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Schefer, Leopold: Die Düvecke, oder die Leiden einer Königin. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 19. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–119. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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Erden Wichtiges oder Nachhaltiges vollbringen zu können, in ihrer Seele zu Baldvergangenem und Nichtswürdigem macht. Wäre der Himmel Homers nicht nahe und ehern gewesen, es hätte keinen Göttersohn Achill, oder wie sie alle heißen mögen, gegeben bis auf den heutigen Tag.

Frau Sigbritte sah ihn mit einiger Beklemmung an.

Laßt das gut sein, Frau Sigbritte, fuhr er fort, Wir leben, das ist gewiß; und wir wollen leben, das ist noch gewisser. Aber der Hinze war zu schlecht bezahlt von Seiner Majestät, er konnte vom Unterrichten allein nicht leben, und nahm den jungen Wildfang in sein Haus, um neben ihm seine Nahrungsgeschäfte betreiben zu können; durch diese aber war er verhindert ihn unter seinen zwei Augen zu haben, indem der immer neu unartige Bursche tausend Augen zum Hüten bedurfte, Tag und -- Nacht, wo Aller Augen schlafen. Und so ward er die Beute Derer, die auch des Nachts umherschwärmten, und ein Geselle oder Meister und Anführer der gemeinen Brut, die mit in dem Neste jeder Stadt jung wird, und vor der Zeit alt, und niemals was werth. Als ihm aber der schlaue Herr Hinze einst auf die Sprünge gekommen, mußte der junge Patron ihn nun stets begleiten, wie sein kleinerer Mittagsschatten, und in seinen Chorstunden mit unter den Chorknaben singend stehen, wo denn dem albernen Volke sein künftiger König so leid that -- besonders aber darum, weil er unter armen Knaben singen mußte, die sich ihr Brot vor den Thüren ersangen -- daß sich der

Erden Wichtiges oder Nachhaltiges vollbringen zu können, in ihrer Seele zu Baldvergangenem und Nichtswürdigem macht. Wäre der Himmel Homers nicht nahe und ehern gewesen, es hätte keinen Göttersohn Achill, oder wie sie alle heißen mögen, gegeben bis auf den heutigen Tag.

Frau Sigbritte sah ihn mit einiger Beklemmung an.

Laßt das gut sein, Frau Sigbritte, fuhr er fort, Wir leben, das ist gewiß; und wir wollen leben, das ist noch gewisser. Aber der Hinze war zu schlecht bezahlt von Seiner Majestät, er konnte vom Unterrichten allein nicht leben, und nahm den jungen Wildfang in sein Haus, um neben ihm seine Nahrungsgeschäfte betreiben zu können; durch diese aber war er verhindert ihn unter seinen zwei Augen zu haben, indem der immer neu unartige Bursche tausend Augen zum Hüten bedurfte, Tag und — Nacht, wo Aller Augen schlafen. Und so ward er die Beute Derer, die auch des Nachts umherschwärmten, und ein Geselle oder Meister und Anführer der gemeinen Brut, die mit in dem Neste jeder Stadt jung wird, und vor der Zeit alt, und niemals was werth. Als ihm aber der schlaue Herr Hinze einst auf die Sprünge gekommen, mußte der junge Patron ihn nun stets begleiten, wie sein kleinerer Mittagsschatten, und in seinen Chorstunden mit unter den Chorknaben singend stehen, wo denn dem albernen Volke sein künftiger König so leid that — besonders aber darum, weil er unter armen Knaben singen mußte, die sich ihr Brot vor den Thüren ersangen — daß sich der

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Thomas Weitin: Herausgeber
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Zitationshilfe: Schefer, Leopold: Die Düvecke, oder die Leiden einer Königin. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 19. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–119. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schefer_duevecke_1910/25>, abgerufen am 27.04.2024.