Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Psyche oder Unterhaltungen über die Seele. Bd. 1. Halle, 1791.

Bild:
<< vorherige Seite

deinen Töchtern alles gegeben, und bist nun so
weit gekommen? -- Wie? haben seine Töch-
ter ihn so weit gebracht? -- Konntest du nichts
für dich behalten? gabst du ihnen alles? -- Nun!
alle die rächenden Plagen, die in der herabhängen-
den Luft über menschlichen Uebelthaten schweben,
fallen auf deine Töchter hinab! --

Frankreich verdankt der Liebe seinen Corneil-
le, und England derselben Leidenschaft seinen Ho-
garth.

Ehrbegierde machte Moliere zu einem großen
Theater-Dichter. Er lebte nemlich, wie Helve-
tius erzählt, bey seinem Großvater, welcher ihn
oft mit sich ins Schauspielhaus nahm. -- Sei-
nem Vater misfiel es, daß durch diese Zerstreu-
ungen sein Sohn von seinem Handwerk abgezo-
gen und träge gemacht wurde. Er fragte daher
sehr erzürnt, ob man denn seinen Sohn zu einem
Comödianten machen wollte: Plaut a Dieu, ant-
wortete der Großvater, qu'il faut aussi bon
acteur que Montrose
. (Wollte Gott, er würde
ein so guter Schauspieler, als Montrose). Diese
Worte frappirten den jungen Moliere: von nun
an war der herrliche Schauspieler Montrose die
Puppe seiner Phantasie, sein Handwerk ward
ihm unerträglich, sein einziger Eifer, Comödien zu
machen.

Mehr

deinen Toͤchtern alles gegeben, und biſt nun ſo
weit gekommen? — Wie? haben ſeine Toͤch-
ter ihn ſo weit gebracht? — Konnteſt du nichts
fuͤr dich behalten? gabſt du ihnen alles? — Nun!
alle die raͤchenden Plagen, die in der herabhaͤngen-
den Luft uͤber menſchlichen Uebelthaten ſchweben,
fallen auf deine Toͤchter hinab! —

Frankreich verdankt der Liebe ſeinen Corneil-
le, und England derſelben Leidenſchaft ſeinen Ho-
garth.

Ehrbegierde machte Moliere zu einem großen
Theater-Dichter. Er lebte nemlich, wie Helve-
tius erzaͤhlt, bey ſeinem Großvater, welcher ihn
oft mit ſich ins Schauſpielhaus nahm. — Sei-
nem Vater misfiel es, daß durch dieſe Zerſtreu-
ungen ſein Sohn von ſeinem Handwerk abgezo-
gen und traͤge gemacht wurde. Er fragte daher
ſehr erzuͤrnt, ob man denn ſeinen Sohn zu einem
Comoͤdianten machen wollte: Plût à Dieu, ant-
wortete der Großvater, qu'il fût auſſi bon
acteur que Montroſe
. (Wollte Gott, er wuͤrde
ein ſo guter Schauſpieler, als Montroſe). Dieſe
Worte frappirten den jungen Moliere: von nun
an war der herrliche Schauſpieler Montroſe die
Puppe ſeiner Phantaſie, ſein Handwerk ward
ihm unertraͤglich, ſein einziger Eifer, Comoͤdien zu
machen.

