Das thut mir leid, sprach Rudimann. Höhnisch verzog er seine Lippen. Er ließ den Lachs auspacken und auf die Granitplatte des Tisches im Hofe legen; die Linde warf ihren Schatten drüber, die Schuppen des Seegewaltigen glänzten, es war als ob sein kühles Auge noch Leben hätte und schmerzlich stumm vom Berggipfel nach den blauen Wogen drüben schaute. Der Fisch war über eines Mannes Länge; Praxedis hatte einen hellen Schrei gethan, wie die Strohhülle von ihm genommen ward. Er kommt vor Nacht nicht heim! mur- melte Rudimann, und brach einen starken Lindenzweig und sperrte mit eingeschobenem Holze dem Lachs den Rachen, daß er weit aufge- rissen hinausgähnte. Mit grünem Lindenblatt verzierte er das Fisch- maul, dann griff er in seinen Busen, dort trug er die Pergament- blätter von Gunzo's Schmähschrift, er rollte sie säuberlich zusammen und schob sie in den offenen Rachen. Neugierig sah ihm Praxedis zu: das war ihr noch nicht vorgekommen.
Jetzt nahte die Herzogin. Demüthig ging ihr Rudimann entgegen, er bat um Nachsicht für die Klosterleute, es thue dem Abt leid, er sprach mit Anerkennung von dem Verwundeten, mit Zweifel vom Wetterzauber, mit Erfolg im Ganzen. Und mög' Euch ein unwürdig Geschenk wenigstens den guten Willen des Euch stets getreuen Gottes- hauses beweisen, schloß er und trat zurück, daß der Lachs in seiner vollen Pracht sichtbar wurde. Die Herzogin lächelte halb versöhnt.
Jetzt sah sie das Pergament dem Rachen entragen. Und das? sprach sie fragend.
Das Neueste der Literatur!... sprach Rudimann. Er neigte sich mit Anstand, ging zu seinem Saumthier und beeilte sich des Heimritts. --
Der rothe Meersburger war gut. Und Herr Spazzo nahm's nicht als eine leichte Sache, beim Wein zu sitzen, er dauerte aus vor den Krügen wie ein Städtebelagerer und saß festgegossen auf seiner Bank und trank als ein Mann, der sprudelnd Aufschäumen den Knaben überläßt, ernst aber viel.
Der Rothe ist die verständigste Einrichtung im ganzen Kloster, habt Ihr noch mehr im Keller? hatte er den Abt gefragt, wie der erste Krug leer war. Es sollte eine Höflichkeit sein, ein Zeichen der Versöhnung, daß er weiter trank. Da kam der zweite Krug.
Das thut mir leid, ſprach Rudimann. Höhniſch verzog er ſeine Lippen. Er ließ den Lachs auspacken und auf die Granitplatte des Tiſches im Hofe legen; die Linde warf ihren Schatten drüber, die Schuppen des Seegewaltigen glänzten, es war als ob ſein kühles Auge noch Leben hätte und ſchmerzlich ſtumm vom Berggipfel nach den blauen Wogen drüben ſchaute. Der Fiſch war über eines Mannes Länge; Praxedis hatte einen hellen Schrei gethan, wie die Strohhülle von ihm genommen ward. Er kommt vor Nacht nicht heim! mur- melte Rudimann, und brach einen ſtarken Lindenzweig und ſperrte mit eingeſchobenem Holze dem Lachs den Rachen, daß er weit aufge- riſſen hinausgähnte. Mit grünem Lindenblatt verzierte er das Fiſch- maul, dann griff er in ſeinen Buſen, dort trug er die Pergament- blätter von Gunzo's Schmähſchrift, er rollte ſie ſäuberlich zuſammen und ſchob ſie in den offenen Rachen. Neugierig ſah ihm Praxedis zu: das war ihr noch nicht vorgekommen.
