Schefer, Leopold: Die Düvecke, oder die Leiden einer Königin. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 19. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–119. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.strahlt -- zuckten die Gespenster, die Reue, das Mitleid, der Betrug, der Zorn und die Wuth, aber alle gefesselt von der Scham. Sie wendete ihr Auge, senkte den Blick auf das Kind, unhemmbare Thränen stürzten hervor; beide, Mann und Weib waren wieder aus jener Entfernung und Entfremdung der Geister auf der Erde, hier in dem Zimmer eingekehrt, und der Himmels- und Höllentraum war vorüber. Wie kommst du hierher? Was machst du hier? herrschte er sie an. Doch davon nachher! Gieb mir das Kind! Sie stand mühsam auf, kniete hin, sah nieder, hielt es ihm empor und sprach mit kaum hörbarer Stimme: Da hast du dein Kind! -- Das Kind ist todt. Todt! schrie Düvecke, die wieder zu sich gekommen, und fuhr dämonisch empor. Aber sie konnte nur hersehen, nicht herbeikommen, denn die Füße versagten ihr den Dienst. Todt! wiederholte der König und stampfte mit dem Fuße. Zittre! Todt? schrie Frau Sigbritte, die leise genaht war und hinter dem König gestanden. Sie riß es ihm von den Armen, legte es auf den Tisch und band seine Bettchen auf. Es ist todt; sagte die Königin ruhig. Aber ich zittere nicht. Es erstickte vor Angst und Geschrei. Die Bettchen waren inwendig voll Blut. Frau strahlt — zuckten die Gespenster, die Reue, das Mitleid, der Betrug, der Zorn und die Wuth, aber alle gefesselt von der Scham. Sie wendete ihr Auge, senkte den Blick auf das Kind, unhemmbare Thränen stürzten hervor; beide, Mann und Weib waren wieder aus jener Entfernung und Entfremdung der Geister auf der Erde, hier in dem Zimmer eingekehrt, und der Himmels- und Höllentraum war vorüber. Wie kommst du hierher? Was machst du hier? herrschte er sie an. Doch davon nachher! Gieb mir das Kind! Sie stand mühsam auf, kniete hin, sah nieder, hielt es ihm empor und sprach mit kaum hörbarer Stimme: Da hast du dein Kind! — Das Kind ist todt. Todt! schrie Düvecke, die wieder zu sich gekommen, und fuhr dämonisch empor. Aber sie konnte nur hersehen, nicht herbeikommen, denn die Füße versagten ihr den Dienst. Todt! wiederholte der König und stampfte mit dem Fuße. Zittre! Todt? schrie Frau Sigbritte, die leise genaht war und hinter dem König gestanden. Sie riß es ihm von den Armen, legte es auf den Tisch und band seine Bettchen auf. Es ist todt; sagte die Königin ruhig. Aber ich zittere nicht. Es erstickte vor Angst und Geschrei. Die Bettchen waren inwendig voll Blut. Frau <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="6"> <p><pb facs="#f0091"/> strahlt — zuckten die Gespenster, die Reue, das Mitleid, der Betrug, der Zorn und die Wuth, aber alle gefesselt von der Scham.</p><lb/> <p>Sie wendete ihr Auge, senkte den Blick auf das Kind, unhemmbare Thränen stürzten hervor; beide, Mann und Weib waren wieder aus jener Entfernung und Entfremdung der Geister auf der Erde, hier in dem Zimmer eingekehrt, und der Himmels- und Höllentraum war vorüber.</p><lb/> <p>Wie kommst du hierher? Was machst du hier? herrschte er sie an. Doch davon nachher! Gieb mir das Kind!</p><lb/> <p>Sie stand mühsam auf, kniete hin, sah nieder, hielt es ihm empor und sprach mit kaum hörbarer Stimme: Da hast du dein Kind! — Das Kind ist todt.</p><lb/> <p>Todt! schrie Düvecke, die wieder zu sich gekommen, und fuhr dämonisch empor. Aber sie konnte nur hersehen, nicht herbeikommen, denn die Füße versagten ihr den Dienst.</p><lb/> <p>Todt! wiederholte der König und stampfte mit dem Fuße. Zittre!</p><lb/> <p>Todt? schrie Frau Sigbritte, die leise genaht war und hinter dem König gestanden. Sie riß es ihm von den Armen, legte es auf den Tisch und band seine Bettchen auf.</p><lb/> <p>Es ist todt; sagte die Königin ruhig. Aber ich zittere nicht. Es erstickte vor Angst und Geschrei.</p><lb/> <p>Die Bettchen waren inwendig voll Blut. Frau<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0091]
strahlt — zuckten die Gespenster, die Reue, das Mitleid, der Betrug, der Zorn und die Wuth, aber alle gefesselt von der Scham.
Sie wendete ihr Auge, senkte den Blick auf das Kind, unhemmbare Thränen stürzten hervor; beide, Mann und Weib waren wieder aus jener Entfernung und Entfremdung der Geister auf der Erde, hier in dem Zimmer eingekehrt, und der Himmels- und Höllentraum war vorüber.
Wie kommst du hierher? Was machst du hier? herrschte er sie an. Doch davon nachher! Gieb mir das Kind!
Sie stand mühsam auf, kniete hin, sah nieder, hielt es ihm empor und sprach mit kaum hörbarer Stimme: Da hast du dein Kind! — Das Kind ist todt.
Todt! schrie Düvecke, die wieder zu sich gekommen, und fuhr dämonisch empor. Aber sie konnte nur hersehen, nicht herbeikommen, denn die Füße versagten ihr den Dienst.
Todt! wiederholte der König und stampfte mit dem Fuße. Zittre!
Todt? schrie Frau Sigbritte, die leise genaht war und hinter dem König gestanden. Sie riß es ihm von den Armen, legte es auf den Tisch und band seine Bettchen auf.
Es ist todt; sagte die Königin ruhig. Aber ich zittere nicht. Es erstickte vor Angst und Geschrei.
Die Bettchen waren inwendig voll Blut. Frau
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Zitationshilfe: | Schefer, Leopold: Die Düvecke, oder die Leiden einer Königin. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 19. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–119. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schefer_duevecke_1910/91>, abgerufen am 15.08.2024. |