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Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Psyche oder Unterhaltungen über die Seele. Bd. 2. Halle, 1791.

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So wohl in einem, als dem andern Falle kann
man sich täuschen; aber daher geschieht es auch,
daß Personen, die nur schöne Formen sind,
bald zuwider; diejenigen hingegen, deren minder
wohlgestalteter Körper von einer edlen Seele be-
wohnt wird, dem Herzen täglich interessanter
und lieber werden. Nur eine schöne Seele kann
die Liebe im Ernst meynen; mit einem schönen
Körper spielt sie wohl eine kurze Zeit, aber sonst
dient er für ihren Zweck nicht.

Aber doch verlangt so Mancher mit heißer
Sehnsucht und im Gefühl der innigsten Liebe nach
einen Gegenstand, dessen schöne Form die Maske
der häßlichsten Seele ist! -- Seht wie jener
Unglückliche so willig die eisernen Fesseln eines
schönen -- Teufels trägt! Ein freundlicher Blick,
ein fester Händedruck, ein schmeichelndes Wort,
ein bezaubernder Kuß, welche Wonne gießen sie
über sein ganzes Wesen! Wie feurig streitet er,
durch sie entzündet, wider die Urtheile, die die
Vernunft aus ruhigen Beobachtungen über den
Gegenstand, der ihn berückte, sammelte!

Unglücklicher, der du in diesem Falle bist, du
bist des Mitleids menschlicher Herzen werth! --
Nicht die Liebe, Du irrst dich! Du bist das

Opfer
luti flos quidam videtur esse bonitatis. Die
Schönheit scheint gleichsam die Blume der Güte zu
seyn.

So wohl in einem, als dem andern Falle kann
man ſich taͤuſchen; aber daher geſchieht es auch,
daß Perſonen, die nur ſchoͤne Formen ſind,
bald zuwider; diejenigen hingegen, deren minder
wohlgeſtalteter Koͤrper von einer edlen Seele be-
wohnt wird, dem Herzen taͤglich intereſſanter
und lieber werden. Nur eine ſchoͤne Seele kann
die Liebe im Ernſt meynen; mit einem ſchoͤnen
Koͤrper ſpielt ſie wohl eine kurze Zeit, aber ſonſt
dient er fuͤr ihren Zweck nicht.

Aber doch verlangt ſo Mancher mit heißer
Sehnſucht und im Gefuͤhl der innigſten Liebe nach
einen Gegenſtand, deſſen ſchoͤne Form die Maſke
der haͤßlichſten Seele iſt! — Seht wie jener
Ungluͤckliche ſo willig die eiſernen Feſſeln eines
ſchoͤnen — Teufels traͤgt! Ein freundlicher Blick,
ein feſter Haͤndedruck, ein ſchmeichelndes Wort,
ein bezaubernder Kuß, welche Wonne gießen ſie
uͤber ſein ganzes Weſen! Wie feurig ſtreitet er,
durch ſie entzuͤndet, wider die Urtheile, die die
Vernunft aus ruhigen Beobachtungen uͤber den
Gegenſtand, der ihn beruͤckte, ſammelte!

Ungluͤcklicher, der du in dieſem Falle biſt, du
biſt des Mitleids menſchlicher Herzen werth! —
Nicht die Liebe, Du irrſt dich! Du biſt das

Opfer
luti flos quidam videtur eſſe bonitatis. Die
Schoͤnheit ſcheint gleichſam die Blume der Guͤte zu
ſeyn.
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[544/0260] So wohl in einem, als dem andern Falle kann man ſich taͤuſchen; aber daher geſchieht es auch, daß Perſonen, die nur ſchoͤne Formen ſind, bald zuwider; diejenigen hingegen, deren minder wohlgeſtalteter Koͤrper von einer edlen Seele be- wohnt wird, dem Herzen taͤglich intereſſanter und lieber werden. Nur eine ſchoͤne Seele kann die Liebe im Ernſt meynen; mit einem ſchoͤnen Koͤrper ſpielt ſie wohl eine kurze Zeit, aber ſonſt dient er fuͤr ihren Zweck nicht. Aber doch verlangt ſo Mancher mit heißer Sehnſucht und im Gefuͤhl der innigſten Liebe nach einen Gegenſtand, deſſen ſchoͤne Form die Maſke der haͤßlichſten Seele iſt! — Seht wie jener Ungluͤckliche ſo willig die eiſernen Feſſeln eines ſchoͤnen — Teufels traͤgt! Ein freundlicher Blick, ein feſter Haͤndedruck, ein ſchmeichelndes Wort, ein bezaubernder Kuß, welche Wonne gießen ſie uͤber ſein ganzes Weſen! Wie feurig ſtreitet er, durch ſie entzuͤndet, wider die Urtheile, die die Vernunft aus ruhigen Beobachtungen uͤber den Gegenſtand, der ihn beruͤckte, ſammelte! Ungluͤcklicher, der du in dieſem Falle biſt, du biſt des Mitleids menſchlicher Herzen werth! — Nicht die Liebe, Du irrſt dich! Du biſt das Opfer *) *) luti flos quidam videtur eſſe bonitatis. Die Schoͤnheit ſcheint gleichſam die Blume der Guͤte zu ſeyn.

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Zitationshilfe: Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Psyche oder Unterhaltungen über die Seele. Bd. 2. Halle, 1791, S. 544. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schaumann_psyche02_1791/260>, abgerufen am 25.11.2024.