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Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855.

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Herr Spazzo schritt über den Klosterhof zum Thor, das durch den
Kreuzgang in's Innere führte. Er trat fest auf. Die Glocke zum
Mittagsmahl läutete. Einer der Brüder kam schnellen Ganges über
den Hof. Herr Spazzo faßte ihn am dunkeln Gewand.

Rufet mir den Abt herunter! sprach er. Der Mönch sah ihn
verwundert an und that einen Seitenblick auf des Kämmerers abge-
tragen Jagdhabit.

Es ist die Stunde der Mahlzeit, sprach er. Wenn ihr geladen
seid, was ich aber ... er schaute wiederum etwas spöttisch auf Spazzo's
Jagdrock; der Schluß ward ihm erspart, der Kämmerer würdigte den
hungrigen Bruder eines gediegenen Faustschlages, daß er taumelnd von
der Schwelle in den Hof hinausflog, wie ein wohlgeschleuderter Feder-
ball. Die Mittagssonne schien auf des Gefallenen Tonsur.

Dem Abt war bereits gemeldet worden, welch einen Frevel der
Klostermaier sich an der Herzogin Mann erlaubt. Jetzt vernahm er
den Tumult im Klosterhof. Wie er an sein Fenster trat, erschaute
er just den frommen Bruder Yvo faustschlagbefördert in Hof hinaus-
fliegen. Glücklich, wer der Dinge geheimste Ursachen erkannt hat, singt
Virgilius. Abt Wazmann erkannte sie, er hatte aus dem Dunkel
des Kreuzgangs Herrn Spazzo's Helmzier drohend herübernicken gesehen.

Ruft mir den Abt herunter! rief's zum zweitenmal vom Hofe
herauf, daß die Scheiben der Zellenfenster klirrten. Unterdessen ward
die Reichenauer Mittagssuppe kalt; die im Refectorium Versammelten
griffen endlich zu, ohne des Abts zu warten.

Der Abt Wazmann hatte Rudimann den Kellermeister zu sich
entboten. Das Alles, sprach er, hat uns der Grünspecht von Sanct
Gallen wieder angezettelt. O Gunzo, Gunzo! Keiner soll seinem
Nächsten ein Leid wünschen, aber doch überdenkt mein Gemüth die
Frage, ob unsere Hofbauern, das riesige Geschlecht vor dem Herrn,
nicht wohlgethan hätten, dem Gleisner Ekkehard die Steine an Kopf
zu werfen, die sie dem hunnischen Hexenmeister bestimmt ...

Ein Mönch trat scheu in des Abts Gemach.

Ihr sollt herunterkommen, sagte er leise, es ist Einer drunten und
tobt und griesgramt wie ein Gewaltiger.

Da wandte sich der Abt zu Rudimann dem Kellermeister und
sprach: Es muß schlecht Wetter sein bei der Herzogin; ich kenne den

Herr Spazzo ſchritt über den Kloſterhof zum Thor, das durch den
Kreuzgang in's Innere führte. Er trat feſt auf. Die Glocke zum
Mittagsmahl läutete. Einer der Brüder kam ſchnellen Ganges über
den Hof. Herr Spazzo faßte ihn am dunkeln Gewand.

Rufet mir den Abt herunter! ſprach er. Der Mönch ſah ihn
verwundert an und that einen Seitenblick auf des Kämmerers abge-
tragen Jagdhabit.

Es iſt die Stunde der Mahlzeit, ſprach er. Wenn ihr geladen
ſeid, was ich aber ... er ſchaute wiederum etwas ſpöttiſch auf Spazzo's
Jagdrock; der Schluß ward ihm erſpart, der Kämmerer würdigte den
hungrigen Bruder eines gediegenen Fauſtſchlages, daß er taumelnd von
der Schwelle in den Hof hinausflog, wie ein wohlgeſchleuderter Feder-
ball. Die Mittagsſonne ſchien auf des Gefallenen Tonſur.

Dem Abt war bereits gemeldet worden, welch einen Frevel der
Kloſtermaier ſich an der Herzogin Mann erlaubt. Jetzt vernahm er
den Tumult im Kloſterhof. Wie er an ſein Fenſter trat, erſchaute
er juſt den frommen Bruder Yvo fauſtſchlagbefördert in Hof hinaus-
fliegen. Glücklich, wer der Dinge geheimſte Urſachen erkannt hat, ſingt
Virgilius. Abt Wazmann erkannte ſie, er hatte aus dem Dunkel
des Kreuzgangs Herrn Spazzo's Helmzier drohend herübernicken geſehen.

