Habt Ihr die Wetterwolke gesehen, sprach der Knecht, wie sie über's Dunkel hingefahren ist? Was war's? Das Nebelschiff war's! Es hat Einer unser Korn den Nebelschiffern verhandelt ...
Der Klostermaier schlug ein Kreuz, als woll' er ihm die weitere Rede wehren.
Ich kenn's von meiner Großmutter her, fuhr der Knecht fort. Die hat's im Elsaß drüben oft erzählen hören, wenn das Wetter über den Odilienberg sauste. Aus dem Land Magonia kommt's hergesegelt, das Nebelschiff, weiß über die schwarzen Wolken, Fasolt und Mermuth sitzen drinnen, die hageln die Körner aus den Halmen, wenn ihnen der Wetterzauberer Macht drüber gegeben, und heben unser Getreide in's Luftschiff hinauf und fahren wieder heim nach Magonia und zahlen einen guten Lohn.213) Das Nebelschiff rufen trägt mehr ein als Messe lesen; uns aber bleiben die Hülsen.
Der Klostermaier ward nachdenklich. Dann griff er den Knecht am Kragen und schüttelte ihn.
Wer? rief er heftig.
Der Knecht aber legte den Finger auf den Mund. Es war späte Nacht geworden.
In der gleichen Frühstunde, da Cappan dem Ekkehard begegnet war, ging der Klostermaier mit dem Großknecht über die Felder, den Schaden zu beschauen. Sie sprachen kein Wort. Der Schaden war groß. Aber das Land jenseits war minder verheert, als ob die Eichen des Waldes eine Grenzscheide für Einschlag des Hagels gezogen. Auf dem nahen Grundstück trieb Cappan seine Arbeit. Er hatte das Stellen der Fallen beendet, und gedachte eine Weile zu ruhen. Er zog aus dem Gürtel ein Stück schwarz Brod und eine Speckseite, die glänzte weich und weiß, wie frischgefallener Schnee und war so schön, daß er mit Rührung seiner neuen Ehfrau gedenken mußte, die ihm solche Atzung zugesteckt. Und er dachte an Allerlei, was sich seit der Hochzeit zwischen ihm und ihr zugetragen, und schaute sehnsüchtig zu den Lerchen empor, als sollten sie hinüberfliegen zur Kuppe des hohen Stoffeln und ihm Haus und Ehbett grüßen, und es ward ihm so wohl zu Muth, daß er wieder einen mächtigen Luftsprung that. Weil sein schlankes Ehgemahl nicht anwesend, gedachte er sich jetzt des lan-
Sag's! rief er.
Habt Ihr die Wetterwolke geſehen, ſprach der Knecht, wie ſie über's Dunkel hingefahren iſt? Was war's? Das Nebelſchiff war's! Es hat Einer unſer Korn den Nebelſchiffern verhandelt ...
Der Kloſtermaier ſchlug ein Kreuz, als woll' er ihm die weitere Rede wehren.
Ich kenn's von meiner Großmutter her, fuhr der Knecht fort. Die hat's im Elſaß drüben oft erzählen hören, wenn das Wetter über den Odilienberg ſauste. Aus dem Land Magonia kommt's hergeſegelt, das Nebelſchiff, weiß über die ſchwarzen Wolken, Faſolt und Mermuth ſitzen drinnen, die hageln die Körner aus den Halmen, wenn ihnen der Wetterzauberer Macht drüber gegeben, und heben unſer Getreide in's Luftſchiff hinauf und fahren wieder heim nach Magonia und zahlen einen guten Lohn.213) Das Nebelſchiff rufen trägt mehr ein als Meſſe leſen; uns aber bleiben die Hülſen.
Der Kloſtermaier ward nachdenklich. Dann griff er den Knecht am Kragen und ſchüttelte ihn.
Wer? rief er heftig.
Der Knecht aber legte den Finger auf den Mund. Es war ſpäte Nacht geworden.
