für Einen, der seine ganze Kunst auf einsamer Stube erlernt. Ekke- hard schaute seine Rathgeberin lang und abmessend an. Es frommt mir nichts, sprach er, Ihr tragt keinen Königsmantel.
Da erbarmte sich die Griechin des zweifelerfüllten Künstlers. Wartet, sagte sie, die Frau Herzogin ist drunten im Garten, ich will ihren Staatsmantel umlegen, da kann Euch geholfen werden. Sie huschte fort; in wenig Minuten war sie wieder da, der schwere Pur- purmantel mit goldener Verbrämung hing ihr nachlässig um die Schultern. In gemessenem Schritt ging sie durch das Gemach, ein eherner Leuchter stand auf dem Tisch, sie nahm ihn wie einen Scepter, das Haupt auf die Schulter zurückgeworfen trat sie vor den Mönch.
Der hatte seine Feder ergriffen und ein Stücklein Pergament. Wendet Euch ein wenig gegen das Licht, sprach er, und begann emsig seine Striche zu ziehen.
Jedesmal aber wenn er nach seinem anmuthigen Vorbild schaute, warf ihm dies einen blitzenden Blick zu. Er zeichnete langsamer. Praxedis schaute nach dem Fenster: Und da unsere Nebenbuhlerin im Reich, sprach sie mit künstlich erhobener Stimme, bereits den Burg- hof verläßt und uns zu überfallen droht, so befehlen wir Euch bei Strafe der Enthauptung, Eure Zeichnung in eines Augenblicks Frist zu vollenden.
Ich danke Euch, sprach Ekkehard, und legte die Feder nieder.
Praxedis trat zu ihm und beugte sich vor, in sein Blatt zu sehen. Schändlicher Verrath, sprach sie, das Bild hat ja keinen Kopf.
Ich brauche nur den Faltenwurf, sagte Ekkehard.
Ihr habt Euer Glück versäumt, scherzte Praxedis im früheren Ton; das Antlitz treu abgebildet und wer weiß ob wir in fürstlicher Gnade Euch nicht zum Patriarchen von Constantinopel ernannt hätten.
Es wurden Schritte hörbar. Schnell riß Praxedis den Mantel von den Schultern, daß er auf den Arm niedersank. Schon stand die Herzogin vor den Beiden.
Wollt Ihr wieder Griechisch lernen? sprach sie vorwurfsvoll zu Ekkehard.
Ich hab' ihm den edeln Sardonyx an meiner Herrin Mantel Agraffe gezeigt; es ist so ein feingeschnittener Kopf, sagte Praxedis,
für Einen, der ſeine ganze Kunſt auf einſamer Stube erlernt. Ekke- hard ſchaute ſeine Rathgeberin lang und abmeſſend an. Es frommt mir nichts, ſprach er, Ihr tragt keinen Königsmantel.
Da erbarmte ſich die Griechin des zweifelerfüllten Künſtlers. Wartet, ſagte ſie, die Frau Herzogin iſt drunten im Garten, ich will ihren Staatsmantel umlegen, da kann Euch geholfen werden. Sie huſchte fort; in wenig Minuten war ſie wieder da, der ſchwere Pur- purmantel mit goldener Verbrämung hing ihr nachläſſig um die Schultern. In gemeſſenem Schritt ging ſie durch das Gemach, ein eherner Leuchter ſtand auf dem Tiſch, ſie nahm ihn wie einen Scepter, das Haupt auf die Schulter zurückgeworfen trat ſie vor den Mönch.
Der hatte ſeine Feder ergriffen und ein Stücklein Pergament. Wendet Euch ein wenig gegen das Licht, ſprach er, und begann emſig ſeine Striche zu ziehen.
Jedesmal aber wenn er nach ſeinem anmuthigen Vorbild ſchaute, warf ihm dies einen blitzenden Blick zu. Er zeichnete langſamer. Praxedis ſchaute nach dem Fenſter: Und da unſere Nebenbuhlerin im Reich, ſprach ſie mit künſtlich erhobener Stimme, bereits den Burg- hof verläßt und uns zu überfallen droht, ſo befehlen wir Euch bei Strafe der Enthauptung, Eure Zeichnung in eines Augenblicks Friſt zu vollenden.
