Schefer, Leopold: Die Düvecke, oder die Leiden einer Königin. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 19. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–119. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.gehrte, mit dem Gesicht von ihm abgewandt, an den Tisch in der Brüstung des Fensters, legte Papier zurecht, tauchte die Feder ein und erwartete mit Herzklopfen und innigem Frohlocken das gewisse Todesurtheil Torbern's. Zuvor muß ich noch sagen, sprach der König, was ich halte, das entreißt mir Niemand. Was ich liebe, das ist mein -- und keines Andern. So kenne ich mich, und Wen ich meine. Jetzt schreib! Und nun dictirte er: Dem Schloßhauptmann Torbern Ore. Du sollst die Rechnungen des gewesenen Geheimschreibers Hans Faaburg untersuchen, und wenn ihm an Gelde fehlt, was nach dem Gesetze einem Veruntreuer königlicher Gelder den Strang verdient, so soll er gehangen werden. Christian. Gegengezeichnet: Hans Faaburg. Faaburg hatte mit Zittern und Beben zögernd sein eigenes Todesurtheil geschrieben. Nur am Faaburg fehlte der sonst immer fröhlich, ja übermüthig daran befindliche Zug des manu propria. Anfangs hatte er den Befehl für eine bloße Androhung künftiger Strafe gehalten, dann waren ihm seine Schuld und seine Schulden eingefallen, und er hatte nicht mehr eingetaucht, selbst das Papier und die Sonne draußen vor dem Fenster nicht mehr gesehen, und als ihm der König darauf befohlen, das Blatt sogleich selbst zu Torbern gehrte, mit dem Gesicht von ihm abgewandt, an den Tisch in der Brüstung des Fensters, legte Papier zurecht, tauchte die Feder ein und erwartete mit Herzklopfen und innigem Frohlocken das gewisse Todesurtheil Torbern's. Zuvor muß ich noch sagen, sprach der König, was ich halte, das entreißt mir Niemand. Was ich liebe, das ist mein — und keines Andern. So kenne ich mich, und Wen ich meine. Jetzt schreib! Und nun dictirte er: Dem Schloßhauptmann Torbern Ore. Du sollst die Rechnungen des gewesenen Geheimschreibers Hans Faaburg untersuchen, und wenn ihm an Gelde fehlt, was nach dem Gesetze einem Veruntreuer königlicher Gelder den Strang verdient, so soll er gehangen werden. Christian. Gegengezeichnet: Hans Faaburg. Faaburg hatte mit Zittern und Beben zögernd sein eigenes Todesurtheil geschrieben. Nur am Faaburg fehlte der sonst immer fröhlich, ja übermüthig daran befindliche Zug des manu propria. Anfangs hatte er den Befehl für eine bloße Androhung künftiger Strafe gehalten, dann waren ihm seine Schuld und seine Schulden eingefallen, und er hatte nicht mehr eingetaucht, selbst das Papier und die Sonne draußen vor dem Fenster nicht mehr gesehen, und als ihm der König darauf befohlen, das Blatt sogleich selbst zu Torbern <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="6"> <p><pb facs="#f0076"/> gehrte, mit dem Gesicht von ihm abgewandt, an den Tisch in der Brüstung des Fensters, legte Papier zurecht, tauchte die Feder ein und erwartete mit Herzklopfen und innigem Frohlocken das gewisse Todesurtheil Torbern's.</p><lb/> <p>Zuvor muß ich noch sagen, sprach der König, was ich halte, das entreißt mir Niemand. Was ich liebe, das ist mein — und keines Andern. So kenne ich mich, und Wen ich meine. Jetzt schreib! Und nun dictirte er:</p><lb/> <floatingText> <body> <div type="letter"> <opener> <salute>Dem Schloßhauptmann Torbern Ore.</salute> </opener> <p>Du sollst die Rechnungen des gewesenen Geheimschreibers Hans Faaburg untersuchen, und wenn ihm an Gelde fehlt, was nach dem Gesetze einem Veruntreuer königlicher Gelder den Strang verdient, so soll er gehangen werden.</p><lb/> <closer> <signed>Christian.<lb/> Gegengezeichnet:<lb/> Hans Faaburg.</signed><lb/> </closer> </div> </body> </floatingText><lb/> <p>Faaburg hatte mit Zittern und Beben zögernd sein eigenes Todesurtheil geschrieben. Nur am Faaburg fehlte der sonst immer fröhlich, ja übermüthig daran befindliche Zug des manu propria. Anfangs hatte er den Befehl für eine bloße Androhung künftiger Strafe gehalten, dann waren ihm seine Schuld und seine Schulden eingefallen, und er hatte nicht mehr eingetaucht, selbst das Papier und die Sonne draußen vor dem Fenster nicht mehr gesehen, und als ihm der König darauf befohlen, das Blatt sogleich selbst zu Torbern<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0076]
gehrte, mit dem Gesicht von ihm abgewandt, an den Tisch in der Brüstung des Fensters, legte Papier zurecht, tauchte die Feder ein und erwartete mit Herzklopfen und innigem Frohlocken das gewisse Todesurtheil Torbern's.
Zuvor muß ich noch sagen, sprach der König, was ich halte, das entreißt mir Niemand. Was ich liebe, das ist mein — und keines Andern. So kenne ich mich, und Wen ich meine. Jetzt schreib! Und nun dictirte er:
Dem Schloßhauptmann Torbern Ore. Du sollst die Rechnungen des gewesenen Geheimschreibers Hans Faaburg untersuchen, und wenn ihm an Gelde fehlt, was nach dem Gesetze einem Veruntreuer königlicher Gelder den Strang verdient, so soll er gehangen werden.
Christian.
Gegengezeichnet:
Hans Faaburg.
Faaburg hatte mit Zittern und Beben zögernd sein eigenes Todesurtheil geschrieben. Nur am Faaburg fehlte der sonst immer fröhlich, ja übermüthig daran befindliche Zug des manu propria. Anfangs hatte er den Befehl für eine bloße Androhung künftiger Strafe gehalten, dann waren ihm seine Schuld und seine Schulden eingefallen, und er hatte nicht mehr eingetaucht, selbst das Papier und die Sonne draußen vor dem Fenster nicht mehr gesehen, und als ihm der König darauf befohlen, das Blatt sogleich selbst zu Torbern
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Zitationshilfe: | Schefer, Leopold: Die Düvecke, oder die Leiden einer Königin. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 19. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–119. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schefer_duevecke_1910/76>, abgerufen am 15.08.2024. |