In seiner Ziegen Hut war er säumig. Eine seiner Untergebenen verlief sich, nach den platten Hügeln hin, die den Lauf des dem Bo- densee entströmenden Rheines umsäumen. Da ging er, sie zu suchen; einen Tag blieb er aus, dann kehrte er mit der Entronnenen zurück.
Hadumoth freute sich des Erfolges, der ihrem Gefährten Schläge ersparte. Der Winter kam mälig heran, die Thiere blieben im Stall. Eines Tages saßen die Kinder am Kaminfeuer in der Knechtstube. Sie waren allein.
Du denkst noch immer an Schatz und Spruch? sagte Hadumoth. Da zog sie Audifax geheimnißvoll zu sich: Der heilige Mann hat doch den rechten Gott! sprach er.
Warum? frug Hadumoth.
Er ging in seine Kammer hinüber; im Stroh seines Lagers hatte er allerhand Gestein untergebracht, er griff einen heraus und brachte ihn herüber: Schau an! sprach er. Es war ein glimmeriger grauer Schieferstein, er umschloß die Reste eines Fisches, in zartem Umriß waren Haupt, Flossen und Gräthen dem Schiefer eingedrückt. Den hab' ich drüben am Schiener Berg123) mitgenommen, da ich die Ziege suchen ging. Der muß von der Fluth sein, von der der Vater Vin- centius einmal gepredigt hat, und die Fluth hat der Herr Himmels und der Erde über die Welt gehen lassen, da er den Noah das große Schiff bauen hieß, davon weiß die Waldfrau nichts.
Hadumoth wurde nachdenklich: Dann ist die Waldfrau Schuld, daß uns die Sterne nicht in Schooß gefallen sind, wir wollen sie beim heiligen Mann verklagen.
Da gingen die Beiden zu Ekkehard und berichteten ihm, was in jener Nacht auf dem Hohenkrähen vorgegangen. Er hörte sie freund- lich an. Des Abends erzählte er's der Herzogin. Frau Hadwig lächelte.
Sie haben einen seltsamen Geschmack, meine treuen Unterthanen, sprach sie. Ueberall sind ihnen schmucke Kirchen gebaut, sanft und eindringlich wird das Wort Gottes verkündet, stattlicher Gesang, große Feste, Bitt- gänge mit Kreuz und Fahnen durch wogendes Kornfeld und Flur, -- und doch ist's nicht genug. Da müssen sie noch in kalter Nacht auf ihren Berggipfeln sitzen, und wissen selber nicht, was sie dort treiben,
In ſeiner Ziegen Hut war er ſäumig. Eine ſeiner Untergebenen verlief ſich, nach den platten Hügeln hin, die den Lauf des dem Bo- denſee entſtrömenden Rheines umſäumen. Da ging er, ſie zu ſuchen; einen Tag blieb er aus, dann kehrte er mit der Entronnenen zurück.
Hadumoth freute ſich des Erfolges, der ihrem Gefährten Schläge erſparte. Der Winter kam mälig heran, die Thiere blieben im Stall. Eines Tages ſaßen die Kinder am Kaminfeuer in der Knechtſtube. Sie waren allein.
Du denkſt noch immer an Schatz und Spruch? ſagte Hadumoth. Da zog ſie Audifax geheimnißvoll zu ſich: Der heilige Mann hat doch den rechten Gott! ſprach er.
Warum? frug Hadumoth.
Er ging in ſeine Kammer hinüber; im Stroh ſeines Lagers hatte er allerhand Geſtein untergebracht, er griff einen heraus und brachte ihn herüber: Schau an! ſprach er. Es war ein glimmeriger grauer Schieferſtein, er umſchloß die Reſte eines Fiſches, in zartem Umriß waren Haupt, Floſſen und Gräthen dem Schiefer eingedrückt. Den hab' ich drüben am Schiener Berg123) mitgenommen, da ich die Ziege ſuchen ging. Der muß von der Fluth ſein, von der der Vater Vin- centius einmal gepredigt hat, und die Fluth hat der Herr Himmels und der Erde über die Welt gehen laſſen, da er den Noah das große Schiff bauen hieß, davon weiß die Waldfrau nichts.