Jetzt nahte die Herzogin. Demüthig ging ihr Rudimann entgegen, er bat um Nachſicht für die Kloſterleute, es thue dem Abt leid, er ſprach mit Anerkennung von dem Verwundeten, mit Zweifel vom Wetterzauber, mit Erfolg im Ganzen. Und mög' Euch ein unwürdig Geſchenk wenigſtens den guten Willen des Euch ſtets getreuen Gottes- hauſes beweiſen, ſchloß er und trat zurück, daß der Lachs in ſeiner vollen Pracht ſichtbar wurde. Die Herzogin lächelte halb verſöhnt.
Jetzt ſah ſie das Pergament dem Rachen entragen. Und das? ſprach ſie fragend.
Das Neueſte der Literatur!... ſprach Rudimann. Er neigte ſich mit Anſtand, ging zu ſeinem Saumthier und beeilte ſich des Heimritts. —
Der rothe Meersburger war gut. Und Herr Spazzo nahm's nicht als eine leichte Sache, beim Wein zu ſitzen, er dauerte aus vor den Krügen wie ein Städtebelagerer und ſaß feſtgegoſſen auf ſeiner Bank und trank als ein Mann, der ſprudelnd Aufſchäumen den Knaben überläßt, ernſt aber viel.
Der Rothe iſt die verſtändigſte Einrichtung im ganzen Kloſter, habt Ihr noch mehr im Keller? hatte er den Abt gefragt, wie der erſte Krug leer war. Es ſollte eine Höflichkeit ſein, ein Zeichen der Verſöhnung, daß er weiter trank. Da kam der zweite Krug.
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0283"n="261"/><p>Das thut mir leid, ſprach Rudimann. Höhniſch verzog er ſeine<lb/>
Lippen. Er ließ den Lachs auspacken und auf die Granitplatte des<lb/>
Tiſches im Hofe legen; die Linde warf ihren Schatten drüber, die<lb/>
Schuppen des Seegewaltigen glänzten, es war als ob ſein kühles<lb/>
Auge noch Leben hätte und ſchmerzlich ſtumm vom Berggipfel nach<lb/>
den blauen Wogen drüben ſchaute. Der Fiſch war über eines Mannes<lb/>
Länge; Praxedis hatte einen hellen Schrei gethan, wie die Strohhülle<lb/>
von ihm genommen ward. Er kommt vor Nacht nicht heim! mur-<lb/>
melte Rudimann, und brach einen ſtarken Lindenzweig und ſperrte<lb/>
mit eingeſchobenem Holze dem Lachs den Rachen, daß er weit aufge-<lb/>
riſſen hinausgähnte. Mit grünem Lindenblatt verzierte er das Fiſch-<lb/>
maul, dann griff er in ſeinen Buſen, dort trug er die Pergament-<lb/>
blätter von Gunzo's Schmähſchrift, er rollte ſie ſäuberlich zuſammen<lb/>
und ſchob ſie in den offenen Rachen. Neugierig ſah ihm Praxedis<lb/>
zu: das war ihr noch nicht vorgekommen.</p><lb/><p>Jetzt nahte die Herzogin. Demüthig ging ihr Rudimann entgegen,<lb/>
er bat um Nachſicht für die Kloſterleute, es thue dem Abt leid, er<lb/>ſprach mit Anerkennung von dem Verwundeten, mit Zweifel vom<lb/>
Wetterzauber, mit Erfolg im Ganzen. Und mög' Euch ein unwürdig<lb/>
Geſchenk wenigſtens den guten Willen des Euch ſtets getreuen Gottes-<lb/>
hauſes beweiſen, ſchloß er und trat zurück, daß der Lachs in ſeiner<lb/>
vollen Pracht ſichtbar wurde. Die Herzogin lächelte halb verſöhnt.</p><lb/><p>Jetzt ſah ſie das Pergament dem Rachen entragen. Und das?<lb/>ſprach ſie fragend.</p><lb/><p>Das Neueſte der Literatur!... ſprach Rudimann. Er neigte ſich<lb/>
