Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schefer, Leopold: Die Düvecke, oder die Leiden einer Königin. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 19. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–119. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

dem Bettchen; -- sie stand -- sie sahe -- sie horchte -- es athmete nicht mehr -- -- das Blut schoß ihr ins Gesicht -- sie starrte -- sie hörte, ohne mehr zu hören -- -- -- das Kind war todt.

Das Kind ist todt! rief sie entsetzt.

Auch dieses für sie gräßliche Wort hatte Düvecke nicht gehört -- nur der kleine Knabe war fortgesprungen. Und so saß denn die Königin auf einem Sessel, gedankenlos und rathlos das Kind auf ihren Knieen sanft hin und her wiegend. Sie hatte die Augen zu vor dem Anblick, und sie und das kleine Mädchen schienen beide nur sanft und leicht zu schlummern.

Da trat der König ein.

Sein erster Blick fiel auf die schöne Schlummernde mit seinem Kinde; und mit leisen Tritten ging er näher und blieb vor ihr stehen und sah sie lange an.

Erwache! sprach er mit seiner gebieterischen Stimme. Schlage die Augen auf! Sieh mich an!

Isabella hatte kaum den Muth, den Kopf in die Höhe zu heben. Sie erkannte ihren Gemahl, den König. Aber gehorsam schlug sie die Augen auf, und gehorsam sahe sie ihn mit ihren treuen Augen groß und unbewegt an -- und die Geister spielten in diesem gegenseitigen Blicke ein geheimnißvolles Spiel des Himmels und der Hölle, und auf dem Blicke der Königin stiegen wie auf einer Brücke aus Regenbogen Engel auf und nieder; und auf seinem Blicke -- wie aus der verfinsterten Sonne, die zwischen schwarzen Gewitterwolken hernieder-

dem Bettchen; — sie stand — sie sahe — sie horchte — es athmete nicht mehr — — das Blut schoß ihr ins Gesicht — sie starrte — sie hörte, ohne mehr zu hören — — — das Kind war todt.

Das Kind ist todt! rief sie entsetzt.

Auch dieses für sie gräßliche Wort hatte Düvecke nicht gehört — nur der kleine Knabe war fortgesprungen. Und so saß denn die Königin auf einem Sessel, gedankenlos und rathlos das Kind auf ihren Knieen sanft hin und her wiegend. Sie hatte die Augen zu vor dem Anblick, und sie und das kleine Mädchen schienen beide nur sanft und leicht zu schlummern.

Da trat der König ein.

Sein erster Blick fiel auf die schöne Schlummernde mit seinem Kinde; und mit leisen Tritten ging er näher und blieb vor ihr stehen und sah sie lange an.

Erwache! sprach er mit seiner gebieterischen Stimme. Schlage die Augen auf! Sieh mich an!

Isabella hatte kaum den Muth, den Kopf in die Höhe zu heben. Sie erkannte ihren Gemahl, den König. Aber gehorsam schlug sie die Augen auf, und gehorsam sahe sie ihn mit ihren treuen Augen groß und unbewegt an — und die Geister spielten in diesem gegenseitigen Blicke ein geheimnißvolles Spiel des Himmels und der Hölle, und auf dem Blicke der Königin stiegen wie auf einer Brücke aus Regenbogen Engel auf und nieder; und auf seinem Blicke — wie aus der verfinsterten Sonne, die zwischen schwarzen Gewitterwolken hernieder-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="chapter" n="6">
        <p><pb facs="#f0090"/>
dem Bettchen; &#x2014; sie stand &#x2014; sie                sahe &#x2014; sie horchte &#x2014; es athmete nicht mehr &#x2014; &#x2014; das Blut schoß ihr ins Gesicht &#x2014; sie                starrte &#x2014; sie hörte, ohne mehr zu hören &#x2014; &#x2014; &#x2014; das Kind war todt.</p><lb/>
        <p>Das Kind ist todt! rief sie entsetzt.</p><lb/>
        <p>Auch dieses für sie gräßliche Wort hatte Düvecke nicht gehört &#x2014; nur der kleine Knabe                war fortgesprungen. Und so saß denn die Königin auf einem Sessel, gedankenlos und                rathlos das Kind auf ihren Knieen sanft hin und her wiegend. Sie hatte die Augen zu                vor dem Anblick, und sie und das kleine Mädchen schienen beide nur sanft und leicht                zu schlummern.</p><lb/>
        <p>Da trat der König ein.</p><lb/>
        <p>Sein erster Blick fiel auf die schöne Schlummernde mit seinem Kinde; und mit leisen                Tritten ging er näher und blieb vor ihr stehen und sah sie lange an.</p><lb/>
        <p>Erwache! sprach er mit seiner gebieterischen Stimme. Schlage die Augen auf! Sieh mich                an!</p><lb/>
        <p>Isabella hatte kaum den Muth, den Kopf in die Höhe zu heben. Sie erkannte ihren                Gemahl, den König. Aber gehorsam schlug sie die Augen auf, und gehorsam sahe sie ihn                mit ihren treuen Augen groß und unbewegt an &#x2014; und die Geister spielten in diesem                gegenseitigen Blicke ein geheimnißvolles Spiel des Himmels und der Hölle, und auf dem                Blicke der Königin stiegen wie auf einer Brücke aus Regenbogen Engel auf und nieder;                und auf seinem Blicke &#x2014; wie aus der verfinsterten Sonne, die zwischen schwarzen                Gewitterwolken hernieder-<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0090] dem Bettchen; — sie stand — sie sahe — sie horchte — es athmete nicht mehr — — das Blut schoß ihr ins Gesicht — sie starrte — sie hörte, ohne mehr zu hören — — — das Kind war todt. Das Kind ist todt! rief sie entsetzt. Auch dieses für sie gräßliche Wort hatte Düvecke nicht gehört — nur der kleine Knabe war fortgesprungen. Und so saß denn die Königin auf einem Sessel, gedankenlos und rathlos das Kind auf ihren Knieen sanft hin und her wiegend. Sie hatte die Augen zu vor dem Anblick, und sie und das kleine Mädchen schienen beide nur sanft und leicht zu schlummern. Da trat der König ein. Sein erster Blick fiel auf die schöne Schlummernde mit seinem Kinde; und mit leisen Tritten ging er näher und blieb vor ihr stehen und sah sie lange an. Erwache! sprach er mit seiner gebieterischen Stimme. Schlage die Augen auf! Sieh mich an! Isabella hatte kaum den Muth, den Kopf in die Höhe zu heben. Sie erkannte ihren Gemahl, den König. Aber gehorsam schlug sie die Augen auf, und gehorsam sahe sie ihn mit ihren treuen Augen groß und unbewegt an — und die Geister spielten in diesem gegenseitigen Blicke ein geheimnißvolles Spiel des Himmels und der Hölle, und auf dem Blicke der Königin stiegen wie auf einer Brücke aus Regenbogen Engel auf und nieder; und auf seinem Blicke — wie aus der verfinsterten Sonne, die zwischen schwarzen Gewitterwolken hernieder-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T10:50:59Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-16T10:50:59Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schefer_duevecke_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schefer_duevecke_1910/90
Zitationshilfe: Schefer, Leopold: Die Düvecke, oder die Leiden einer Königin. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 19. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–119. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schefer_duevecke_1910/90>, abgerufen am 10.05.2024.