Hadumoth wurde nachdenklich: Dann iſt die Waldfrau Schuld, daß uns die Sterne nicht in Schooß gefallen ſind, wir wollen ſie beim heiligen Mann verklagen.
Da gingen die Beiden zu Ekkehard und berichteten ihm, was in jener Nacht auf dem Hohenkrähen vorgegangen. Er hörte ſie freund- lich an. Des Abends erzählte er's der Herzogin. Frau Hadwig lächelte.
Sie haben einen ſeltſamen Geſchmack, meine treuen Unterthanen, ſprach ſie. Ueberall ſind ihnen ſchmucke Kirchen gebaut, ſanft und eindringlich wird das Wort Gottes verkündet, ſtattlicher Geſang, große Feſte, Bitt- gänge mit Kreuz und Fahnen durch wogendes Kornfeld und Flur, — und doch iſt's nicht genug. Da müſſen ſie noch in kalter Nacht auf ihren Berggipfeln ſitzen, und wiſſen ſelber nicht, was ſie dort treiben,
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In ſeiner Ziegen Hut war er ſäumig. Eine ſeiner Untergebenen
verlief ſich, nach den platten Hügeln hin, die den Lauf des dem Bo-
denſee entſtrömenden Rheines umſäumen. Da ging er, ſie zu ſuchen;
einen Tag blieb er aus, dann kehrte er mit der Entronnenen zurück.
Hadumoth freute ſich des Erfolges, der ihrem Gefährten Schläge
erſparte. Der Winter kam mälig heran, die Thiere blieben im Stall.
Eines Tages ſaßen die Kinder am Kaminfeuer in der Knechtſtube.
Sie waren allein.
Du denkſt noch immer an Schatz und Spruch? ſagte Hadumoth.
Da zog ſie Audifax geheimnißvoll zu ſich: Der heilige Mann hat doch
den rechten Gott! ſprach er.
Warum? frug Hadumoth.
Er ging in ſeine Kammer hinüber; im Stroh ſeines Lagers hatte
er allerhand Geſtein untergebracht, er griff einen heraus und brachte
ihn herüber: Schau an! ſprach er. Es war ein glimmeriger grauer
Schieferſtein, er umſchloß die Reſte eines Fiſches, in zartem Umriß
waren Haupt, Floſſen und Gräthen dem Schiefer eingedrückt. Den
hab' ich drüben am Schiener Berg
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mitgenommen, da ich die Ziege
ſuchen ging. Der muß von der Fluth ſein, von der der Vater Vin-
centius einmal gepredigt hat, und die Fluth hat der Herr Himmels
und der Erde über die Welt gehen laſſen, da er den Noah das große
Schiff bauen hieß, davon weiß die Waldfrau nichts.
Hadumoth wurde nachdenklich: Dann iſt die Waldfrau Schuld,
daß uns die Sterne nicht in Schooß gefallen ſind, wir wollen ſie beim
heiligen Mann verklagen.
Da gingen die Beiden zu Ekkehard und berichteten ihm, was in
jener Nacht auf dem Hohenkrähen vorgegangen. Er hörte ſie freund-
lich an. Des Abends erzählte er's der Herzogin. Frau Hadwig
lächelte.
Sie haben einen ſeltſamen Geſchmack, meine treuen Unterthanen, ſprach
ſie. Ueberall ſind ihnen ſchmucke Kirchen gebaut, ſanft und eindringlich
wird das Wort Gottes verkündet, ſtattlicher Geſang, große Feſte, Bitt-
gänge mit Kreuz und Fahnen durch wogendes Kornfeld und Flur, —
und doch iſt's nicht genug. Da müſſen ſie noch in kalter Nacht auf
ihren Berggipfeln ſitzen, und wiſſen ſelber nicht, was ſie dort treiben,
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Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855, S. 101. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffel_ekkehard_1855/123>, abgerufen am 21.11.2024.
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