Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855.

Bild:
<< vorherige Seite

außer daß Bier getrunken wird. Wir kennen das. Was haltet Ihr
von der Sache, frommer Ekkehard?

Aberglaube! sprach der Gefragte, den der böse Feind noch immer
in abtrünnige Gemüther säet. Ich hab' in unsern Büchern gelesen
von den Werken der Heiden, wie sie im Dunkel der Wälder, an ein-
samen Wegscheiden und Quellen und selbst an den dunkeln Gräbern
der Todten ihre zaubrischen Listen treiben.

Sie sind keine Heiden mehr, sagte Frau Hadwig. Ein Jeder ist
getauft und seinem Pfarrherrn zugewiesen. Aber es lebt noch ein
Stück alte Erinnerung in ihnen, die ist sinnlos geworden und zieht
sich doch durch ihr Denken und Thun, gleich dem Rhein, wenn er in
Winterszeit tief unter des Bodensee's Eisdecke geräuschlos weiter fließt.
Was wollt Ihr mit ihnen beginnen?

Vertilgen! sprach Ekkehard. Wer seinen Christenglauben bricht
und dem Gelübde seiner Taufe untreu wird, soll fahren in die ewige
Verdammniß.

Halt an, junger Eiferer, sagte Frau Hadwig; meinen hegauer
Mannen sollt Ihr darum das Haupt noch nicht abschlagen, daß sie
die erste Nacht des Herbstmonats lieber auf dem kalten hohen Krähen
sitzen als auf ihrem Strohlager schlafen. Sie thun doch was sie
müssen, und schon im Heerbann des großen Kaiser Karl haben sie
dereinst gegen die heidnischen Sachsen gefochten, als wär' ein Jeder
zum erlesenen Rüstzeug der Kirche geweiht.

Mit dem Teufel, rief Ekkehard hochfahrend, ist kein Friede. Wollet
Ihr lau im Glauben sein, Herrin?

Im Regieren einer Landschaft, sprach sie mit leisem Spott, lernt
sich Manches, das in Euren Büchern nicht steht. Wißt Ihr auch,
daß der Schwache wirksamer durch seine Schwäche geschlagen wird, als
durch die Schneide des Schwerts? Wie der heilige Gallus einst in
die Trümmer von Bregenz drüben einzog, da lag der heiligen Aurelia
Altar zerstört, drei eherne Götzenbilder stunden aufgerichtet; um den
großen Bierkessel, der niemals fehlen darf, so oft man hierlands in
alter Weise fromm sein will, saßen sie und tranken. Der heilige
Gall hat Keinem ein Leides gethan, aber ihre Bilder hat er in Stücke
geschlagen und hinausgeschleudert, daß sie zischend einfuhren in's grüne
Gewoge des Sees, und in ihren Bierkessel hat er ein Loch gehaucht

außer daß Bier getrunken wird. Wir kennen das. Was haltet Ihr
von der Sache, frommer Ekkehard?

Aberglaube! ſprach der Gefragte, den der böſe Feind noch immer
in abtrünnige Gemüther ſäet. Ich hab' in unſern Büchern geleſen
von den Werken der Heiden, wie ſie im Dunkel der Wälder, an ein-
ſamen Wegſcheiden und Quellen und ſelbſt an den dunkeln Gräbern
der Todten ihre zaubriſchen Liſten treiben.

Sie ſind keine Heiden mehr, ſagte Frau Hadwig. Ein Jeder iſt
getauft und ſeinem Pfarrherrn zugewieſen. Aber es lebt noch ein
Stück alte Erinnerung in ihnen, die iſt ſinnlos geworden und zieht
ſich doch durch ihr Denken und Thun, gleich dem Rhein, wenn er in
Winterszeit tief unter des Bodenſee's Eisdecke geräuſchlos weiter fließt.
Was wollt Ihr mit ihnen beginnen?

Vertilgen! ſprach Ekkehard. Wer ſeinen Chriſtenglauben bricht
und dem Gelübde ſeiner Taufe untreu wird, ſoll fahren in die ewige
Verdammniß.

Halt an, junger Eiferer, ſagte Frau Hadwig; meinen hegauer
Mannen ſollt Ihr darum das Haupt noch nicht abſchlagen, daß ſie
die erſte Nacht des Herbſtmonats lieber auf dem kalten hohen Krähen
ſitzen als auf ihrem Strohlager ſchlafen. Sie thun doch was ſie
müſſen, und ſchon im Heerbann des großen Kaiſer Karl haben ſie
dereinſt gegen die heidniſchen Sachſen gefochten, als wär' ein Jeder
zum erleſenen Rüſtzeug der Kirche geweiht.

