Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Psyche oder Unterhaltungen über die Seele. Bd. 2. Halle, 1791.

Bild:
<< vorherige Seite

Verschwisterte Liebe und Freundschaft, ihr
macht die Glückseligkeit des menschlichen Lebens!
Jhr knüpft unter Sinnlichkeit und Phantasie, und
Herz und Verstand einen heiligen Bund; und
stimmt die Empfindung und Einbildung, die Ge-
danken und Gefühle deß, in dem ihr euch verei-
nigt zum reinesten Einklang. Grobe Begierden,
unreine Phantasien, böse Gedanken und eigen-
nützige Gefühle, entweihen nie die reine Seele
deß, der im Geist und der Wahrheit liebt. Die
von der Freundschaft geheiligte Flamme der Liebe
entzündet in ihm den edlen Muth, sich über das,
was gemeine Seelen fesselt, zu erheben, und be-
lebt seine Kraft, seinem Muthe zu folgen. Voll
edlen Stolzes blickt er dem launischen Schicksal
ins Auge: das lockende Lächeln desselben reizt ihn
nicht; und unerschrocken sieht er, wenn sein Don-
ner ihm droht. Gemeine Seelen kennen diese
Seligkeit der mit Freundschaft verbundenen Liebe
nicht: denn sie sind zu fest an das Niedrige gehef-
tet, als daß sie sich, zu dem Göttlichen empor-

schwin-
tet die Freuden der Geselligkeit; -- Freundschaft
nährt sie mit der edelsten Nahrung; -- Liebe ver-
schließt das Herz; -- Freundschaft läßt darin lesen,
als in einem offnen Buche; -- Liebe verfliegt im
Augenblicke des Genusses; Freundschaft dauert ewig
durch sich selbst!" Eduard. Leipzig b. Göschen.
S. 125.
Mm 4

Verſchwiſterte Liebe und Freundſchaft, ihr
macht die Gluͤckſeligkeit des menſchlichen Lebens!
Jhr knuͤpft unter Sinnlichkeit und Phantaſie, und
Herz und Verſtand einen heiligen Bund; und
ſtimmt die Empfindung und Einbildung, die Ge-
danken und Gefuͤhle deß, in dem ihr euch verei-
nigt zum reineſten Einklang. Grobe Begierden,
unreine Phantaſien, boͤſe Gedanken und eigen-
nuͤtzige Gefuͤhle, entweihen nie die reine Seele
deß, der im Geiſt und der Wahrheit liebt. Die
von der Freundſchaft geheiligte Flamme der Liebe
entzuͤndet in ihm den edlen Muth, ſich uͤber das,
was gemeine Seelen feſſelt, zu erheben, und be-
lebt ſeine Kraft, ſeinem Muthe zu folgen. Voll
edlen Stolzes blickt er dem launiſchen Schickſal
ins Auge: das lockende Laͤcheln deſſelben reizt ihn
nicht; und unerſchrocken ſieht er, wenn ſein Don-
ner ihm droht. Gemeine Seelen kennen dieſe
Seligkeit der mit Freundſchaft verbundenen Liebe
nicht: denn ſie ſind zu feſt an das Niedrige gehef-
tet, als daß ſie ſich, zu dem Goͤttlichen empor-

