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Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855.

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Unterweges übte er sich. Das Wetter hatte eine Tanne nieder-
geworfen; im Wurzelwerk haftete noch das vom Sturz mit aufgerissene
Erdreich. Die schweren Aeste sperrten den Pfad.

Aus dem Weg, geistlicher Holzklotz! rief Herr Spazzo der Tanne
zu. Wie die sich nicht rührte, zog er sein Schwert. Vorwärts, Falada!
spornte er die Mähre und setzte in kühnem Satze über den Baum.
Im Drübersprengen that er einen Schwerthieb in's Geäst, daß die
Zweige herumflogen.

Nach weniger denn anderthalb Stunden war er schon vor der
Klosterpforte. Der schmale Streif Landes, der bei niederem Wasser-
stand des Sees das Ufer mit der Insel verbindet, war frei von
Ueberschwemmung und gestattete das Hinüberreiten.

Ein dienender Bruder that ihm auf. Es war um Mittagszeit.
Der blödsinnige Heribald kam neugierig aus dem Klostergarten her-
gelaufen, zu schauen wer der fremde Reiter. Er drängte sich nah an's
Roß, wie Herr Spazzo absprang. Der Hofhund tobte an seiner Kette
mit Gebell dem Rappen des Kämmerers entgegen, daß er sich auf-
bäumte. Schier hätte Herr Spazzo Schaden genommen. Wie er mit
beiden Füßen auf die Erde gesprungen war, griff er seine Schwert-
scheide und hieb dem Heribald flach über den Rücken.

Es ist nicht für Euch! rief er und strich seinen Bart, es ist für
den Hofhund. Gebt's weiter!

Heribald stand betroffen und griff nach seiner Schulter. Heiliger
Pirmin! jammerte er.

Es gibt heute keinen heiligen Pirmin! sprach Herr Spazzo ent-
schieden.

Da lachte Heribald, als wenn er seinen Mann kennte. Eia, gnä-
diger Herr, die Hunnen sind auch bei uns gewesen, und war Niemand
da, als Heribald, sie zu empfangen, aber so gottlos haben sie nicht
mit ihm gesprochen.

Die Hunnen sind keine herzoglichen Kämmerer! sprach Herr Spazzo
[m]it Stolz.

In Heribald's blödsinnigem Gehirn begann der Gedanke aufzu-
dämmern, die Hunnen seien nicht die schlimmsten Gäste auf deutscher
Erde. Er schwieg und ging in Garten. Dort riß er ein paar
Salbeiblätter ab und rieb seinen Rücken.

D. B. VII. Scheffel, Ekkehard. 17

Unterweges übte er ſich. Das Wetter hatte eine Tanne nieder-
geworfen; im Wurzelwerk haftete noch das vom Sturz mit aufgeriſſene
Erdreich. Die ſchweren Aeſte ſperrten den Pfad.

Aus dem Weg, geiſtlicher Holzklotz! rief Herr Spazzo der Tanne
zu. Wie die ſich nicht rührte, zog er ſein Schwert. Vorwärts, Falada!
ſpornte er die Mähre und ſetzte in kühnem Satze über den Baum.
Im Drüberſprengen that er einen Schwerthieb in's Geäſt, daß die
Zweige herumflogen.

Nach weniger denn anderthalb Stunden war er ſchon vor der
Kloſterpforte. Der ſchmale Streif Landes, der bei niederem Waſſer-
ſtand des Sees das Ufer mit der Inſel verbindet, war frei von
Ueberſchwemmung und geſtattete das Hinüberreiten.

Ein dienender Bruder that ihm auf. Es war um Mittagszeit.
Der blödſinnige Heribald kam neugierig aus dem Kloſtergarten her-
gelaufen, zu ſchauen wer der fremde Reiter. Er drängte ſich nah an's
Roß, wie Herr Spazzo abſprang. Der Hofhund tobte an ſeiner Kette
mit Gebell dem Rappen des Kämmerers entgegen, daß er ſich auf-
bäumte. Schier hätte Herr Spazzo Schaden genommen. Wie er mit
beiden Füßen auf die Erde geſprungen war, griff er ſeine Schwert-
ſcheide und hieb dem Heribald flach über den Rücken.