Mit dem Teufel, rief Ekkehard hochfahrend, iſt kein Friede. Wollet
Ihr lau im Glauben ſein, Herrin?

Im Regieren einer Landſchaft, ſprach ſie mit leiſem Spott, lernt
ſich Manches, das in Euren Büchern nicht ſteht. Wißt Ihr auch,
daß der Schwache wirkſamer durch ſeine Schwäche geſchlagen wird, als
durch die Schneide des Schwerts? Wie der heilige Gallus einſt in
die Trümmer von Bregenz drüben einzog, da lag der heiligen Aurelia
Altar zerſtört, drei eherne Götzenbilder ſtunden aufgerichtet; um den
großen Bierkeſſel, der niemals fehlen darf, ſo oft man hierlands in
alter Weiſe fromm ſein will, ſaßen ſie und tranken. Der heilige
Gall hat Keinem ein Leides gethan, aber ihre Bilder hat er in Stücke
geſchlagen und hinausgeſchleudert, daß ſie ziſchend einfuhren in's grüne
Gewoge des Sees, und in ihren Bierkeſſel hat er ein Loch gehaucht

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0124" n="102"/>
außer daß Bier getrunken wird. Wir kennen das. Was haltet Ihr<lb/>
von der Sache, frommer Ekkehard?</p><lb/>
        <p>Aberglaube! &#x017F;prach der Gefragte, den der bö&#x017F;e Feind noch immer<lb/>
in abtrünnige Gemüther &#x017F;äet. Ich hab' in un&#x017F;ern Büchern gele&#x017F;en<lb/>
von den Werken der Heiden, wie &#x017F;ie im Dunkel der Wälder, an ein-<lb/>
&#x017F;amen Weg&#x017F;cheiden und Quellen und &#x017F;elb&#x017F;t an den dunkeln Gräbern<lb/>
der Todten ihre zaubri&#x017F;chen Li&#x017F;ten treiben.</p><lb/>
        <p>Sie &#x017F;ind keine Heiden mehr, &#x017F;agte Frau Hadwig. Ein Jeder i&#x017F;t<lb/>
getauft und &#x017F;einem Pfarrherrn zugewie&#x017F;en. Aber es lebt noch ein<lb/>
Stück alte Erinnerung in ihnen, die i&#x017F;t &#x017F;innlos geworden und zieht<lb/>
&#x017F;ich doch durch ihr Denken und Thun, gleich dem Rhein, wenn er in<lb/>
Winterszeit tief unter des Boden&#x017F;ee's Eisdecke geräu&#x017F;chlos weiter fließt.<lb/>
Was wollt Ihr mit ihnen beginnen?</p><lb/>
        <p>Vertilgen! &#x017F;prach Ekkehard. Wer &#x017F;einen Chri&#x017F;tenglauben bricht<lb/>
und dem Gelübde &#x017F;einer Taufe untreu wird, &#x017F;oll fahren in die ewige<lb/>
Verdammniß.</p><lb/>
        <p>Halt an, junger Eiferer, &#x017F;agte Frau Hadwig; meinen hegauer<lb/>
Mannen &#x017F;ollt Ihr darum das Haupt noch nicht ab&#x017F;chlagen, daß &#x017F;ie<lb/>
die er&#x017F;te Nacht des Herb&#x017F;tmonats lieber auf dem kalten hohen Krähen<lb/>
&#x017F;itzen als auf ihrem Strohlager &#x017F;chlafen. Sie thun doch was &#x017F;ie<lb/>&#x017F;&#x017F;en, und &#x017F;chon im Heerbann des großen Kai&#x017F;er Karl haben &#x017F;ie<lb/>
derein&#x017F;t gegen die heidni&#x017F;chen Sach&#x017F;en gefochten, als wär' ein Jeder<lb/>
zum erle&#x017F;enen Rü&#x017F;tzeug der Kirche geweiht.</p><lb/>
        <p>Mit dem Teufel, rief Ekkehard hochfahrend, i&#x017F;t kein Friede. Wollet<lb/>
Ihr lau im Glauben &#x017F;ein, Herrin?</p><lb/>
        <p>Im Regieren einer Land&#x017F;chaft, &#x017F;prach &#x017F;ie mit lei&#x017F;em Spott, lernt<lb/>
&#x017F;ich Manches, das in Euren Büchern nicht &#x017F;teht. Wißt Ihr auch,<lb/>
daß der Schwache wirk&#x017F;amer durch &#x017F;eine Schwäche ge&#x017F;chlagen wird, als<lb/>
durch die Schneide des Schwerts? Wie der heilige Gallus ein&#x017F;t in<lb/>
