſtand, zuſammen
ſprechen würden. Die Nachtkerze hat trüb geflackert, daß er im Ver-
borgenen niederſitzen konnte. Aber um Mitternacht iſt der Vater Notker
Pfefferkorn gekommen, der hat die Runde gemacht, nachzuſchauen, ob
Jeder ſeinen Gürtel feſt um's Gewand geſchlungen, und ob kein Meſſer
oder ſchädlich Gewaffen im Schlafgemach ſei. Der hat den Fremden
hervorgezogen aus ſeinem Verſteck, und die Brüder ſind aufgewacht,
und die große Abtslaterne iſt angezündet worden, mit Stecken und
Stangen und der ſiebenfältigen Geißel aus der Geißelkammer ſind ſie
herbeigeſprungen und war ein großer Lärm und Geſchrei, trotzdem
daß der Decan und die Alten abwinkten. Notker Pfefferkorn ſelber
war hoch ergrimmt: Der Teufel geht lauernd umher und ſucht wen
er verſchlinge, rief er, wir haben den Teufel, züchtiget ihn!
Vater Rudimann aber iſt noch recht höhniſch geweſen: ich geſtehe,
treffliche Jünglinge, hat er geſagt, wenn ich wüßte wo der Zimmer-
mann einen Weg offen gelaſſen, ſo würde ich auf Händen und Füßen
von dannen gehen; nun aber, da ich gern oder ungern euch in die
Hände fiel, ſo gedenket, daß ihr euerem Gaſtfreund keine Schande an-
thuet.
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Da wurden ſie alle wild und ſchleppten ihn in die Geißel-
kammer; nur auf den Knien konnt' er ſich losbitten, und als endlich
der Abt ſprach: Wir wollen das Füchslein heimſpringen laſſen in
ſeinen Bau, hat er ſich höflich bedankt.
Ich bin geſtern einem Fuhrwerk mit zwei großen Weinfäſſern vor-
beigekommen: der Kellermeiſter der Reichenau ſchicke das dem heiligen
Gallus für freundſchaftliche Aufnahme, hat der Fuhrmann zu mir
geſagt ...
Davon hat Herr Rudimann nichts gemunkelt, wie er geſtern bei
uns war, ſprach Praxedis. Für die Geſchichte verdienſt du ein Stück
Kuchen, Goldſohn, du erzählſt ja, wie ein Jubelgreis.
O, ſprach der Kloſterſchüler halb beleidigt, es heißt nichts. Aber
ich werde ein Gedicht darüber machen, des Wolfs Einbruch im Schaf-
ſtall und Strafe, — ich hab's ſchon halb im Kopf, das muß ſchön
werden.
Du machſt auch Gedichte, junger Neffe? ſprach Ekkehard heiter.
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Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855, S. 272. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffel_ekkehard_1855/294>, abgerufen am 30.01.2025.
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