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Schefer, Leopold: Die Düvecke, oder die Leiden einer Königin. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 19. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–119. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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Millionen gemeiner Menschen erhoben, die ohne Hände und Füße den Magen verfluchen müßten, und die Mäglein ihrer Kinder, und den Frost und den Schnee und den Regen und Wind!

Aber wir haben ja gesunde Hände und Füße! meinte Düvecke.

Wir? frug die Mutter. Du, ja; aber ich nicht. Mir kommen die berühmten Tage ganz leise geschlichen, die mir nicht gefallen und dir nicht gefallen sollten an mir! Hast du Sinn für die Wirthschaft im Hause? Schläfst du gern Morgens, oder bist du die Erste auf? Geh' ich Nachts zuletzt zu Bett, oder sitzest du bis tief in die Nacht bei den Gästen, selbst bei den rohen Matrosen, die ihren Brei oder ihr elendes Leben in aller Welt hier mit Faustschlägen auf unseren Tischen austhun. Muß ich nicht hören, sehen, riechen, kochen, essen, ja verschweigen, was ich nicht mag! Und wenn die hiesigen alten Götter Bier getrunken haben, so sind es gewiß derbe Flegel gewesen, wie unsere Gäste tagtäglich und nachtnächtlich beweisen, die leider nicht die Eigenschaft an sich haben, am Morgen mit gesunden Knochen und heiler Haut wieder aufzustehen, wenn sie sich bei ihrem zum Vergnügen geführten Streit in der Nacht die Hälse gebrochen! Hast du denn gar kein Mitleiden mit mir, wenn ich Blut aufwasche, oder am Morgen nicht reden kann vor Heiserkeit, wenn ich am Abend zu viel geschrieen und schreien und zutrinken müssen? Hast du kein Mitleid mit mir, wenn ich mir

Millionen gemeiner Menschen erhoben, die ohne Hände und Füße den Magen verfluchen müßten, und die Mäglein ihrer Kinder, und den Frost und den Schnee und den Regen und Wind!

Aber wir haben ja gesunde Hände und Füße! meinte Düvecke.

Wir? frug die Mutter. Du, ja; aber ich nicht. Mir kommen die berühmten Tage ganz leise geschlichen, die mir nicht gefallen und dir nicht gefallen sollten an mir! Hast du Sinn für die Wirthschaft im Hause? Schläfst du gern Morgens, oder bist du die Erste auf? Geh' ich Nachts zuletzt zu Bett, oder sitzest du bis tief in die Nacht bei den Gästen, selbst bei den rohen Matrosen, die ihren Brei oder ihr elendes Leben in aller Welt hier mit Faustschlägen auf unseren Tischen austhun. Muß ich nicht hören, sehen, riechen, kochen, essen, ja verschweigen, was ich nicht mag! Und wenn die hiesigen alten Götter Bier getrunken haben, so sind es gewiß derbe Flegel gewesen, wie unsere Gäste tagtäglich und nachtnächtlich beweisen, die leider nicht die Eigenschaft an sich haben, am Morgen mit gesunden Knochen und heiler Haut wieder aufzustehen, wenn sie sich bei ihrem zum Vergnügen geführten Streit in der Nacht die Hälse gebrochen! Hast du denn gar kein Mitleiden mit mir, wenn ich Blut aufwasche, oder am Morgen nicht reden kann vor Heiserkeit, wenn ich am Abend zu viel geschrieen und schreien und zutrinken müssen? Hast du kein Mitleid mit mir, wenn ich mir

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T10:50:59Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
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Zitationshilfe: Schefer, Leopold: Die Düvecke, oder die Leiden einer Königin. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 19. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–119. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schefer_duevecke_1910/11>, abgerufen am 27.04.2024.