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Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Psyche oder Unterhaltungen über die Seele. Bd. 2. Halle, 1791.

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so herzlich zu äußern, wie man es, entfernt von
der Gesellschaft, zu thun pflegt? Und was ist
es, daß diese herzlichen Aeußerungen zurückhält, als
der Gedanke, daß die Menschen, welche in der
Herzenssprache ganz unerfahren sind, unsre Aeu-
ßerungen zu unserm Nachtheile auslegen, darüber
spötteln und sich ins Ohr sprechen möchten? denn
man hätte doch wahrlich nicht nöthig, sich der
edelsten, menschlichsten und natürlichsten Gefühle
zu schämen. Jn einem Cirkel von Menschen, die
uns verstehen und menschliche Gefühle heilig hal-
ten, wird auch die Schaam die Aeußerungen die-
ser Gefühle gewiß nicht zurückhalten*).

Bey
*) Unglückliche Menschen, die ihr so kalt oder so wi-
tzig seyd, daß euch Liebe und Zärtlichkeit ein Spott
ist! -- Daß ihr selbst unglücklich seyd, bedarf
für den keines Beweises, welcher noch in seiner na-
türlichen Einfalt und Unschuld fühlt, daß aus der
Quelle der Liebe die höchste und reinste Glückseligkeit
quillt. Aber auch für Andre werdet ihr Verderber,
frevelhaft Störer ihrer himmlischen Freuden, Fein-
de ihrer Unschuld. Denn wie viel gute Jünglinge
sind stark genug, euren Spott -- der das höchste
Uebel ist, was der fühlende Jüngling kennt -- zu
verachten, und die Stimme der Menschlichkeit höher
zu achten, als euer Schlangengezische? -- Wie
viele werden nicht, durch euren Spott oder eure
Verläumdung gezwungen, vergessen, daß sie ein
Herz

ſo herzlich zu aͤußern, wie man es, entfernt von
der Geſellſchaft, zu thun pflegt? Und was iſt
es, daß dieſe herzlichen Aeußerungen zuruͤckhaͤlt, als
der Gedanke, daß die Menſchen, welche in der
Herzensſprache ganz unerfahren ſind, unſre Aeu-
ßerungen zu unſerm Nachtheile auslegen, daruͤber
ſpoͤtteln und ſich ins Ohr ſprechen moͤchten? denn
man haͤtte doch wahrlich nicht noͤthig, ſich der
edelſten, menſchlichſten und natuͤrlichſten Gefuͤhle
zu ſchaͤmen. Jn einem Cirkel von Menſchen, die
uns verſtehen und menſchliche Gefuͤhle heilig hal-
ten, wird auch die Schaam die Aeußerungen die-
ſer Gefuͤhle gewiß nicht zuruͤckhalten*).

Bey
*) Ungluͤckliche Menſchen, die ihr ſo kalt oder ſo wi-
tzig ſeyd, daß euch Liebe und Zaͤrtlichkeit ein Spott
iſt! — Daß ihr ſelbſt ungluͤcklich ſeyd, bedarf
fuͤr den keines Beweiſes, welcher noch in ſeiner na-
tuͤrlichen Einfalt und Unſchuld fuͤhlt, daß aus der
Quelle der Liebe die hoͤchſte und reinſte Gluͤckſeligkeit
quillt. Aber auch fuͤr Andre werdet ihr Verderber,
frevelhaft Stoͤrer ihrer himmliſchen Freuden, Fein-
de ihrer Unſchuld. Denn wie viel gute Juͤnglinge
ſind ſtark genug, euren Spott — der das hoͤchſte
Uebel iſt, was der fuͤhlende Juͤngling kennt — zu
verachten, und die Stimme der Menſchlichkeit hoͤher
zu achten, als euer Schlangengeziſche? — Wie
viele werden nicht, durch euren Spott oder eure
Verlaͤumdung gezwungen, vergeſſen, daß ſie ein
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[623/0339] ſo herzlich zu aͤußern, wie man es, entfernt von der Geſellſchaft, zu thun pflegt? Und was iſt es, daß dieſe herzlichen Aeußerungen zuruͤckhaͤlt, als der Gedanke, daß die Menſchen, welche in der Herzensſprache ganz unerfahren ſind, unſre Aeu- ßerungen zu unſerm Nachtheile auslegen, daruͤber ſpoͤtteln und ſich ins Ohr ſprechen moͤchten? denn man haͤtte doch wahrlich nicht noͤthig, ſich der edelſten, menſchlichſten und natuͤrlichſten Gefuͤhle zu ſchaͤmen. Jn einem Cirkel von Menſchen, die uns verſtehen und menſchliche Gefuͤhle heilig hal- ten, wird auch die Schaam die Aeußerungen die- ſer Gefuͤhle gewiß nicht zuruͤckhalten *). Bey *) Ungluͤckliche Menſchen, die ihr ſo kalt oder ſo wi- tzig ſeyd, daß euch Liebe und Zaͤrtlichkeit ein Spott iſt! — Daß ihr ſelbſt ungluͤcklich ſeyd, bedarf fuͤr den keines Beweiſes, welcher noch in ſeiner na- tuͤrlichen Einfalt und Unſchuld fuͤhlt, daß aus der Quelle der Liebe die hoͤchſte und reinſte Gluͤckſeligkeit quillt. Aber auch fuͤr Andre werdet ihr Verderber, frevelhaft Stoͤrer ihrer himmliſchen Freuden, Fein- de ihrer Unſchuld. Denn wie viel gute Juͤnglinge ſind ſtark genug, euren Spott — der das hoͤchſte Uebel iſt, was der fuͤhlende Juͤngling kennt — zu verachten, und die Stimme der Menſchlichkeit hoͤher zu achten, als euer Schlangengeziſche? — Wie viele werden nicht, durch euren Spott oder eure Verlaͤumdung gezwungen, vergeſſen, daß ſie ein Herz

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Zitationshilfe: Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Psyche oder Unterhaltungen über die Seele. Bd. 2. Halle, 1791, S. 623. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schaumann_psyche02_1791/339>, abgerufen am 25.11.2024.