gen Weges zur Erde zu legen, um seinen Imbiß zu verzehren, denn daheim hatte er sich immer noch zum Sitzen bequemen müssen, so sauer es ihm auch ward. Da schoß ihm durch den Sinn, daß ihm Friderun zu besserem Segen bei seiner Handthierung einen Spruch gelehrt, das Ungeziefer zu beschwören, und ihm streng auf's Herz ge- legt, solchen Spruch nicht zu versäumen.
Sein Frühmahl hätt' ihm nimmer geschmeckt, bevor er dem Be- fehl gehorchet.
An des Feldes Grenze war ein Stein, drein ein Halbmond ge- hauen, Frau Hadwig's Herrschaftszeichen. Er trat vor, zog seinen Holzschuh vom rechten Fuß, trat barfüßig auf den Grenzstein und hob die Arme nach dem Wald hin. Der Klostermaier und sein Knecht gingen zwischen den Eichen; sie blieben stehen, er sah sie nicht und sprach den Spruch wie Friderun ihn gelehrt: Aius, sanctus, cardia car- diani! Maus und Mäusin, Talp und Talpin, Hamster und Frau Hamsterin, lasset das Feld, wie es bestellt; fahrt in die Welt! Fahret hinunter, hinüber in's Moor, Fieber und Gicht laß Euch nimmer her- vor! Afrias, aestrias, palamiasit!214)
Der Klostermaier und Großknecht hatten hinter den Eichen der Beschwörung gelauscht; jetzt schlichen sie näher. Afrias, aestrias, palamiasit! sprach Cappan zum zweitenmal, da fuhr ihm ein Schlag in's Genick, daß er zu Boden stürzte, seltsame Laute klangen an des Ueberraschten Ohr, vier Fäuste arbeiteten sich müd auf seinem Rücken, wie Flegel der Drescher in der Scheune.215)
Gesteh's, Kornmörder! rief der Klostermaier dem Hunnen zu, der nicht wußte, wie ihm geschah, was hat dir der Schlangenhof für Leids gethan, Wettermacher, Mausverhetzer, Teufelsbraten?
Cappan hatte keine Antwort, ihm schwindelte. Das erzürnte den Alten noch mehr.
Schau ihm in's Aug'! rief er dem Knecht zu, ob's trieft und ob's dich verkehrt abspiegelt, den Kopf nach unten. -- Der Knecht that wie geheißen. Aber er war ehrlich: im Aug' sitzt's nicht, sprach er.
So lupf ihm den Arm!
Er riß dem Daniedergeschlagenen das Obergewand ab und prüfte den Arm: Wer mit bösen Geistern Verbindung pflog, war irgendwo am Leib gezeichnet. Aber sie fanden kein Fehl an dem Mitleids-
gen Weges zur Erde zu legen, um ſeinen Imbiß zu verzehren, denn daheim hatte er ſich immer noch zum Sitzen bequemen müſſen, ſo ſauer es ihm auch ward. Da ſchoß ihm durch den Sinn, daß ihm Friderun zu beſſerem Segen bei ſeiner Handthierung einen Spruch gelehrt, das Ungeziefer zu beſchwören, und ihm ſtreng auf's Herz ge- legt, ſolchen Spruch nicht zu verſäumen.
Sein Frühmahl hätt' ihm nimmer geſchmeckt, bevor er dem Be- fehl gehorchet.
An des Feldes Grenze war ein Stein, drein ein Halbmond ge- hauen, Frau Hadwig's Herrſchaftszeichen. Er trat vor, zog ſeinen Holzſchuh vom rechten Fuß, trat barfüßig auf den Grenzſtein und hob die Arme nach dem Wald hin. Der Kloſtermaier und ſein Knecht gingen zwiſchen den Eichen; ſie blieben ſtehen, er ſah ſie nicht und ſprach den Spruch wie Friderun ihn gelehrt: Aius, sanctus, cardia car- diani! Maus und Mäuſin, Talp und Talpin, Hamſter und Frau Hamſterin, laſſet das Feld, wie es beſtellt; fahrt in die Welt! Fahret hinunter, hinüber in's Moor, Fieber und Gicht laß Euch nimmer her- vor! Afrias, aestrias, palamiasit!214)
Der Kloſtermaier und Großknecht hatten hinter den Eichen der Beſchwörung gelauſcht; jetzt ſchlichen ſie näher. Afrias, aestrias, palamiasit! ſprach Cappan zum zweitenmal, da fuhr ihm ein Schlag in's Genick, daß er zu Boden ſtürzte, ſeltſame Laute klangen an des Ueberraſchten Ohr, vier Fäuſte arbeiteten ſich müd auf ſeinem Rücken, wie Flegel der Dreſcher in der Scheune.215)
Geſteh's, Kornmörder! rief der Kloſtermaier dem Hunnen zu, der nicht wußte, wie ihm geſchah, was hat dir der Schlangenhof für Leids gethan, Wettermacher, Mausverhetzer, Teufelsbraten?
