Krone und Scepter auf hohem Throne sitzend, ihr kommt Virgilius im weißen Gewand, den Lorbeer in den Locken, entgegen und neigt das Haupt; an der Rechten aber führt er den Ekkehard, der beschei- den wie der Schüler mit dem Lehrer einherschreitet, ebenfalls tief sich verneigend.
In der strengen Weise des trefflichen Folkard entwarf er die Zeichnung. Er erinnerte sich an ein Bild im Psalterbuch, wie der junge David vor den König Abimelech tritt.131) So ordnete er die Gestalten; die Herzogin zeichnete er zwei Fingerbreit höher als Vir- gilius und der Ekkehard des Entwurfs war hinwiederum ein beträcht- liches kleiner als der heidnische Poet; -- anfangende Kunst, der es an anderem Mittel des Ausdrucks gebricht, spricht Rang und Größe äußerlich aus.
Den Virgilius bracht' er leidlich zuwege. Sie hatten sich in Sanct Gallen bei ihren Malereien stets an Ueberlieferung alten Bil- derwerks gehalten und für Gewandung, Faltenwurf und Bezeichnung der Gestalt einen gleichmäßig sich wiederholenden Zug angenommen. Ebenso gelang es ihm mit seinem eigenen Abbild, sofern er wenig- stens eine Figur im Mönchshabit, kenntlich durch eine Tonsur, herstellte.
Aber ein verzweifelt Problema war ihm die richtige Darstellung einer königlichen Frauengestalt, denn in die klösterliche Kunst hatte noch kein Abbild einer Frau, selbst nicht das der Gottesmutter Maria Einlaß erhalten. David und Abimelech, die er so gut im Zug hatte, halfen ihm Nichts, bei ihnen brach der Königsmantel schon hoch über dem Knie ab und er wußte nicht, wie den Faltenwurf tiefer herabsenken.
Da lagerte sich wiederum Kümmerniß auf seine Stirn. Nun? fragte Praxedis eines Tages.
Das Lied ist fertig, sprach Ekkehard. Itzt fehlt mir was Anderes.
Was fehlt denn?
Ich sollte wissen, sprach er wehmüthig, in welcher Weise sich der Frauen Gewand um den zarten Leib schmiegt.
Ihr sprecht ja ganz abscheulich, erlesenes Gefäß der Tugend, schalt ihn Praxedis. Ekkehard aber erklärte ihr seinen Kummer deut- licher. Da machte die Griechin eine Handbewegung, als wolle sie die Augenlieder in die Höhe ziehen: Macht die Augen auf, sagte sie, und seht Euch das Leben an. Der Rath war einfach, und doch neu
Krone und Scepter auf hohem Throne ſitzend, ihr kommt Virgilius im weißen Gewand, den Lorbeer in den Locken, entgegen und neigt das Haupt; an der Rechten aber führt er den Ekkehard, der beſchei- den wie der Schüler mit dem Lehrer einherſchreitet, ebenfalls tief ſich verneigend.
In der ſtrengen Weiſe des trefflichen Folkard entwarf er die Zeichnung. Er erinnerte ſich an ein Bild im Pſalterbuch, wie der junge David vor den König Abimelech tritt.131) So ordnete er die Geſtalten; die Herzogin zeichnete er zwei Fingerbreit höher als Vir- gilius und der Ekkehard des Entwurfs war hinwiederum ein beträcht- liches kleiner als der heidniſche Poet; — anfangende Kunſt, der es an anderem Mittel des Ausdrucks gebricht, ſpricht Rang und Größe äußerlich aus.
Den Virgilius bracht' er leidlich zuwege. Sie hatten ſich in Sanct Gallen bei ihren Malereien ſtets an Ueberlieferung alten Bil- derwerks gehalten und für Gewandung, Faltenwurf und Bezeichnung der Geſtalt einen gleichmäßig ſich wiederholenden Zug angenommen. Ebenſo gelang es ihm mit ſeinem eigenen Abbild, ſofern er wenig- ſtens eine Figur im Mönchshabit, kenntlich durch eine Tonſur, herſtellte.
