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Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Psyche oder Unterhaltungen über die Seele. Bd. 2. Halle, 1791.

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will, sondern wohin die Begier ihn reißt, muß
er gehen. Er gehorcht einem Tyrannen, der
Weise ist König.

Dieser edle Trieb des menschlichen Herzens
will sorgfältig genährt und gebildet seyn, wenn
er nicht in Eigensinn und Ungebundenheit aus-
arten oder unterdrückt werden soll. Sowohl
das Erste als das Letzte ist möglich, und durch
jedes Erfahrung mit Beyspielen bewiesen. Wer
allein independent seyn, seine Launen Andern
zur Norm ihres Betragens aufdrängen, und
nicht nach vernünftigen Vorstellungen, welche al-
len deutlich sind, sondern nach dunklen Gefühlen,
die keiner als er selbst kennt, sich im Handeln be-
stimmen will; wer mit einem Wort eigensinnig
ist, und Andern an dem ersten Rechte der Mensch-
heit nicht Theilnehmen lassen will, versteht die
Meynung der Natur nicht, und ist selber nicht
frey. --

Aber unglücklicher noch der, welcher diesen
edlen Trieb, den Charakter der Menschheit, un-
terdrückt, und sclavischen Sinn annimmt. Er
geht aller Vortheile verlustig, welche der Mensch
genießen kann. Verstand und Herz werden in
Ketten gelegt, seine Seele entadelt und in die
Knechtschaft geführt, alle Selbstthätigkeit unter-
drückt, und sein Zustand niedriger, als dessen,
dem die äußere Freyheit geraubt ist.

Möchten

will, ſondern wohin die Begier ihn reißt, muß
er gehen. Er gehorcht einem Tyrannen, der
Weiſe iſt Koͤnig.

Dieſer edle Trieb des menſchlichen Herzens
will ſorgfaͤltig genaͤhrt und gebildet ſeyn, wenn
er nicht in Eigenſinn und Ungebundenheit aus-
arten oder unterdruͤckt werden ſoll. Sowohl
das Erſte als das Letzte iſt moͤglich, und durch
jedes Erfahrung mit Beyſpielen bewieſen. Wer
allein independent ſeyn, ſeine Launen Andern
zur Norm ihres Betragens aufdraͤngen, und
nicht nach vernuͤnftigen Vorſtellungen, welche al-
len deutlich ſind, ſondern nach dunklen Gefuͤhlen,
die keiner als er ſelbſt kennt, ſich im Handeln be-
ſtimmen will; wer mit einem Wort eigenſinnig
iſt, und Andern an dem erſten Rechte der Menſch-
heit nicht Theilnehmen laſſen will, verſteht die
Meynung der Natur nicht, und iſt ſelber nicht
frey. —

Aber ungluͤcklicher noch der, welcher dieſen
edlen Trieb, den Charakter der Menſchheit, un-
terdruͤckt, und ſclaviſchen Sinn annimmt. Er
geht aller Vortheile verluſtig, welche der Menſch
genießen kann. Verſtand und Herz werden in
Ketten gelegt, ſeine Seele entadelt und in die
Knechtſchaft gefuͤhrt, alle Selbſtthaͤtigkeit unter-
druͤckt, und ſein Zuſtand niedriger, als deſſen,
dem die aͤußere Freyheit geraubt iſt.

Moͤchten
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[381/0097] will, ſondern wohin die Begier ihn reißt, muß er gehen. Er gehorcht einem Tyrannen, der Weiſe iſt Koͤnig. Dieſer edle Trieb des menſchlichen Herzens will ſorgfaͤltig genaͤhrt und gebildet ſeyn, wenn er nicht in Eigenſinn und Ungebundenheit aus- arten oder unterdruͤckt werden ſoll. Sowohl das Erſte als das Letzte iſt moͤglich, und durch jedes Erfahrung mit Beyſpielen bewieſen. Wer allein independent ſeyn, ſeine Launen Andern zur Norm ihres Betragens aufdraͤngen, und nicht nach vernuͤnftigen Vorſtellungen, welche al- len deutlich ſind, ſondern nach dunklen Gefuͤhlen, die keiner als er ſelbſt kennt, ſich im Handeln be- ſtimmen will; wer mit einem Wort eigenſinnig iſt, und Andern an dem erſten Rechte der Menſch- heit nicht Theilnehmen laſſen will, verſteht die Meynung der Natur nicht, und iſt ſelber nicht frey. — Aber ungluͤcklicher noch der, welcher dieſen edlen Trieb, den Charakter der Menſchheit, un- terdruͤckt, und ſclaviſchen Sinn annimmt. Er geht aller Vortheile verluſtig, welche der Menſch genießen kann. Verſtand und Herz werden in Ketten gelegt, ſeine Seele entadelt und in die Knechtſchaft gefuͤhrt, alle Selbſtthaͤtigkeit unter- druͤckt, und ſein Zuſtand niedriger, als deſſen, dem die aͤußere Freyheit geraubt iſt. Moͤchten

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Zitationshilfe: Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Psyche oder Unterhaltungen über die Seele. Bd. 2. Halle, 1791, S. 381. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schaumann_psyche02_1791/97>, abgerufen am 23.11.2024.