Ich danke Euch, ſprach Ekkehard, und legte die Feder nieder.
Praxedis trat zu ihm und beugte ſich vor, in ſein Blatt zu ſehen. Schändlicher Verrath, ſprach ſie, das Bild hat ja keinen Kopf.
Ich brauche nur den Faltenwurf, ſagte Ekkehard.
Ihr habt Euer Glück verſäumt, ſcherzte Praxedis im früheren Ton; das Antlitz treu abgebildet und wer weiß ob wir in fürſtlicher Gnade Euch nicht zum Patriarchen von Conſtantinopel ernannt hätten.
Es wurden Schritte hörbar. Schnell riß Praxedis den Mantel von den Schultern, daß er auf den Arm niederſank. Schon ſtand die Herzogin vor den Beiden.
Wollt Ihr wieder Griechiſch lernen? ſprach ſie vorwurfsvoll zu Ekkehard.
Ich hab' ihm den edeln Sardonyx an meiner Herrin Mantel Agraffe gezeigt; es iſt ſo ein feingeſchnittener Kopf, ſagte Praxedis,
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hard ſchaute ſeine Rathgeberin lang und abmeſſend an. Es frommt
mir nichts, ſprach er, Ihr tragt keinen Königsmantel.
Da erbarmte ſich die Griechin des zweifelerfüllten Künſtlers.
Wartet, ſagte ſie, die Frau Herzogin iſt drunten im Garten, ich will
ihren Staatsmantel umlegen, da kann Euch geholfen werden. Sie
huſchte fort; in wenig Minuten war ſie wieder da, der ſchwere Pur-
purmantel mit goldener Verbrämung hing ihr nachläſſig um die
Schultern. In gemeſſenem Schritt ging ſie durch das Gemach, ein
eherner Leuchter ſtand auf dem Tiſch, ſie nahm ihn wie einen Scepter,
das Haupt auf die Schulter zurückgeworfen trat ſie vor den Mönch.
Der hatte ſeine Feder ergriffen und ein Stücklein Pergament.
Wendet Euch ein wenig gegen das Licht, ſprach er, und begann emſig
ſeine Striche zu ziehen.
Jedesmal aber wenn er nach ſeinem anmuthigen Vorbild ſchaute,
warf ihm dies einen blitzenden Blick zu. Er zeichnete langſamer.
Praxedis ſchaute nach dem Fenſter: Und da unſere Nebenbuhlerin im
Reich, ſprach ſie mit künſtlich erhobener Stimme, bereits den Burg-
hof verläßt und uns zu überfallen droht, ſo befehlen wir Euch bei
Strafe der Enthauptung, Eure Zeichnung in eines Augenblicks Friſt
zu vollenden.
Ich danke Euch, ſprach Ekkehard, und legte die Feder nieder.
Praxedis trat zu ihm und beugte ſich vor, in ſein Blatt zu ſehen.
Schändlicher Verrath, ſprach ſie, das Bild hat ja keinen Kopf.
Ich brauche nur den Faltenwurf, ſagte Ekkehard.
Ihr habt Euer Glück verſäumt, ſcherzte Praxedis im früheren
Ton; das Antlitz treu abgebildet und wer weiß ob wir in fürſtlicher
Gnade Euch nicht zum Patriarchen von Conſtantinopel ernannt hätten.
Es wurden Schritte hörbar. Schnell riß Praxedis den Mantel
von den Schultern, daß er auf den Arm niederſank. Schon ſtand
die Herzogin vor den Beiden.
Wollt Ihr wieder Griechiſch lernen? ſprach ſie vorwurfsvoll zu
Ekkehard.
Ich hab' ihm den edeln Sardonyx an meiner Herrin Mantel
Agraffe gezeigt; es iſt ſo ein feingeſchnittener Kopf, ſagte Praxedis,
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Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855, S. 122. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffel_ekkehard_1855/144>, abgerufen am 24.07.2024.
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