die Trümmer von Bregenz drüben einzog, da lag der heiligen Aurelia<lb/>
Altar zer&#x017F;tört, drei eherne Götzenbilder &#x017F;tunden aufgerichtet; um den<lb/>
großen Bierke&#x017F;&#x017F;el, der niemals fehlen darf, &#x017F;o oft man hierlands in<lb/>
alter Wei&#x017F;e fromm &#x017F;ein will, &#x017F;aßen &#x017F;ie und tranken. Der heilige<lb/>
Gall hat Keinem ein Leides gethan, aber ihre Bilder hat er in Stücke<lb/>
ge&#x017F;chlagen und hinausge&#x017F;chleudert, daß &#x017F;ie zi&#x017F;chend einfuhren in's grüne<lb/>
Gewoge des Sees, und in ihren Bierke&#x017F;&#x017F;el hat er ein Loch gehaucht<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[102/0124] außer daß Bier getrunken wird. Wir kennen das. Was haltet Ihr von der Sache, frommer Ekkehard? Aberglaube! ſprach der Gefragte, den der böſe Feind noch immer in abtrünnige Gemüther ſäet. Ich hab' in unſern Büchern geleſen von den Werken der Heiden, wie ſie im Dunkel der Wälder, an ein- ſamen Wegſcheiden und Quellen und ſelbſt an den dunkeln Gräbern der Todten ihre zaubriſchen Liſten treiben. Sie ſind keine Heiden mehr, ſagte Frau Hadwig. Ein Jeder iſt getauft und ſeinem Pfarrherrn zugewieſen. Aber es lebt noch ein Stück alte Erinnerung in ihnen, die iſt ſinnlos geworden und zieht ſich doch durch ihr Denken und Thun, gleich dem Rhein, wenn er in Winterszeit tief unter des Bodenſee's Eisdecke geräuſchlos weiter fließt. Was wollt Ihr mit ihnen beginnen? Vertilgen! ſprach Ekkehard. Wer ſeinen Chriſtenglauben bricht und dem Gelübde ſeiner Taufe untreu wird, ſoll fahren in die ewige Verdammniß. Halt an, junger Eiferer, ſagte Frau Hadwig; meinen hegauer Mannen ſollt Ihr darum das Haupt noch nicht abſchlagen, daß ſie die erſte Nacht des Herbſtmonats lieber auf dem kalten hohen Krähen ſitzen als auf ihrem Strohlager ſchlafen. Sie thun doch was ſie müſſen, und ſchon im Heerbann des großen Kaiſer Karl haben ſie dereinſt gegen die heidniſchen Sachſen gefochten, als wär' ein Jeder zum erleſenen Rüſtzeug der Kirche geweiht. Mit dem Teufel, rief Ekkehard hochfahrend, iſt kein Friede. Wollet Ihr lau im Glauben ſein, Herrin? Im Regieren einer Landſchaft, ſprach ſie mit leiſem Spott, lernt ſich Manches, das in Euren Büchern nicht ſteht. Wißt Ihr auch, daß der Schwache wirkſamer durch ſeine Schwäche geſchlagen wird, als durch die Schneide des Schwerts? Wie der heilige Gallus einſt in die Trümmer von Bregenz drüben einzog, da lag der heiligen Aurelia Altar zerſtört, drei eherne Götzenbilder ſtunden aufgerichtet; um den großen Bierkeſſel, der niemals fehlen darf, ſo oft man hierlands in alter Weiſe fromm ſein will, ſaßen ſie und tranken. Der heilige Gall hat Keinem ein Leides gethan, aber ihre Bilder hat er in Stücke geſchlagen und hinausgeſchleudert, daß ſie ziſchend einfuhren in's grüne Gewoge des Sees, und in ihren Bierkeſſel hat er ein Loch gehaucht

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/scheffel_ekkehard_1855
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/scheffel_ekkehard_1855/124
Zitationshilfe: Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855, S. 102. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffel_ekkehard_1855/124>, abgerufen am 24.11.2024.