Aber ein verzweifelt Problema war ihm die richtige Darſtellung einer königlichen Frauengeſtalt, denn in die klöſterliche Kunſt hatte noch kein Abbild einer Frau, ſelbſt nicht das der Gottesmutter Maria Einlaß erhalten. David und Abimelech, die er ſo gut im Zug hatte, halfen ihm Nichts, bei ihnen brach der Königsmantel ſchon hoch über dem Knie ab und er wußte nicht, wie den Faltenwurf tiefer herabſenken.
Da lagerte ſich wiederum Kümmerniß auf ſeine Stirn. Nun? fragte Praxedis eines Tages.
Das Lied iſt fertig, ſprach Ekkehard. Itzt fehlt mir was Anderes.
Was fehlt denn?
Ich ſollte wiſſen, ſprach er wehmüthig, in welcher Weiſe ſich der Frauen Gewand um den zarten Leib ſchmiegt.
Ihr ſprecht ja ganz abſcheulich, erleſenes Gefäß der Tugend, ſchalt ihn Praxedis. Ekkehard aber erklärte ihr ſeinen Kummer deut- licher. Da machte die Griechin eine Handbewegung, als wolle ſie die Augenlieder in die Höhe ziehen: Macht die Augen auf, ſagte ſie, und ſeht Euch das Leben an. Der Rath war einfach, und doch neu
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Krone und Scepter auf hohem Throne ſitzend, ihr kommt Virgilius
im weißen Gewand, den Lorbeer in den Locken, entgegen und neigt
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den wie der Schüler mit dem Lehrer einherſchreitet, ebenfalls tief ſich
verneigend.
In der ſtrengen Weiſe des trefflichen Folkard entwarf er die
Zeichnung. Er erinnerte ſich an ein Bild im Pſalterbuch, wie der
junge David vor den König Abimelech tritt.
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So ordnete er die
Geſtalten; die Herzogin zeichnete er zwei Fingerbreit höher als Vir-
gilius und der Ekkehard des Entwurfs war hinwiederum ein beträcht-
liches kleiner als der heidniſche Poet; — anfangende Kunſt, der es
an anderem Mittel des Ausdrucks gebricht, ſpricht Rang und Größe
äußerlich aus.
Den Virgilius bracht' er leidlich zuwege. Sie hatten ſich in
Sanct Gallen bei ihren Malereien ſtets an Ueberlieferung alten Bil-
derwerks gehalten und für Gewandung, Faltenwurf und Bezeichnung
der Geſtalt einen gleichmäßig ſich wiederholenden Zug angenommen.
Ebenſo gelang es ihm mit ſeinem eigenen Abbild, ſofern er wenig-
ſtens eine Figur im Mönchshabit, kenntlich durch eine Tonſur, herſtellte.
Aber ein verzweifelt Problema war ihm die richtige Darſtellung
einer königlichen Frauengeſtalt, denn in die klöſterliche Kunſt hatte
noch kein Abbild einer Frau, ſelbſt nicht das der Gottesmutter Maria
Einlaß erhalten. David und Abimelech, die er ſo gut im Zug hatte,
halfen ihm Nichts, bei ihnen brach der Königsmantel ſchon hoch über
dem Knie ab und er wußte nicht, wie den Faltenwurf tiefer herabſenken.
Da lagerte ſich wiederum Kümmerniß auf ſeine Stirn. Nun?
fragte Praxedis eines Tages.
Das Lied iſt fertig, ſprach Ekkehard. Itzt fehlt mir was Anderes.
Was fehlt denn?
Ich ſollte wiſſen, ſprach er wehmüthig, in welcher Weiſe ſich der
Frauen Gewand um den zarten Leib ſchmiegt.
Ihr ſprecht ja ganz abſcheulich, erleſenes Gefäß der Tugend,
ſchalt ihn Praxedis. Ekkehard aber erklärte ihr ſeinen Kummer deut-
licher. Da machte die Griechin eine Handbewegung, als wolle ſie
die Augenlieder in die Höhe ziehen: Macht die Augen auf, ſagte ſie,
und ſeht Euch das Leben an. Der Rath war einfach, und doch neu
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Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855, S. 121. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffel_ekkehard_1855/143>, abgerufen am 24.11.2024.
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