zerbrechen, mit den Zähnen zerbeißen, und mit wüthender Gewalt zu Boden werfen*); weiß schon ein jeder aus seiner eignen Erfahrung, daß der Zorn sich auch zuweilen gegen leblose Dinge richtet. Kinder an Jahren oder am Verstande geben davon tägliche Beweise, und zeigen, daß Zorn gegen leblose Wesen nur dann möglich ist, wenn es ganz an Verstand und Besonnenheit fehlt**).
Zorn aus Aergerniß und Kränkung ist Erbit- terung. So war Juno wider die Troer, und diese wider den vor dem belagerten Thurm über- müthig triumphirenden Pyrrhus (Pyrrhum ex- sultantem) erbittert, und so erbittert Manchen die Wahrheit, wenn sie seine Blöße aufdeckt, und er zu wenig Unpartheylichkeit gegen sich selbst hat, um sie zu bemerken, und durch Fleiß an sich selbst zuzudecken, oder zu viel Stolz, um einem An- dern ein Urtheil über sich zu erlauben.
Wenn
*) Robertsons Gesch. v. Amerika, 1. Th.
**) Auch der verständigste Mann hebt zuweilen seinen Fuß wider den Stein oder Klotz, an welchen er stößt, auf. Allein dies geschieht nicht sowohl in der Meynung diese leblose Dinge ihre Beleidigung fühlen zu lassen, als vielmehr aus dem durch den empfindlichen körperlichen Schmerz hervorgebrach- ten Wunsch, den Stein des Anstoßes von sich zu entfernen.
zerbrechen, mit den Zaͤhnen zerbeißen, und mit wuͤthender Gewalt zu Boden werfen*); weiß ſchon ein jeder aus ſeiner eignen Erfahrung, daß der Zorn ſich auch zuweilen gegen lebloſe Dinge richtet. Kinder an Jahren oder am Verſtande geben davon taͤgliche Beweiſe, und zeigen, daß Zorn gegen lebloſe Weſen nur dann moͤglich iſt, wenn es ganz an Verſtand und Beſonnenheit fehlt**).
Zorn aus Aergerniß und Kraͤnkung iſt Erbit- terung. So war Juno wider die Troer, und dieſe wider den vor dem belagerten Thurm uͤber- muͤthig triumphirenden Pyrrhus (Pyrrhum ex- ſultantem) erbittert, und ſo erbittert Manchen die Wahrheit, wenn ſie ſeine Bloͤße aufdeckt, und er zu wenig Unpartheylichkeit gegen ſich ſelbſt hat, um ſie zu bemerken, und durch Fleiß an ſich ſelbſt zuzudecken, oder zu viel Stolz, um einem An- dern ein Urtheil uͤber ſich zu erlauben.
Wenn
*) Robertſons Geſch. v. Amerika, 1. Th.
**) Auch der verſtaͤndigſte Mann hebt zuweilen ſeinen Fuß wider den Stein oder Klotz, an welchen er ſtoͤßt, auf. Allein dies geſchieht nicht ſowohl in der Meynung dieſe lebloſe Dinge ihre Beleidigung fuͤhlen zu laſſen, als vielmehr aus dem durch den empfindlichen koͤrperlichen Schmerz hervorgebrach- ten Wunſch, den Stein des Anſtoßes von ſich zu entfernen.
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zerbrechen, mit den Zaͤhnen zerbeißen, und mit
wuͤthender Gewalt zu Boden werfen *); weiß
ſchon ein jeder aus ſeiner eignen Erfahrung, daß
der Zorn ſich auch zuweilen gegen lebloſe Dinge
richtet. Kinder an Jahren oder am Verſtande
geben davon taͤgliche Beweiſe, und zeigen, daß
Zorn gegen lebloſe Weſen nur dann moͤglich iſt,
wenn es ganz an Verſtand und Beſonnenheit
fehlt **).
Zorn aus Aergerniß und Kraͤnkung iſt Erbit-
terung. So war Juno wider die Troer, und
dieſe wider den vor dem belagerten Thurm uͤber-
muͤthig triumphirenden Pyrrhus (Pyrrhum ex-
ſultantem) erbittert, und ſo erbittert Manchen
die Wahrheit, wenn ſie ſeine Bloͤße aufdeckt, und
er zu wenig Unpartheylichkeit gegen ſich ſelbſt hat,
um ſie zu bemerken, und durch Fleiß an ſich ſelbſt
zuzudecken, oder zu viel Stolz, um einem An-
dern ein Urtheil uͤber ſich zu erlauben.
Wenn
*) Robertſons Geſch. v. Amerika, 1. Th.
**) Auch der verſtaͤndigſte Mann hebt zuweilen ſeinen
Fuß wider den Stein oder Klotz, an welchen er
ſtoͤßt, auf. Allein dies geſchieht nicht ſowohl in
der Meynung dieſe lebloſe Dinge ihre Beleidigung
fuͤhlen zu laſſen, als vielmehr aus dem durch den
empfindlichen koͤrperlichen Schmerz hervorgebrach-
ten Wunſch, den Stein des Anſtoßes von ſich zu
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Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Psyche oder Unterhaltungen über die Seele. Bd. 2. Halle, 1791, S. 636. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schaumann_psyche02_1791/352>, abgerufen am 28.07.2024.
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