deinen Töchtern alles gegeben, und bist nun so weit gekommen? -- Wie? haben seine Töch- ter ihn so weit gebracht? -- Konntest du nichts für dich behalten? gabst du ihnen alles? -- Nun! alle die rächenden Plagen, die in der herabhängen- den Luft über menschlichen Uebelthaten schweben, fallen auf deine Töchter hinab! --
Frankreich verdankt der Liebe seinen Corneil- le, und England derselben Leidenschaft seinen Ho- garth.
Ehrbegierde machte Moliere zu einem großen Theater-Dichter. Er lebte nemlich, wie Helve- tius erzählt, bey seinem Großvater, welcher ihn oft mit sich ins Schauspielhaus nahm. -- Sei- nem Vater misfiel es, daß durch diese Zerstreu- ungen sein Sohn von seinem Handwerk abgezo- gen und träge gemacht wurde. Er fragte daher sehr erzürnt, ob man denn seinen Sohn zu einem Comödianten machen wollte: Plaut a Dieu, ant- wortete der Großvater, qu'il faut aussi bon acteur que Montrose. (Wollte Gott, er würde ein so guter Schauspieler, als Montrose). Diese Worte frappirten den jungen Moliere: von nun an war der herrliche Schauspieler Montrose die Puppe seiner Phantasie, sein Handwerk ward ihm unerträglich, sein einziger Eifer, Comödien zu machen.
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deinen Toͤchtern alles gegeben, und biſt nun ſo weit gekommen? — Wie? haben ſeine Toͤch- ter ihn ſo weit gebracht? — Konnteſt du nichts fuͤr dich behalten? gabſt du ihnen alles? — Nun! alle die raͤchenden Plagen, die in der herabhaͤngen- den Luft uͤber menſchlichen Uebelthaten ſchweben, fallen auf deine Toͤchter hinab! —
Frankreich verdankt der Liebe ſeinen Corneil- le, und England derſelben Leidenſchaft ſeinen Ho- garth.
Ehrbegierde machte Moliere zu einem großen Theater-Dichter. Er lebte nemlich, wie Helve- tius erzaͤhlt, bey ſeinem Großvater, welcher ihn oft mit ſich ins Schauſpielhaus nahm. — Sei- nem Vater misfiel es, daß durch dieſe Zerſtreu- ungen ſein Sohn von ſeinem Handwerk abgezo- gen und traͤge gemacht wurde. Er fragte daher ſehr erzuͤrnt, ob man denn ſeinen Sohn zu einem Comoͤdianten machen wollte: Plût à Dieu, ant- wortete der Großvater, qu'il fût auſſi bon acteur que Montroſe. (Wollte Gott, er wuͤrde ein ſo guter Schauſpieler, als Montroſe). Dieſe Worte frappirten den jungen Moliere: von nun an war der herrliche Schauſpieler Montroſe die Puppe ſeiner Phantaſie, ſein Handwerk ward ihm unertraͤglich, ſein einziger Eifer, Comoͤdien zu machen.
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deinen Toͤchtern alles gegeben, und biſt nun ſo
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ter ihn ſo weit gebracht? — Konnteſt du nichts
fuͤr dich behalten? gabſt du ihnen alles? — Nun!
alle die raͤchenden Plagen, die in der herabhaͤngen-
den Luft uͤber menſchlichen Uebelthaten ſchweben,
fallen auf deine Toͤchter hinab! —
Frankreich verdankt der Liebe ſeinen Corneil-
le, und England derſelben Leidenſchaft ſeinen Ho-
garth.
Ehrbegierde machte Moliere zu einem großen
Theater-Dichter. Er lebte nemlich, wie Helve-
tius erzaͤhlt, bey ſeinem Großvater, welcher ihn
oft mit ſich ins Schauſpielhaus nahm. — Sei-
nem Vater misfiel es, daß durch dieſe Zerſtreu-
ungen ſein Sohn von ſeinem Handwerk abgezo-
gen und traͤge gemacht wurde. Er fragte daher
ſehr erzuͤrnt, ob man denn ſeinen Sohn zu einem
Comoͤdianten machen wollte: Plût à Dieu, ant-
wortete der Großvater, qu'il fût auſſi bon
acteur que Montroſe. (Wollte Gott, er wuͤrde
ein ſo guter Schauſpieler, als Montroſe). Dieſe
Worte frappirten den jungen Moliere: von nun
an war der herrliche Schauſpieler Montroſe die
Puppe ſeiner Phantaſie, ſein Handwerk ward
ihm unertraͤglich, ſein einziger Eifer, Comoͤdien zu
machen.
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Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Psyche oder Unterhaltungen über die Seele. Bd. 1. Halle, 1791, S. 59. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schaumann_psyche01_1791/83>, abgerufen am 04.05.2024.
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