Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Psyche oder Unterhaltungen über die Seele. Bd. 2. Halle, 1791.Acht und zwanzigste Unterhaltung. Ueber den Affekt der Schaam. Nichts verräth so sehr die von der Natur dem Ob sich gleich aus dem Sprachgebrauch schlie- suchung *) Die Schaam, vom Stempel der Natur ins Herz
geprägt, kann nicht verläugnet werden: wenn du versuchst, sie aus dem Herzen zu verjagen, fliegt sie dir ins Gesicht. Acht und zwanzigſte Unterhaltung. Ueber den Affekt der Schaam. Nichts verraͤth ſo ſehr die von der Natur dem Ob ſich gleich aus dem Sprachgebrauch ſchlie- ſuchung *) Die Schaam, vom Stempel der Natur ins Herz
gepraͤgt, kann nicht verlaͤugnet werden: wenn du verſuchſt, ſie aus dem Herzen zu verjagen, fliegt ſie dir ins Geſicht. <TEI> <text> <body> <pb facs="#f0332" n="616"/> <div n="1"> <head>Acht und zwanzigſte Unterhaltung.<lb/> Ueber den<lb/><hi rendition="#b"><hi rendition="#g">Affekt der Schaam</hi></hi>.</head><lb/> <p><hi rendition="#in">N</hi>ichts verraͤth ſo ſehr die von der Natur dem<lb/> Menſchen ins Herz gelegte Achtung fuͤr die Men-<lb/> ſchen, als der Affekt der Schaam, der dann er-<lb/> zeugt wird, wenn man fuͤrchtet oder ſieht, daß<lb/> irgend eine Unvollkommenheit, die uns in den<lb/> Augen Anderer herabwuͤrdigen oder laͤcherlich ma-<lb/> chen kann, von Andern bemerkt iſt. Nur der<lb/> hoͤchſte Grad von Gefuͤhlloſigkeit und Verworfen-<lb/> heit der Seele kann dieſen Affekt ausloͤſchen, und<lb/> auch der geuͤbteſte Verſteller wird an dem Bemuͤ-<lb/> hen, ihn zu unterdruͤcken, ſeine Kunſt am erſten<lb/> ſcheitern ſehen, denn<lb/><cit><quote><hi rendition="#et"><hi rendition="#aq">Vergogna, che n'altrui ſtampò natura,<lb/> Non ſi può rinegar: che ſe tu tenti<lb/> Di cacciarla dal cor, fugge nel volto</hi></hi></quote></cit><note place="foot" n="*)">Die Schaam, vom Stempel der Natur ins Herz<lb/> gepraͤgt, kann nicht verlaͤugnet werden: wenn du<lb/> verſuchſt, ſie aus dem Herzen zu verjagen, fliegt<lb/> ſie dir ins Geſicht.</note>.</p><lb/> <p>Ob ſich gleich aus dem Sprachgebrauch ſchlie-<lb/> ßen laͤßt, daß man ſich auch vor ſich ſelbſt ſchaͤmen<lb/> koͤnne, ſo ſcheint doch aus einer genauern Unter-<lb/> <fw place="bottom" type="catch">ſuchung</fw><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [616/0332]
Acht und zwanzigſte Unterhaltung.
Ueber den
Affekt der Schaam.
Nichts verraͤth ſo ſehr die von der Natur dem
Menſchen ins Herz gelegte Achtung fuͤr die Men-
ſchen, als der Affekt der Schaam, der dann er-
zeugt wird, wenn man fuͤrchtet oder ſieht, daß
irgend eine Unvollkommenheit, die uns in den
Augen Anderer herabwuͤrdigen oder laͤcherlich ma-
chen kann, von Andern bemerkt iſt. Nur der
hoͤchſte Grad von Gefuͤhlloſigkeit und Verworfen-
heit der Seele kann dieſen Affekt ausloͤſchen, und
auch der geuͤbteſte Verſteller wird an dem Bemuͤ-
hen, ihn zu unterdruͤcken, ſeine Kunſt am erſten
ſcheitern ſehen, denn
Vergogna, che n'altrui ſtampò natura,
Non ſi può rinegar: che ſe tu tenti
Di cacciarla dal cor, fugge nel volto *).
Ob ſich gleich aus dem Sprachgebrauch ſchlie-
ßen laͤßt, daß man ſich auch vor ſich ſelbſt ſchaͤmen
koͤnne, ſo ſcheint doch aus einer genauern Unter-
ſuchung
*) Die Schaam, vom Stempel der Natur ins Herz
gepraͤgt, kann nicht verlaͤugnet werden: wenn du
verſuchſt, ſie aus dem Herzen zu verjagen, fliegt
ſie dir ins Geſicht.
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