In der gleichen Frühſtunde, da Cappan dem Ekkehard begegnet war, ging der Kloſtermaier mit dem Großknecht über die Felder, den Schaden zu beſchauen. Sie ſprachen kein Wort. Der Schaden war groß. Aber das Land jenſeits war minder verheert, als ob die Eichen des Waldes eine Grenzſcheide für Einſchlag des Hagels gezogen. Auf dem nahen Grundſtück trieb Cappan ſeine Arbeit. Er hatte das Stellen der Fallen beendet, und gedachte eine Weile zu ruhen. Er zog aus dem Gürtel ein Stück ſchwarz Brod und eine Speckſeite, die glänzte weich und weiß, wie friſchgefallener Schnee und war ſo ſchön, daß er mit Rührung ſeiner neuen Ehfrau gedenken mußte, die ihm ſolche Atzung zugeſteckt. Und er dachte an Allerlei, was ſich ſeit der Hochzeit zwiſchen ihm und ihr zugetragen, und ſchaute ſehnſüchtig zu den Lerchen empor, als ſollten ſie hinüberfliegen zur Kuppe des hohen Stoffeln und ihm Haus und Ehbett grüßen, und es ward ihm ſo wohl zu Muth, daß er wieder einen mächtigen Luftſprung that. Weil ſein ſchlankes Ehgemahl nicht anweſend, gedachte er ſich jetzt des lan-
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Sag's! rief er.
Habt Ihr die Wetterwolke geſehen, ſprach der Knecht, wie ſie
über's Dunkel hingefahren iſt? Was war's? Das Nebelſchiff war's!
Es hat Einer unſer Korn den Nebelſchiffern verhandelt ...
Der Kloſtermaier ſchlug ein Kreuz, als woll' er ihm die weitere
Rede wehren.
Ich kenn's von meiner Großmutter her, fuhr der Knecht fort.
Die hat's im Elſaß drüben oft erzählen hören, wenn das Wetter
über den Odilienberg ſauste. Aus dem Land Magonia kommt's
hergeſegelt, das Nebelſchiff, weiß über die ſchwarzen Wolken, Faſolt
und Mermuth ſitzen drinnen, die hageln die Körner aus den Halmen,
wenn ihnen der Wetterzauberer Macht drüber gegeben, und heben unſer
Getreide in's Luftſchiff hinauf und fahren wieder heim nach Magonia
und zahlen einen guten Lohn.
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Das Nebelſchiff rufen trägt mehr
ein als Meſſe leſen; uns aber bleiben die Hülſen.
Der Kloſtermaier ward nachdenklich. Dann griff er den Knecht
am Kragen und ſchüttelte ihn.
Wer? rief er heftig.
Der Knecht aber legte den Finger auf den Mund. Es war ſpäte
Nacht geworden.
In der gleichen Frühſtunde, da Cappan dem Ekkehard begegnet
war, ging der Kloſtermaier mit dem Großknecht über die Felder, den
Schaden zu beſchauen. Sie ſprachen kein Wort. Der Schaden war
groß. Aber das Land jenſeits war minder verheert, als ob die Eichen
des Waldes eine Grenzſcheide für Einſchlag des Hagels gezogen. Auf
dem nahen Grundſtück trieb Cappan ſeine Arbeit. Er hatte das
Stellen der Fallen beendet, und gedachte eine Weile zu ruhen. Er
zog aus dem Gürtel ein Stück ſchwarz Brod und eine Speckſeite, die
glänzte weich und weiß, wie friſchgefallener Schnee und war ſo ſchön,
daß er mit Rührung ſeiner neuen Ehfrau gedenken mußte, die ihm
ſolche Atzung zugeſteckt. Und er dachte an Allerlei, was ſich ſeit der
Hochzeit zwiſchen ihm und ihr zugetragen, und ſchaute ſehnſüchtig zu
den Lerchen empor, als ſollten ſie hinüberfliegen zur Kuppe des hohen
Stoffeln und ihm Haus und Ehbett grüßen, und es ward ihm ſo
wohl zu Muth, daß er wieder einen mächtigen Luftſprung that. Weil
ſein ſchlankes Ehgemahl nicht anweſend, gedachte er ſich jetzt des lan-
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Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855, S. 251. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffel_ekkehard_1855/273>, abgerufen am 29.11.2024.
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