Ich aber versteh ihn, und darum muß ich weinen, sprach Audifax. Es ist schon viele Wochen her, da bin ich drüben gesessen auf dem Felsen im Thale, da ist's zuerst in mich gezogen, ich kann nicht sagen wie, aber es muß aus der Tiefe gekommen sein, jetzt ist mir's oft, als wär' Aug und Ohr anders geworden, und in den Händen flim- merts wie fliegende Funken; wenn ich über's Feld geh', so hör' ich's unter meinen Füßen rieseln, als flösse ein Quell unten, wenn ich am Fels steh', so sehe ich durch's Gestein, da ziehen viel Arme und Adern hinunter, und drunten hämmert's und pocht's, das müssen die Zwerge sein, von denen der Großvater erzählt hat, und von ganz unten leuchtet ein glührother Schein empor ... Hadumoth, ich muß einen großen Schatz finden, und weil ich ihn nicht finden kann, drum weine ich.
Hadumoth schlug ein Kreuz. Dir ist was angethan worden, sprach sie. Du hast nach Sonnenuntergang auf dem Boden geschlafen, da hat Einer der Unterirdischen Macht über dich bekommen ... Wart', ich weiß dir was besseres als Weinen.
Sie sprang den Berg hinauf, in Kurzem kam sie wieder herab und hatte ein Töpflein mit Wasser und ein Stücklein Seife, das ihr Praxedis einst geschenkt, und etliche Strohhalme. Und sie schlug einen hellen Schaum auf, nahm sich einen Halm, gab dem Audifax einen und sprach: Laß uns mit Seifenblasen spielen, wie ehedem. Weißt du noch, wie wir beisammen saßen und um die Wette geblasen haben, und zuletzt konnten wir's so schön, daß sie groß und farbig über's Thal flogen und glänzten wie ein Regenbogen, und 's war schier zum weinen, wenn sie platzten ...
Audifax hatte schweigend den Strohhalm genommen, duftig wie Thautropfen hing der Seifenschaum am Ende, er hielt ihn in die Luft hinaus, die Sonne glänzte drauf.
Weißt du auch, Audifax, fuhr die Hirtin fort, was du einmal ge- sagt hast, wie wir unsern Schaum verblasen hatten und es war Abend und Nacht worden, und die Sterne zogen am Himmel auf? Das sind auch Seifenblasen, hast du gesagt, der liebe Gott sitzt auf einem hohen Berge, der bläst sie und kann's besser als wir ...
Das weiß ich nicht mehr, sprach Audifax.
Er neigte sein Haupt zur Brust herab und fing wiederum an zu weinen. Wie muß ich's anfangen, daß ich den Schatz gewinne? klagte er.
Ich aber verſteh ihn, und darum muß ich weinen, ſprach Audifax. Es iſt ſchon viele Wochen her, da bin ich drüben geſeſſen auf dem Felſen im Thale, da iſt's zuerſt in mich gezogen, ich kann nicht ſagen wie, aber es muß aus der Tiefe gekommen ſein, jetzt iſt mir's oft, als wär' Aug und Ohr anders geworden, und in den Händen flim- merts wie fliegende Funken; wenn ich über's Feld geh', ſo hör' ich's unter meinen Füßen rieſeln, als flöſſe ein Quell unten, wenn ich am Fels ſteh', ſo ſehe ich durch's Geſtein, da ziehen viel Arme und Adern hinunter, und drunten hämmert's und pocht's, das müſſen die Zwerge ſein, von denen der Großvater erzählt hat, und von ganz unten leuchtet ein glührother Schein empor ... Hadumoth, ich muß einen großen Schatz finden, und weil ich ihn nicht finden kann, drum weine ich.
Hadumoth ſchlug ein Kreuz. Dir iſt was angethan worden, ſprach ſie. Du haſt nach Sonnenuntergang auf dem Boden geſchlafen, da hat Einer der Unterirdiſchen Macht über dich bekommen ... Wart', ich weiß dir was beſſeres als Weinen.