Mehr
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0083" n="59"/>
deinen To&#x0364;chtern alles gegeben, und bi&#x017F;t nun &#x017F;o<lb/>
weit gekommen? &#x2014; Wie? haben &#x017F;eine To&#x0364;ch-<lb/>
ter ihn &#x017F;o weit gebracht? &#x2014; Konnte&#x017F;t du nichts<lb/>
fu&#x0364;r dich behalten? gab&#x017F;t du ihnen alles? &#x2014; Nun!<lb/>
alle die ra&#x0364;chenden Plagen, die in der herabha&#x0364;ngen-<lb/>
den Luft u&#x0364;ber men&#x017F;chlichen Uebelthaten &#x017F;chweben,<lb/>
fallen auf deine To&#x0364;chter hinab! &#x2014;</p><lb/>
          <p>Frankreich verdankt der Liebe &#x017F;einen Corneil-<lb/>
le, und England der&#x017F;elben Leiden&#x017F;chaft &#x017F;einen Ho-<lb/>
garth.</p><lb/>
          <p>Ehrbegierde machte Moliere zu einem großen<lb/>
Theater-Dichter. Er lebte nemlich, wie Helve-<lb/>
tius erza&#x0364;hlt, bey &#x017F;einem Großvater, welcher ihn<lb/>
oft mit &#x017F;ich ins Schau&#x017F;pielhaus nahm. &#x2014; Sei-<lb/>
nem Vater misfiel es, daß durch die&#x017F;e Zer&#x017F;treu-<lb/>
ungen &#x017F;ein Sohn von &#x017F;einem Handwerk abgezo-<lb/>
gen und tra&#x0364;ge gemacht wurde. Er fragte daher<lb/>
&#x017F;ehr erzu&#x0364;rnt, ob man denn &#x017F;einen Sohn zu einem<lb/>
Como&#x0364;dianten machen wollte: <hi rendition="#aq">Plût à Dieu</hi>, ant-<lb/>
wortete der Großvater, <hi rendition="#aq">qu'il fût au&#x017F;&#x017F;i bon<lb/>
acteur que Montro&#x017F;e</hi>. (Wollte Gott, er wu&#x0364;rde<lb/>
ein &#x017F;o guter Schau&#x017F;pieler, als Montro&#x017F;e). Die&#x017F;e<lb/>
Worte frappirten den jungen Moliere: von nun<lb/>
an war der herrliche Schau&#x017F;pieler Montro&#x017F;e die<lb/>
Puppe &#x017F;einer Phanta&#x017F;ie, &#x017F;ein Handwerk ward<lb/>
ihm unertra&#x0364;glich, &#x017F;ein einziger Eifer, Como&#x0364;dien zu<lb/>
machen.</p><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch">Mehr</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[59/0083] deinen Toͤchtern alles gegeben, und biſt nun ſo weit gekommen? — Wie? haben ſeine Toͤch- ter ihn ſo weit gebracht? — Konnteſt du nichts fuͤr dich behalten? gabſt du ihnen alles? — Nun! alle die raͤchenden Plagen, die in der herabhaͤngen- den Luft uͤber menſchlichen Uebelthaten ſchweben, fallen auf deine Toͤchter hinab! — Frankreich verdankt der Liebe ſeinen Corneil- le, und England derſelben Leidenſchaft ſeinen Ho- garth. Ehrbegierde machte Moliere zu einem großen Theater-Dichter. Er lebte nemlich, wie Helve- tius erzaͤhlt, bey ſeinem Großvater, welcher ihn oft mit ſich ins Schauſpielhaus nahm. — Sei- nem Vater misfiel es, daß durch dieſe Zerſtreu- ungen ſein Sohn von ſeinem Handwerk abgezo- gen und traͤge gemacht wurde. Er fragte daher ſehr erzuͤrnt, ob man denn ſeinen Sohn zu einem Comoͤdianten machen wollte: Plût à Dieu, ant- wortete der Großvater, qu'il fût auſſi bon acteur que Montroſe. (Wollte Gott, er wuͤrde ein ſo guter Schauſpieler, als Montroſe). Dieſe Worte frappirten den jungen Moliere: von nun an war der herrliche Schauſpieler Montroſe die Puppe ſeiner Phantaſie, ſein Handwerk ward ihm unertraͤglich, ſein einziger Eifer, Comoͤdien zu machen. Mehr

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schaumann_psyche01_1791
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schaumann_psyche01_1791/83
Zitationshilfe: Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Psyche oder Unterhaltungen über die Seele. Bd. 1. Halle, 1791, S. 59. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schaumann_psyche01_1791/83>, abgerufen am 04.05.2024.