Zutritt von der Schwarzaschlucht gesperrt war, nahm den Schild vom Rücken und richtete die Speere; mit wehendem Haupthaar stand er in der Umwallung und blies noch einmal auf dem großen Wächterhorn, erst zürnend und kampfschnaubend, dann weich und sänftlich, bis ein Pfeil in des Hornes Krümmung hineingellte. Ein Regen von Ge- schossen überdeckte ihn, und spickte seinen Schild, er schüttelte sie ab; da und dort klomm einer der Hunnen auf die Nagelfluhfelsen, ihm beizukommen, Romeias Speerwurf holte sie herunter, -- der Angriff mehrte sich, wild toste der Kampf, aber unverzagt sang Wiborad ihren Psalm:
Vertilge sie im Grimm, o Herr, vertilge sie, daß sie nicht mehr sind, damit man erkenne, daß Gott über Israel herrsche bis an die Grenzen der Erde, Sela ...
Soweit hatte Burkard des Kampfes Verlauf mit angeschaut, dann wandte er sich zur Flucht. Da wurden wir in der Waldburg sehr betrübt, und schickten noch in der Nacht eine Schaar aus, nach dem blinden Thieto zu schauen. Es war still auf dem Hügel der Klausne- rinnen wie sie heranschlichen; der Mond leuchtete auf die Körper er- schlagener Hunnen, da fanden die Brüder ...
Ein lautes Schluchzen unterbrach den Erzähler. Praxedis hielt sich mühsam an der Herzogin Lehnstuhl und weinte bitterlich.
... Da fanden sie, fuhr der Abt fort, des Romeias verstümmelten Leichnam; sein Haupt hatten die Feinde abgehauen und mitgeschleppt, er lag auf seinem Schild, den welken Strauß, seine Helmzier, krampf- haft geballt in der Rechten. Gott hab' ihn selig: weß Leib mit Treuen ein Ende nimmt, ein solcher dem Himmelreich geziemt! An Wiborads Laden klopften sie vergeblich, die Ziegel am Dach ihrer Klause waren zertrümmert, da stieg Einer auf's Dach und schaute hinab, vor dem kleinen Altar der Zelle lag die Klausnerin in ihrem Blut, drei Schwert- hiebe klafften auf dem Scheitel, der Herr hat sie gewürdigt, unter den Streichen der Heiden des Martyriums Krone zu erringen.
Die Anwesenden schwiegen bewegt. Auch Frau Hadwig war gerührt.
Ich hab' Euch der Seligen Schleier mitgebracht, sprach Cralo, geweiht vom Blut ihrer Wunden, Ihr mögt ihn in der Kapelle der Burg aufhängen. Nur Thieto der Blinde war unverletzt geblieben:
Zutritt von der Schwarzaſchlucht geſperrt war, nahm den Schild vom Rücken und richtete die Speere; mit wehendem Haupthaar ſtand er in der Umwallung und blies noch einmal auf dem großen Wächterhorn, erſt zürnend und kampfſchnaubend, dann weich und ſänftlich, bis ein Pfeil in des Hornes Krümmung hineingellte. Ein Regen von Ge- ſchoſſen überdeckte ihn, und ſpickte ſeinen Schild, er ſchüttelte ſie ab; da und dort klomm einer der Hunnen auf die Nagelfluhfelſen, ihm beizukommen, Romeias Speerwurf holte ſie herunter, — der Angriff mehrte ſich, wild toste der Kampf, aber unverzagt ſang Wiborad ihren Pſalm:
Vertilge ſie im Grimm, o Herr, vertilge ſie, daß ſie nicht mehr ſind, damit man erkenne, daß Gott über Israel herrſche bis an die Grenzen der Erde, Sela ...
Soweit hatte Burkard des Kampfes Verlauf mit angeſchaut, dann wandte er ſich zur Flucht. Da wurden wir in der Waldburg ſehr betrübt, und ſchickten noch in der Nacht eine Schaar aus, nach dem blinden Thieto zu ſchauen. Es war ſtill auf dem Hügel der Klausne- rinnen wie ſie heranſchlichen; der Mond leuchtete auf die Körper er- ſchlagener Hunnen, da fanden die Brüder ...
Ein lautes Schluchzen unterbrach den Erzähler. Praxedis hielt ſich mühſam an der Herzogin Lehnſtuhl und weinte bitterlich.