Cappan hatte keine Antwort, ihm ſchwindelte. Das erzürnte den Alten noch mehr.
Schau ihm in's Aug'! rief er dem Knecht zu, ob's trieft und ob's dich verkehrt abſpiegelt, den Kopf nach unten. — Der Knecht that wie geheißen. Aber er war ehrlich: im Aug' ſitzt's nicht, ſprach er.
So lupf ihm den Arm!
Er riß dem Daniedergeſchlagenen das Obergewand ab und prüfte den Arm: Wer mit böſen Geiſtern Verbindung pflog, war irgendwo am Leib gezeichnet. Aber ſie fanden kein Fehl an dem Mitleids-
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gen Weges zur Erde zu legen, um ſeinen Imbiß zu verzehren, denn
daheim hatte er ſich immer noch zum Sitzen bequemen müſſen, ſo
ſauer es ihm auch ward. Da ſchoß ihm durch den Sinn, daß ihm
Friderun zu beſſerem Segen bei ſeiner Handthierung einen Spruch
gelehrt, das Ungeziefer zu beſchwören, und ihm ſtreng auf's Herz ge-
legt, ſolchen Spruch nicht zu verſäumen.
Sein Frühmahl hätt' ihm nimmer geſchmeckt, bevor er dem Be-
fehl gehorchet.
An des Feldes Grenze war ein Stein, drein ein Halbmond ge-
hauen, Frau Hadwig's Herrſchaftszeichen. Er trat vor, zog ſeinen
Holzſchuh vom rechten Fuß, trat barfüßig auf den Grenzſtein und hob
die Arme nach dem Wald hin. Der Kloſtermaier und ſein Knecht
gingen zwiſchen den Eichen; ſie blieben ſtehen, er ſah ſie nicht und ſprach
den Spruch wie Friderun ihn gelehrt: Aius, sanctus, cardia car-
diani! Maus und Mäuſin, Talp und Talpin, Hamſter und Frau
Hamſterin, laſſet das Feld, wie es beſtellt; fahrt in die Welt! Fahret
hinunter, hinüber in's Moor, Fieber und Gicht laß Euch nimmer her-
vor! Afrias, aestrias, palamiasit!
²¹⁴⁾
Der Kloſtermaier und Großknecht hatten hinter den Eichen der
Beſchwörung gelauſcht; jetzt ſchlichen ſie näher. Afrias, aestrias,
palamiasit! ſprach Cappan zum zweitenmal, da fuhr ihm ein Schlag
in's Genick, daß er zu Boden ſtürzte, ſeltſame Laute klangen an des
Ueberraſchten Ohr, vier Fäuſte arbeiteten ſich müd auf ſeinem Rücken,
wie Flegel der Dreſcher in der Scheune.
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Geſteh's, Kornmörder! rief der Kloſtermaier dem Hunnen zu, der
nicht wußte, wie ihm geſchah, was hat dir der Schlangenhof für Leids
gethan, Wettermacher, Mausverhetzer, Teufelsbraten?
Cappan hatte keine Antwort, ihm ſchwindelte. Das erzürnte den
Alten noch mehr.
Schau ihm in's Aug'! rief er dem Knecht zu, ob's trieft und ob's
dich verkehrt abſpiegelt, den Kopf nach unten. — Der Knecht that wie
geheißen. Aber er war ehrlich: im Aug' ſitzt's nicht, ſprach er.
So lupf ihm den Arm!
Er riß dem Daniedergeſchlagenen das Obergewand ab und prüfte
den Arm: Wer mit böſen Geiſtern Verbindung pflog, war irgendwo
am Leib gezeichnet. Aber ſie fanden kein Fehl an dem Mitleids-
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Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855, S. 252. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffel_ekkehard_1855/274>, abgerufen am 29.11.2024.
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