ſchwin-
tet die Freuden der Geſelligkeit; — Freundſchaft
naͤhrt ſie mit der edelſten Nahrung; — Liebe ver-
ſchließt das Herz; — Freundſchaft laͤßt darin leſen,
als in einem offnen Buche; — Liebe verfliegt im
Augenblicke des Genuſſes; Freundſchaft dauert ewig
durch ſich ſelbſt!„ Eduard. Leipzig b. Goͤſchen.
S. 125.
Mm 4
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0267" n="551"/>
        <p>Ver&#x017F;chwi&#x017F;terte Liebe und Freund&#x017F;chaft, ihr<lb/>
macht die Glu&#x0364;ck&#x017F;eligkeit des men&#x017F;chlichen Lebens!<lb/>
Jhr knu&#x0364;pft unter Sinnlichkeit und Phanta&#x017F;ie, und<lb/>
Herz und Ver&#x017F;tand einen heiligen Bund; und<lb/>
&#x017F;timmt die Empfindung und Einbildung, die Ge-<lb/>
danken und Gefu&#x0364;hle deß, in dem ihr euch verei-<lb/>
nigt zum reine&#x017F;ten Einklang. Grobe Begierden,<lb/>
unreine Phanta&#x017F;ien, bo&#x0364;&#x017F;e Gedanken und eigen-<lb/>
nu&#x0364;tzige Gefu&#x0364;hle, entweihen nie die reine Seele<lb/>
deß, der im Gei&#x017F;t und der Wahrheit liebt. Die<lb/>
von der Freund&#x017F;chaft geheiligte Flamme der Liebe<lb/>
entzu&#x0364;ndet in ihm den edlen Muth, &#x017F;ich u&#x0364;ber das,<lb/>
was gemeine Seelen fe&#x017F;&#x017F;elt, zu erheben, und be-<lb/>
lebt &#x017F;eine Kraft, &#x017F;einem Muthe zu folgen. Voll<lb/>
edlen Stolzes blickt er dem launi&#x017F;chen Schick&#x017F;al<lb/>
ins Auge: das lockende La&#x0364;cheln de&#x017F;&#x017F;elben reizt ihn<lb/>
nicht; und uner&#x017F;chrocken &#x017F;ieht er, wenn &#x017F;ein Don-<lb/>
ner ihm droht. Gemeine Seelen kennen die&#x017F;e<lb/>
Seligkeit der mit Freund&#x017F;chaft verbundenen Liebe<lb/>
nicht: denn &#x017F;ie &#x017F;ind zu fe&#x017F;t an das Niedrige gehef-<lb/>
tet, als daß &#x017F;ie &#x017F;ich, zu dem Go&#x0364;ttlichen empor-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">Mm 4</fw><fw place="bottom" type="catch">&#x017F;chwin-</fw><lb/><note xml:id="seg2pn_23_2" prev="#seg2pn_23_1" place="foot" n="*)">tet die Freuden der Ge&#x017F;elligkeit; &#x2014; Freund&#x017F;chaft<lb/>
na&#x0364;hrt &#x017F;ie mit der edel&#x017F;ten Nahrung; &#x2014; Liebe ver-<lb/>
&#x017F;chließt das Herz; &#x2014; Freund&#x017F;chaft la&#x0364;ßt darin le&#x017F;en,<lb/>
als in einem offnen Buche; &#x2014; Liebe verfliegt im<lb/>
Augenblicke des Genu&#x017F;&#x017F;es; Freund&#x017F;chaft dauert ewig<lb/>
durch &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t!&#x201E; Eduard. Leipzig b. Go&#x0364;&#x017F;chen.<lb/>
S. 125.</note><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[551/0267] Verſchwiſterte Liebe und Freundſchaft, ihr macht die Gluͤckſeligkeit des menſchlichen Lebens! Jhr knuͤpft unter Sinnlichkeit und Phantaſie, und Herz und Verſtand einen heiligen Bund; und ſtimmt die Empfindung und Einbildung, die Ge- danken und Gefuͤhle deß, in dem ihr euch verei- nigt zum reineſten Einklang. Grobe Begierden, unreine Phantaſien, boͤſe Gedanken und eigen- nuͤtzige Gefuͤhle, entweihen nie die reine Seele deß, der im Geiſt und der Wahrheit liebt. Die von der Freundſchaft geheiligte Flamme der Liebe entzuͤndet in ihm den edlen Muth, ſich uͤber das, was gemeine Seelen feſſelt, zu erheben, und be- lebt ſeine Kraft, ſeinem Muthe zu folgen. Voll edlen Stolzes blickt er dem launiſchen Schickſal ins Auge: das lockende Laͤcheln deſſelben reizt ihn nicht; und unerſchrocken ſieht er, wenn ſein Don- ner ihm droht. Gemeine Seelen kennen dieſe Seligkeit der mit Freundſchaft verbundenen Liebe nicht: denn ſie ſind zu feſt an das Niedrige gehef- tet, als daß ſie ſich, zu dem Goͤttlichen empor- ſchwin- *) *) tet die Freuden der Geſelligkeit; — Freundſchaft naͤhrt ſie mit der edelſten Nahrung; — Liebe ver- ſchließt das Herz; — Freundſchaft laͤßt darin leſen, als in einem offnen Buche; — Liebe verfliegt im Augenblicke des Genuſſes; Freundſchaft dauert ewig durch ſich ſelbſt!„ Eduard. Leipzig b. Goͤſchen. S. 125. Mm 4

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schaumann_psyche02_1791
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schaumann_psyche02_1791/267
Zitationshilfe: Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Psyche oder Unterhaltungen über die Seele. Bd. 2. Halle, 1791, S. 551. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schaumann_psyche02_1791/267>, abgerufen am 22.11.2024.