Ruft mir den Abt herunter! rief's zum zweitenmal vom Hofe
herauf, daß die Scheiben der Zellenfenſter klirrten. Unterdeſſen ward
die Reichenauer Mittagsſuppe kalt; die im Refectorium Verſammelten
griffen endlich zu, ohne des Abts zu warten.

Der Abt Wazmann hatte Rudimann den Kellermeiſter zu ſich
entboten. Das Alles, ſprach er, hat uns der Grünſpecht von Sanct
Gallen wieder angezettelt. O Gunzo, Gunzo! Keiner ſoll ſeinem
Nächſten ein Leid wünſchen, aber doch überdenkt mein Gemüth die
Frage, ob unſere Hofbauern, das rieſige Geſchlecht vor dem Herrn,
nicht wohlgethan hätten, dem Gleisner Ekkehard die Steine an Kopf
zu werfen, die ſie dem hunniſchen Hexenmeiſter beſtimmt ...

Ein Mönch trat ſcheu in des Abts Gemach.

Ihr ſollt herunterkommen, ſagte er leiſe, es iſt Einer drunten und
tobt und griesgramt wie ein Gewaltiger.

Da wandte ſich der Abt zu Rudimann dem Kellermeiſter und
ſprach: Es muß ſchlecht Wetter ſein bei der Herzogin; ich kenne den

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[258/0280] Herr Spazzo ſchritt über den Kloſterhof zum Thor, das durch den Kreuzgang in's Innere führte. Er trat feſt auf. Die Glocke zum Mittagsmahl läutete. Einer der Brüder kam ſchnellen Ganges über den Hof. Herr Spazzo faßte ihn am dunkeln Gewand. Rufet mir den Abt herunter! ſprach er. Der Mönch ſah ihn verwundert an und that einen Seitenblick auf des Kämmerers abge- tragen Jagdhabit. Es iſt die Stunde der Mahlzeit, ſprach er. Wenn ihr geladen ſeid, was ich aber ... er ſchaute wiederum etwas ſpöttiſch auf Spazzo's Jagdrock; der Schluß ward ihm erſpart, der Kämmerer würdigte den hungrigen Bruder eines gediegenen Fauſtſchlages, daß er taumelnd von der Schwelle in den Hof hinausflog, wie ein wohlgeſchleuderter Feder- ball. Die Mittagsſonne ſchien auf des Gefallenen Tonſur. Dem Abt war bereits gemeldet worden, welch einen Frevel der Kloſtermaier ſich an der Herzogin Mann erlaubt. Jetzt vernahm er den Tumult im Kloſterhof. Wie er an ſein Fenſter trat, erſchaute er juſt den frommen Bruder Yvo fauſtſchlagbefördert in Hof hinaus- fliegen. Glücklich, wer der Dinge geheimſte Urſachen erkannt hat, ſingt Virgilius. Abt Wazmann erkannte ſie, er hatte aus dem Dunkel des Kreuzgangs Herrn Spazzo's Helmzier drohend herübernicken geſehen. Ruft mir den Abt herunter! rief's zum zweitenmal vom Hofe herauf, daß die Scheiben der Zellenfenſter klirrten. Unterdeſſen ward die Reichenauer Mittagsſuppe kalt; die im Refectorium Verſammelten griffen endlich zu, ohne des Abts zu warten. Der Abt Wazmann hatte Rudimann den Kellermeiſter zu ſich entboten. Das Alles, ſprach er, hat uns der Grünſpecht von Sanct Gallen wieder angezettelt. O Gunzo, Gunzo! Keiner ſoll ſeinem Nächſten ein Leid wünſchen, aber doch überdenkt mein Gemüth die Frage, ob unſere Hofbauern, das rieſige Geſchlecht vor dem Herrn, nicht wohlgethan hätten, dem Gleisner Ekkehard die Steine an Kopf zu werfen, die ſie dem hunniſchen Hexenmeiſter beſtimmt ... Ein Mönch trat ſcheu in des Abts Gemach. Ihr ſollt herunterkommen, ſagte er leiſe, es iſt Einer drunten und tobt und griesgramt wie ein Gewaltiger. Da wandte ſich der Abt zu Rudimann dem Kellermeiſter und ſprach: Es muß ſchlecht Wetter ſein bei der Herzogin; ich kenne den

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Zitationshilfe: Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855, S. 258. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffel_ekkehard_1855/280>, abgerufen am 28.11.2024.