mit Anſtand, ging zu ſeinem Saumthier und beeilte ſich des Heimritts. —</p><lb/><p>Der rothe Meersburger war gut. Und Herr Spazzo nahm's nicht<lb/>
als eine leichte Sache, beim Wein zu ſitzen, er dauerte aus vor den<lb/>
Krügen wie ein Städtebelagerer und ſaß feſtgegoſſen auf ſeiner Bank<lb/>
und trank als ein Mann, der ſprudelnd Aufſchäumen den Knaben<lb/>
überläßt, ernſt aber viel.</p><lb/><p>Der Rothe iſt die verſtändigſte Einrichtung im ganzen Kloſter,<lb/>
habt Ihr noch mehr im Keller? hatte er den Abt gefragt, wie der<lb/>
erſte Krug leer war. Es ſollte eine Höflichkeit ſein, ein Zeichen der<lb/>
Verſöhnung, daß er weiter trank. Da kam der zweite Krug.</p><lb/></div></body></text></TEI>
[261/0283]
Das thut mir leid, ſprach Rudimann. Höhniſch verzog er ſeine
Lippen. Er ließ den Lachs auspacken und auf die Granitplatte des
Tiſches im Hofe legen; die Linde warf ihren Schatten drüber, die
Schuppen des Seegewaltigen glänzten, es war als ob ſein kühles
Auge noch Leben hätte und ſchmerzlich ſtumm vom Berggipfel nach
den blauen Wogen drüben ſchaute. Der Fiſch war über eines Mannes
Länge; Praxedis hatte einen hellen Schrei gethan, wie die Strohhülle
von ihm genommen ward. Er kommt vor Nacht nicht heim! mur-
melte Rudimann, und brach einen ſtarken Lindenzweig und ſperrte
mit eingeſchobenem Holze dem Lachs den Rachen, daß er weit aufge-
riſſen hinausgähnte. Mit grünem Lindenblatt verzierte er das Fiſch-
maul, dann griff er in ſeinen Buſen, dort trug er die Pergament-
blätter von Gunzo's Schmähſchrift, er rollte ſie ſäuberlich zuſammen
und ſchob ſie in den offenen Rachen. Neugierig ſah ihm Praxedis
zu: das war ihr noch nicht vorgekommen.
Jetzt nahte die Herzogin. Demüthig ging ihr Rudimann entgegen,
er bat um Nachſicht für die Kloſterleute, es thue dem Abt leid, er
ſprach mit Anerkennung von dem Verwundeten, mit Zweifel vom
Wetterzauber, mit Erfolg im Ganzen. Und mög' Euch ein unwürdig
Geſchenk wenigſtens den guten Willen des Euch ſtets getreuen Gottes-
hauſes beweiſen, ſchloß er und trat zurück, daß der Lachs in ſeiner
vollen Pracht ſichtbar wurde. Die Herzogin lächelte halb verſöhnt.
Jetzt ſah ſie das Pergament dem Rachen entragen. Und das?
ſprach ſie fragend.
Das Neueſte der Literatur!... ſprach Rudimann. Er neigte ſich
mit Anſtand, ging zu ſeinem Saumthier und beeilte ſich des Heimritts. —
Der rothe Meersburger war gut. Und Herr Spazzo nahm's nicht
als eine leichte Sache, beim Wein zu ſitzen, er dauerte aus vor den
Krügen wie ein Städtebelagerer und ſaß feſtgegoſſen auf ſeiner Bank
und trank als ein Mann, der ſprudelnd Aufſchäumen den Knaben
überläßt, ernſt aber viel.
Der Rothe iſt die verſtändigſte Einrichtung im ganzen Kloſter,
habt Ihr noch mehr im Keller? hatte er den Abt gefragt, wie der
erſte Krug leer war. Es ſollte eine Höflichkeit ſein, ein Zeichen der
Verſöhnung, daß er weiter trank. Da kam der zweite Krug.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855, S. 261. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffel_ekkehard_1855/283>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.