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Schefer, Leopold: Die Düvecke, oder die Leiden einer Königin. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 19. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–119. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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aus jenem den Frauen angeborenen Drange, das Furchtbare und Gefährliche mit anzusehen -- vielleicht um dabei des eigenen Lebens und Wohlseins recht froh zu werden, wie bei den Thier- und Ritterkämpfen und Stiergefechten, -- ging sie mit ihrer Kammerfrau, einfach gekleidet, unter das Volk, nicht ahnend, daß heut eine kleine Tochter ihres Mannes im Hause der Frau Sigbritte getauft werden sollte, da man die kleine stille Hausceremonie durch das öffentliche Schauspiel für am besten gedeckt gehalten.

Der traurige Zug mit Hans Faaburg war vor der Menge des Volkes in Stocken gerathen; das wogende Gedränge nahm immer zu, und Isabella ward schnell von ihrer Begleiterin getrennt, eben als sie an eine Ecke gelangt. Rufen wäre vergeblich gewesen, besonders da Keine der Andern Namen rufen und diese sich verrathen wollte. Sie standen sich vielleicht noch in der Nähe, aber ihre Blicke trafen sich nicht. Um nun von den Tritten unachtsamer Füße und roher, platzsüchtiger Ellenbogen nicht noch mehr zu leiden, rettete sich Isabella in den Laden, der im Eckhause befindlich war, das Düvecke's Wohnung gegenüber lag. Die Königin war wenig bekannt und jetzt nicht zu kennen noch zu vermuthen; denn ein Weib ist ein Weib, die Natur hat keinen Unterschied zwischen jenen gemacht, welche die Menschen im Palast und mit der Krone auf dem Haupte Königin nennen, und zwischen jenen, welche sie im Bauerhof und mit schlichten Kleidern Bäuerin schelten. Das

aus jenem den Frauen angeborenen Drange, das Furchtbare und Gefährliche mit anzusehen — vielleicht um dabei des eigenen Lebens und Wohlseins recht froh zu werden, wie bei den Thier- und Ritterkämpfen und Stiergefechten, — ging sie mit ihrer Kammerfrau, einfach gekleidet, unter das Volk, nicht ahnend, daß heut eine kleine Tochter ihres Mannes im Hause der Frau Sigbritte getauft werden sollte, da man die kleine stille Hausceremonie durch das öffentliche Schauspiel für am besten gedeckt gehalten.

Der traurige Zug mit Hans Faaburg war vor der Menge des Volkes in Stocken gerathen; das wogende Gedränge nahm immer zu, und Isabella ward schnell von ihrer Begleiterin getrennt, eben als sie an eine Ecke gelangt. Rufen wäre vergeblich gewesen, besonders da Keine der Andern Namen rufen und diese sich verrathen wollte. Sie standen sich vielleicht noch in der Nähe, aber ihre Blicke trafen sich nicht. Um nun von den Tritten unachtsamer Füße und roher, platzsüchtiger Ellenbogen nicht noch mehr zu leiden, rettete sich Isabella in den Laden, der im Eckhause befindlich war, das Düvecke's Wohnung gegenüber lag. Die Königin war wenig bekannt und jetzt nicht zu kennen noch zu vermuthen; denn ein Weib ist ein Weib, die Natur hat keinen Unterschied zwischen jenen gemacht, welche die Menschen im Palast und mit der Krone auf dem Haupte Königin nennen, und zwischen jenen, welche sie im Bauerhof und mit schlichten Kleidern Bäuerin schelten. Das

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T10:50:59Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
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Zitationshilfe: Schefer, Leopold: Die Düvecke, oder die Leiden einer Königin. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 19. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–119. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schefer_duevecke_1910/79>, abgerufen am 09.05.2024.