Unterredung mit dem Prinzen erfährt, daß nichts weniger, als die Liebe zu ihr ihn bewogen habe, der Einladung zu folgen, und sein Herz einer Andern geheiligt sey, verbirgt sie ihr Gesicht voll Schaam in ein Kissen, mit dem Ausruf: "Was entdeck' ich? Gott! und als Karlos nun noch einmal mit edler Aufrichtigkeit, Schonung und Theilnehmung spricht, "ein unglücksel'ger Mißverstand. -- Bey Gott!
Jch bin nicht schuldig! stößt sie ihn von sich, und ruft: Weg aus meinen Augen, Um Gottes willen -- -- -- Aus Großmuth, aus Barmherzigkeit hinaus Von meinen Augen. -- Wollen Sie mich morden? Jch hasse Jhren Anblick*).
Selbst der Gedanke an das, was uns be- schämte, wird auf alle Weise verscheucht oder übertäubt. Einem meiner Freunde war über Ta- fel in einem Hause, das er sehr achtete, und wo er sich vorzüglich zu empfehlen wünschte ein Unfall begegnet, an dem er selbst ganz unschuldig war, und den selbst der gute Wirth so wenig zu seinem Nachtheil auslegte, daß er ihn vielmehr auf alle Weise von dem Gegentheil überzeugte. Dem- ohnerachtet war der Gedanke an diesen Vorfall,
bey
*) Dom Karlos von Schiller. 2ter Akt. 8ter Auftr.
Unterredung mit dem Prinzen erfaͤhrt, daß nichts weniger, als die Liebe zu ihr ihn bewogen habe, der Einladung zu folgen, und ſein Herz einer Andern geheiligt ſey, verbirgt ſie ihr Geſicht voll Schaam in ein Kiſſen, mit dem Ausruf: „Was entdeck' ich? Gott! und als Karlos nun noch einmal mit edler Aufrichtigkeit, Schonung und Theilnehmung ſpricht, „ein ungluͤckſel'ger Mißverſtand. — Bey Gott!
Jch bin nicht ſchuldig! ſtoͤßt ſie ihn von ſich, und ruft: Weg aus meinen Augen, Um Gottes willen — — — Aus Großmuth, aus Barmherzigkeit hinaus Von meinen Augen. — Wollen Sie mich morden? Jch haſſe Jhren Anblick*).
Selbſt der Gedanke an das, was uns be- ſchaͤmte, wird auf alle Weiſe verſcheucht oder uͤbertaͤubt. Einem meiner Freunde war uͤber Ta- fel in einem Hauſe, das er ſehr achtete, und wo er ſich vorzuͤglich zu empfehlen wuͤnſchte ein Unfall begegnet, an dem er ſelbſt ganz unſchuldig war, und den ſelbſt der gute Wirth ſo wenig zu ſeinem Nachtheil auslegte, daß er ihn vielmehr auf alle Weiſe von dem Gegentheil uͤberzeugte. Dem- ohnerachtet war der Gedanke an dieſen Vorfall,
bey
*) Dom Karlos von Schiller. 2ter Akt. 8ter Auftr.
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Unterredung mit dem Prinzen erfaͤhrt, daß
nichts weniger, als die Liebe zu ihr ihn bewogen
habe, der Einladung zu folgen, und ſein Herz
einer Andern geheiligt ſey, verbirgt ſie ihr Geſicht
voll Schaam in ein Kiſſen, mit dem Ausruf:
„Was entdeck' ich? Gott! und als Karlos nun
noch einmal mit edler Aufrichtigkeit, Schonung
und Theilnehmung ſpricht, „ein ungluͤckſel'ger
Mißverſtand. — Bey Gott!
Jch bin nicht ſchuldig!
ſtoͤßt ſie ihn von ſich, und ruft:
Weg aus meinen Augen,
Um Gottes willen — — —
Aus Großmuth, aus Barmherzigkeit hinaus
Von meinen Augen. — Wollen Sie mich
morden?
Jch haſſe Jhren Anblick *).
Selbſt der Gedanke an das, was uns be-
ſchaͤmte, wird auf alle Weiſe verſcheucht oder
uͤbertaͤubt. Einem meiner Freunde war uͤber Ta-
fel in einem Hauſe, das er ſehr achtete, und wo er
ſich vorzuͤglich zu empfehlen wuͤnſchte ein Unfall
begegnet, an dem er ſelbſt ganz unſchuldig war,
und den ſelbſt der gute Wirth ſo wenig zu ſeinem
Nachtheil auslegte, daß er ihn vielmehr auf alle
Weiſe von dem Gegentheil uͤberzeugte. Dem-
ohnerachtet war der Gedanke an dieſen Vorfall,
bey
*) Dom Karlos von Schiller. 2ter Akt. 8ter Auftr.
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Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Psyche oder Unterhaltungen über die Seele. Bd. 2. Halle, 1791, S. 621. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schaumann_psyche02_1791/337>, abgerufen am 22.11.2024.
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