Schefer, Leopold: Die Düvecke, oder die Leiden einer Königin. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 19. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–119. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.auf, und wer die Zukunft nicht bedenkt, dem ist nichts mehr so wichtig und groß, wie immer wohl sonst, selbst die eigene Tugend nicht und die Tugend des Andern, wie man einem sterbenden Kinde noch alle Süßigkeiten giebt -- denn es kann sich den Magen nicht mehr verderben. Aber die Seele ist ein zarterer, geistiger Magen, der nicht Alles verdaut und die Sünde nie! Und wer auch immer zuvor anhielt in Würde und Anstand, wer nie zuvor an die Möglichkeit dachte, der begeht die Sünde im Scheiden, denn sein Herz ist gelös't und betrübt und tausend milder Gedanken voll. Darum nicht allein Abschied nehmen von Männern, das ist ein Rath, den jede wohlwollende Frau oder Mutter den Mädchen und Frauen und ihren Töchtern geben muß und wird, gleichsam als eilftes Gebot, oder als Erläuterung und Numero B, oder als N. B. zum sechsten! -- Gehe hin in Frieden, meine Tochter! Aber du wirst keinen Frieden haben noch finden, denn du kennst deinen Hans Faaburg noch nicht! -- IV. Das Castrum Doloris. Diese letzten Worte bekümmerten Düvecke sehr und gaben ihr Vieles zu denken, zu zweifeln, zu argwöhnen, mitunter zu weinen. Da sie zum ersten Mal in ihrem Leben erfahren, was Gram sei, da ihr Faaburg über die gesetzte Zeit um das Doppeltlange ausblieb, so bil- auf, und wer die Zukunft nicht bedenkt, dem ist nichts mehr so wichtig und groß, wie immer wohl sonst, selbst die eigene Tugend nicht und die Tugend des Andern, wie man einem sterbenden Kinde noch alle Süßigkeiten giebt — denn es kann sich den Magen nicht mehr verderben. Aber die Seele ist ein zarterer, geistiger Magen, der nicht Alles verdaut und die Sünde nie! Und wer auch immer zuvor anhielt in Würde und Anstand, wer nie zuvor an die Möglichkeit dachte, der begeht die Sünde im Scheiden, denn sein Herz ist gelös't und betrübt und tausend milder Gedanken voll. Darum nicht allein Abschied nehmen von Männern, das ist ein Rath, den jede wohlwollende Frau oder Mutter den Mädchen und Frauen und ihren Töchtern geben muß und wird, gleichsam als eilftes Gebot, oder als Erläuterung und Numero B, oder als N. B. zum sechsten! — Gehe hin in Frieden, meine Tochter! Aber du wirst keinen Frieden haben noch finden, denn du kennst deinen Hans Faaburg noch nicht! — IV. Das Castrum Doloris. Diese letzten Worte bekümmerten Düvecke sehr und gaben ihr Vieles zu denken, zu zweifeln, zu argwöhnen, mitunter zu weinen. Da sie zum ersten Mal in ihrem Leben erfahren, was Gram sei, da ihr Faaburg über die gesetzte Zeit um das Doppeltlange ausblieb, so bil- <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="3"> <p><pb facs="#f0042"/> auf, und wer die Zukunft nicht bedenkt, dem ist nichts mehr so wichtig und groß, wie immer wohl sonst, selbst die eigene Tugend nicht und die Tugend des Andern, wie man einem sterbenden Kinde noch alle Süßigkeiten giebt — denn es kann sich den Magen nicht mehr verderben. Aber die Seele ist ein zarterer, geistiger Magen, der nicht Alles verdaut und die Sünde nie! Und wer auch immer zuvor anhielt in Würde und Anstand, wer nie zuvor an die Möglichkeit dachte, der begeht die Sünde im Scheiden, denn sein Herz ist gelös't und betrübt und tausend milder Gedanken voll. Darum nicht allein Abschied nehmen von Männern, das ist ein Rath, den jede wohlwollende Frau oder Mutter den Mädchen und Frauen und ihren Töchtern geben muß und wird, gleichsam als eilftes Gebot, oder als Erläuterung und Numero B, oder als N. B. zum sechsten! — Gehe hin in Frieden, meine Tochter! Aber du wirst keinen Frieden haben noch finden, denn du kennst deinen Hans Faaburg noch nicht! —</p><lb/> </div> <div type="chapter" n="4"> <head>IV. Das Castrum Doloris.</head> <p>Diese letzten Worte bekümmerten Düvecke sehr und gaben ihr Vieles zu denken, zu zweifeln, zu argwöhnen, mitunter zu weinen. Da sie zum ersten Mal in ihrem Leben erfahren, was Gram sei, da ihr Faaburg über die gesetzte Zeit um das Doppeltlange ausblieb, so bil-<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0042]
auf, und wer die Zukunft nicht bedenkt, dem ist nichts mehr so wichtig und groß, wie immer wohl sonst, selbst die eigene Tugend nicht und die Tugend des Andern, wie man einem sterbenden Kinde noch alle Süßigkeiten giebt — denn es kann sich den Magen nicht mehr verderben. Aber die Seele ist ein zarterer, geistiger Magen, der nicht Alles verdaut und die Sünde nie! Und wer auch immer zuvor anhielt in Würde und Anstand, wer nie zuvor an die Möglichkeit dachte, der begeht die Sünde im Scheiden, denn sein Herz ist gelös't und betrübt und tausend milder Gedanken voll. Darum nicht allein Abschied nehmen von Männern, das ist ein Rath, den jede wohlwollende Frau oder Mutter den Mädchen und Frauen und ihren Töchtern geben muß und wird, gleichsam als eilftes Gebot, oder als Erläuterung und Numero B, oder als N. B. zum sechsten! — Gehe hin in Frieden, meine Tochter! Aber du wirst keinen Frieden haben noch finden, denn du kennst deinen Hans Faaburg noch nicht! —
IV. Das Castrum Doloris. Diese letzten Worte bekümmerten Düvecke sehr und gaben ihr Vieles zu denken, zu zweifeln, zu argwöhnen, mitunter zu weinen. Da sie zum ersten Mal in ihrem Leben erfahren, was Gram sei, da ihr Faaburg über die gesetzte Zeit um das Doppeltlange ausblieb, so bil-
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Zitationshilfe: | Schefer, Leopold: Die Düvecke, oder die Leiden einer Königin. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 19. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–119. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schefer_duevecke_1910/42>, abgerufen am 16.07.2024. |