Sie ſprang den Berg hinauf, in Kurzem kam ſie wieder herab und hatte ein Töpflein mit Waſſer und ein Stücklein Seife, das ihr Praxedis einſt geſchenkt, und etliche Strohhalme. Und ſie ſchlug einen hellen Schaum auf, nahm ſich einen Halm, gab dem Audifax einen und ſprach: Laß uns mit Seifenblaſen ſpielen, wie ehedem. Weißt du noch, wie wir beiſammen ſaßen und um die Wette geblaſen haben, und zuletzt konnten wir's ſo ſchön, daß ſie groß und farbig über's Thal flogen und glänzten wie ein Regenbogen, und 's war ſchier zum weinen, wenn ſie platzten ...
Audifax hatte ſchweigend den Strohhalm genommen, duftig wie Thautropfen hing der Seifenſchaum am Ende, er hielt ihn in die Luft hinaus, die Sonne glänzte drauf.
Weißt du auch, Audifax, fuhr die Hirtin fort, was du einmal ge- ſagt haſt, wie wir unſern Schaum verblaſen hatten und es war Abend und Nacht worden, und die Sterne zogen am Himmel auf? Das ſind auch Seifenblaſen, haſt du geſagt, der liebe Gott ſitzt auf einem hohen Berge, der bläst ſie und kann's beſſer als wir ...
Das weiß ich nicht mehr, ſprach Audifax.
Er neigte ſein Haupt zur Bruſt herab und fing wiederum an zu weinen. Wie muß ich's anfangen, daß ich den Schatz gewinne? klagte er.
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0113"n="91"/><p>Ich aber verſteh ihn, und darum muß ich weinen, ſprach Audifax.<lb/>
Es iſt ſchon viele Wochen her, da bin ich drüben geſeſſen auf dem<lb/>
Felſen im Thale, da iſt's zuerſt in mich gezogen, ich kann nicht ſagen<lb/>
wie, aber es muß aus der Tiefe gekommen ſein, jetzt iſt mir's oft,<lb/>
als wär' Aug und Ohr anders geworden, und in den Händen flim-<lb/>
merts wie fliegende Funken; wenn ich über's Feld geh', ſo hör' ich's<lb/>
unter meinen Füßen rieſeln, als flöſſe ein Quell unten, wenn ich am<lb/>
Fels ſteh', ſo ſehe ich durch's Geſtein, da ziehen viel Arme und Adern<lb/>
hinunter, und drunten hämmert's und pocht's, das müſſen die Zwerge<lb/>ſein, von denen der Großvater erzählt hat, und von ganz unten leuchtet<lb/>
ein glührother Schein empor ... Hadumoth, ich muß einen großen<lb/>
Schatz finden, und weil ich ihn nicht finden kann, drum weine ich.</p><lb/><p>Hadumoth ſchlug ein Kreuz. Dir iſt was angethan worden, ſprach<lb/>ſie. Du haſt nach Sonnenuntergang auf dem Boden geſchlafen, da<lb/>
hat Einer der Unterirdiſchen Macht über dich bekommen ... Wart',<lb/>
ich weiß dir was beſſeres als Weinen.</p><lb/><p>Sie ſprang den Berg hinauf, in Kurzem kam ſie wieder herab<lb/>
und hatte ein Töpflein mit Waſſer und ein Stücklein Seife, das ihr<lb/>
Praxedis einſt geſchenkt, und etliche Strohhalme. Und ſie ſchlug einen<lb/>
hellen Schaum auf, nahm ſich einen Halm, gab dem Audifax einen<lb/>
und ſprach: Laß uns mit Seifenblaſen ſpielen, wie ehedem. Weißt<lb/>
du noch, wie wir beiſammen ſaßen und um die Wette geblaſen haben,<lb/>
und zuletzt konnten wir's ſo ſchön, daß ſie groß und farbig über's<lb/>
Thal flogen und glänzten wie ein Regenbogen, und 's war ſchier<lb/>
zum weinen, wenn ſie platzten ...</p><lb/><p>Audifax hatte ſchweigend den Strohhalm genommen, duftig wie<lb/>
Thautropfen hing der Seifenſchaum am Ende, er hielt ihn in die Luft<lb/>
hinaus, die Sonne glänzte drauf.</p><lb/><p>Weißt du auch, Audifax, fuhr die Hirtin fort, was du einmal ge-<lb/>ſagt haſt, wie wir unſern Schaum verblaſen hatten und es war Abend<lb/>
und Nacht worden, und die Sterne zogen am Himmel auf? Das ſind<lb/>
auch Seifenblaſen, haſt du geſagt, der liebe Gott ſitzt auf einem hohen<lb/>
Berge, der bläst ſie und kann's beſſer als wir ...</p><lb/><p>Das weiß ich nicht mehr, ſprach Audifax.</p><lb/><p>Er neigte ſein Haupt zur Bruſt herab und fing wiederum an zu<lb/>
weinen. Wie muß ich's anfangen, daß ich den Schatz gewinne? klagte er.</p><lb/></div></body></text></TEI>
[91/0113]
Ich aber verſteh ihn, und darum muß ich weinen, ſprach Audifax.