Es iſt nicht für Euch! rief er und ſtrich ſeinen Bart, es iſt für
den Hofhund. Gebt's weiter!

Heribald ſtand betroffen und griff nach ſeiner Schulter. Heiliger
Pirmin! jammerte er.

Es gibt heute keinen heiligen Pirmin! ſprach Herr Spazzo ent-
ſchieden.

Da lachte Heribald, als wenn er ſeinen Mann kennte. Eia, gnä-
diger Herr, die Hunnen ſind auch bei uns geweſen, und war Niemand
da, als Heribald, ſie zu empfangen, aber ſo gottlos haben ſie nicht
mit ihm geſprochen.

Die Hunnen ſind keine herzoglichen Kämmerer! ſprach Herr Spazzo
[m]it Stolz.

In Heribald's blödſinnigem Gehirn begann der Gedanke aufzu-
dämmern, die Hunnen ſeien nicht die ſchlimmſten Gäſte auf deutſcher
Erde. Er ſchwieg und ging in Garten. Dort riß er ein paar
Salbeiblätter ab und rieb ſeinen Rücken.

D. B. VII. Scheffel, Ekkehard. 17
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[257/0279] Unterweges übte er ſich. Das Wetter hatte eine Tanne nieder- geworfen; im Wurzelwerk haftete noch das vom Sturz mit aufgeriſſene Erdreich. Die ſchweren Aeſte ſperrten den Pfad. Aus dem Weg, geiſtlicher Holzklotz! rief Herr Spazzo der Tanne zu. Wie die ſich nicht rührte, zog er ſein Schwert. Vorwärts, Falada! ſpornte er die Mähre und ſetzte in kühnem Satze über den Baum. Im Drüberſprengen that er einen Schwerthieb in's Geäſt, daß die Zweige herumflogen. Nach weniger denn anderthalb Stunden war er ſchon vor der Kloſterpforte. Der ſchmale Streif Landes, der bei niederem Waſſer- ſtand des Sees das Ufer mit der Inſel verbindet, war frei von Ueberſchwemmung und geſtattete das Hinüberreiten. Ein dienender Bruder that ihm auf. Es war um Mittagszeit. Der blödſinnige Heribald kam neugierig aus dem Kloſtergarten her- gelaufen, zu ſchauen wer der fremde Reiter. Er drängte ſich nah an's Roß, wie Herr Spazzo abſprang. Der Hofhund tobte an ſeiner Kette mit Gebell dem Rappen des Kämmerers entgegen, daß er ſich auf- bäumte. Schier hätte Herr Spazzo Schaden genommen. Wie er mit beiden Füßen auf die Erde geſprungen war, griff er ſeine Schwert- ſcheide und hieb dem Heribald flach über den Rücken. Es iſt nicht für Euch! rief er und ſtrich ſeinen Bart, es iſt für den Hofhund. Gebt's weiter! Heribald ſtand betroffen und griff nach ſeiner Schulter. Heiliger Pirmin! jammerte er. Es gibt heute keinen heiligen Pirmin! ſprach Herr Spazzo ent- ſchieden. Da lachte Heribald, als wenn er ſeinen Mann kennte. Eia, gnä- diger Herr, die Hunnen ſind auch bei uns geweſen, und war Niemand da, als Heribald, ſie zu empfangen, aber ſo gottlos haben ſie nicht mit ihm geſprochen. Die Hunnen ſind keine herzoglichen Kämmerer! ſprach Herr Spazzo mit Stolz. In Heribald's blödſinnigem Gehirn begann der Gedanke aufzu- dämmern, die Hunnen ſeien nicht die ſchlimmſten Gäſte auf deutſcher Erde. Er ſchwieg und ging in Garten. Dort riß er ein paar Salbeiblätter ab und rieb ſeinen Rücken. D. B. VII. Scheffel, Ekkehard. 17

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Zitationshilfe: Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855, S. 257. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffel_ekkehard_1855/279>, abgerufen am 28.11.2024.