... Da fanden ſie, fuhr der Abt fort, des Romeias verſtümmelten Leichnam; ſein Haupt hatten die Feinde abgehauen und mitgeſchleppt, er lag auf ſeinem Schild, den welken Strauß, ſeine Helmzier, krampf- haft geballt in der Rechten. Gott hab' ihn ſelig: weß Leib mit Treuen ein Ende nimmt, ein ſolcher dem Himmelreich geziemt! An Wiborads Laden klopften ſie vergeblich, die Ziegel am Dach ihrer Klauſe waren zertrümmert, da ſtieg Einer auf's Dach und ſchaute hinab, vor dem kleinen Altar der Zelle lag die Klausnerin in ihrem Blut, drei Schwert- hiebe klafften auf dem Scheitel, der Herr hat ſie gewürdigt, unter den Streichen der Heiden des Martyriums Krone zu erringen.
Die Anweſenden ſchwiegen bewegt. Auch Frau Hadwig war gerührt.
Ich hab' Euch der Seligen Schleier mitgebracht, ſprach Cralo, geweiht vom Blut ihrer Wunden, Ihr mögt ihn in der Kapelle der Burg aufhängen. Nur Thieto der Blinde war unverletzt geblieben:
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Zutritt von der Schwarzaſchlucht geſperrt war, nahm den Schild vom
Rücken und richtete die Speere; mit wehendem Haupthaar ſtand er in
der Umwallung und blies noch einmal auf dem großen Wächterhorn,
erſt zürnend und kampfſchnaubend, dann weich und ſänftlich, bis ein
Pfeil in des Hornes Krümmung hineingellte. Ein Regen von Ge-
ſchoſſen überdeckte ihn, und ſpickte ſeinen Schild, er ſchüttelte ſie ab;
da und dort klomm einer der Hunnen auf die Nagelfluhfelſen, ihm
beizukommen, Romeias Speerwurf holte ſie herunter, — der Angriff
mehrte ſich, wild toste der Kampf, aber unverzagt ſang Wiborad ihren
Pſalm:
Vertilge ſie im Grimm, o Herr, vertilge ſie, daß ſie nicht mehr
ſind, damit man erkenne, daß Gott über Israel herrſche bis an die
Grenzen der Erde, Sela ...
Soweit hatte Burkard des Kampfes Verlauf mit angeſchaut, dann
wandte er ſich zur Flucht. Da wurden wir in der Waldburg ſehr
betrübt, und ſchickten noch in der Nacht eine Schaar aus, nach dem
blinden Thieto zu ſchauen. Es war ſtill auf dem Hügel der Klausne-
rinnen wie ſie heranſchlichen; der Mond leuchtete auf die Körper er-
ſchlagener Hunnen, da fanden die Brüder ...
Ein lautes Schluchzen unterbrach den Erzähler. Praxedis hielt ſich
mühſam an der Herzogin Lehnſtuhl und weinte bitterlich.
... Da fanden ſie, fuhr der Abt fort, des Romeias verſtümmelten
Leichnam; ſein Haupt hatten die Feinde abgehauen und mitgeſchleppt,
er lag auf ſeinem Schild, den welken Strauß, ſeine Helmzier, krampf-
haft geballt in der Rechten. Gott hab' ihn ſelig: weß Leib mit Treuen
ein Ende nimmt, ein ſolcher dem Himmelreich geziemt! An Wiborads
Laden klopften ſie vergeblich, die Ziegel am Dach ihrer Klauſe waren
zertrümmert, da ſtieg Einer auf's Dach und ſchaute hinab, vor dem
kleinen Altar der Zelle lag die Klausnerin in ihrem Blut, drei Schwert-
hiebe klafften auf dem Scheitel, der Herr hat ſie gewürdigt, unter den
Streichen der Heiden des Martyriums Krone zu erringen.
Die Anweſenden ſchwiegen bewegt. Auch Frau Hadwig war
gerührt.
Ich hab' Euch der Seligen Schleier mitgebracht, ſprach Cralo,
geweiht vom Blut ihrer Wunden, Ihr mögt ihn in der Kapelle der
Burg aufhängen. Nur Thieto der Blinde war unverletzt geblieben:
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Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855, S. 160. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffel_ekkehard_1855/182>, abgerufen am 25.11.2024.
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