Es iſt ſchon viele Wochen her, da bin ich drüben geſeſſen auf dem
Felſen im Thale, da iſt's zuerſt in mich gezogen, ich kann nicht ſagen
wie, aber es muß aus der Tiefe gekommen ſein, jetzt iſt mir's oft,
als wär' Aug und Ohr anders geworden, und in den Händen flim-
merts wie fliegende Funken; wenn ich über's Feld geh', ſo hör' ich's
unter meinen Füßen rieſeln, als flöſſe ein Quell unten, wenn ich am
Fels ſteh', ſo ſehe ich durch's Geſtein, da ziehen viel Arme und Adern
hinunter, und drunten hämmert's und pocht's, das müſſen die Zwerge
ſein, von denen der Großvater erzählt hat, und von ganz unten leuchtet
ein glührother Schein empor ... Hadumoth, ich muß einen großen
Schatz finden, und weil ich ihn nicht finden kann, drum weine ich.
Hadumoth ſchlug ein Kreuz. Dir iſt was angethan worden, ſprach
ſie. Du haſt nach Sonnenuntergang auf dem Boden geſchlafen, da
hat Einer der Unterirdiſchen Macht über dich bekommen ... Wart',
ich weiß dir was beſſeres als Weinen.
Sie ſprang den Berg hinauf, in Kurzem kam ſie wieder herab
und hatte ein Töpflein mit Waſſer und ein Stücklein Seife, das ihr
Praxedis einſt geſchenkt, und etliche Strohhalme. Und ſie ſchlug einen
hellen Schaum auf, nahm ſich einen Halm, gab dem Audifax einen
und ſprach: Laß uns mit Seifenblaſen ſpielen, wie ehedem. Weißt
du noch, wie wir beiſammen ſaßen und um die Wette geblaſen haben,
und zuletzt konnten wir's ſo ſchön, daß ſie groß und farbig über's
Thal flogen und glänzten wie ein Regenbogen, und 's war ſchier
zum weinen, wenn ſie platzten ...
Audifax hatte ſchweigend den Strohhalm genommen, duftig wie
Thautropfen hing der Seifenſchaum am Ende, er hielt ihn in die Luft
hinaus, die Sonne glänzte drauf.
Weißt du auch, Audifax, fuhr die Hirtin fort, was du einmal ge-
ſagt haſt, wie wir unſern Schaum verblaſen hatten und es war Abend
und Nacht worden, und die Sterne zogen am Himmel auf? Das ſind
auch Seifenblaſen, haſt du geſagt, der liebe Gott ſitzt auf einem hohen
Berge, der bläst ſie und kann's beſſer als wir ...
Das weiß ich nicht mehr, ſprach Audifax.
Er neigte ſein Haupt zur Bruſt herab und fing wiederum an zu
weinen. Wie muß ich's anfangen, daß ich den Schatz gewinne? klagte er.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855, S. 91. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffel_ekkehard_1855/113>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.