Septem illum (Orphea) totos perhibent ex ordine menses Rupe sub aeria deserti ad Strymonis undam Flevisse, et gelidis haec evoluisse sub antris.*)
Furcht und Besorgniß finden in jedem Ge- genstand einen lauernden Feind, eine Quelle des Schreckens. Unaufhörlich ängstigten Philipp von Spanien die Gespenster seines eifersüchtigen Arg- wohns.
Reiß't mir den Scorpion von meinem Küßen -- Schlaf? Schlaf find' ich in Eskurial -- -- So lange der König schläft, ist er um seine Krone, der Mann um seines Weibes Herz.
Der von seinen Töchtern schrecklich gemis- handelte und bis zur Raserey erzürnte Lear sieht, wo er geht und steht, nur Töchter. Er kommt mit Kent in die Hütte, in welcher der junge Ed- gar, als ein Rasender verkleidet, sich befindet. Das erste, was Lear fragt, ist: Hast du etwa
deinen
*) Sieben Mond' auf einander, erzählt man, hab' er (Orpheus) beständig Unter dem luftigen Fels an Strymons ödem Ge- wässer Thränenvoll sein Loos in den kalten Grotten durch- jammert.
Septem illum (Orphea) totos perhibent ex ordine menſes Rupe ſub aëria deſerti ad Strymonis undam Fleviſſe, et gelidis haec evoluiſſe ſub antris.*)
Furcht und Beſorgniß finden in jedem Ge- genſtand einen lauernden Feind, eine Quelle des Schreckens. Unaufhoͤrlich aͤngſtigten Philipp von Spanien die Geſpenſter ſeines eiferſuͤchtigen Arg- wohns.
Reiß't mir den Scorpion von meinem Kuͤßen — Schlaf? Schlaf find' ich in Eskurial — — So lange der Koͤnig ſchlaͤft, iſt er um ſeine Krone, der Mann um ſeines Weibes Herz.
Der von ſeinen Toͤchtern ſchrecklich gemis- handelte und bis zur Raſerey erzuͤrnte Lear ſieht, wo er geht und ſteht, nur Toͤchter. Er kommt mit Kent in die Huͤtte, in welcher der junge Ed- gar, als ein Raſender verkleidet, ſich befindet. Das erſte, was Lear fragt, iſt: Haſt du etwa
deinen
*) Sieben Mond' auf einander, erzaͤhlt man, hab' er (Orpheus) beſtaͤndig Unter dem luftigen Fels an Strymons oͤdem Ge- waͤſſer Thraͤnenvoll ſein Loos in den kalten Grotten durch- jammert.
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Septem illum (Orphea) totos perhibent ex
ordine menſes
Rupe ſub aëria deſerti ad Strymonis undam
Fleviſſe, et gelidis haec evoluiſſe ſub antris. *)
Furcht und Beſorgniß finden in jedem Ge-
genſtand einen lauernden Feind, eine Quelle des
Schreckens. Unaufhoͤrlich aͤngſtigten Philipp von
Spanien die Geſpenſter ſeines eiferſuͤchtigen Arg-
wohns.
Reiß't mir
den Scorpion von meinem Kuͤßen — Schlaf?
Schlaf find' ich in Eskurial — — So lange
der Koͤnig ſchlaͤft, iſt er um ſeine Krone,
der Mann um ſeines Weibes Herz.
Der von ſeinen Toͤchtern ſchrecklich gemis-
handelte und bis zur Raſerey erzuͤrnte Lear ſieht,
wo er geht und ſteht, nur Toͤchter. Er kommt
mit Kent in die Huͤtte, in welcher der junge Ed-
gar, als ein Raſender verkleidet, ſich befindet.
Das erſte, was Lear fragt, iſt: Haſt du etwa
deinen
*) Sieben Mond' auf einander, erzaͤhlt man, hab'
er (Orpheus) beſtaͤndig
Unter dem luftigen Fels an Strymons oͤdem Ge-
waͤſſer
Thraͤnenvoll ſein Loos in den kalten Grotten durch-
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Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Psyche oder Unterhaltungen über die Seele. Bd. 1. Halle, 1791, S. 58. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schaumann_psyche01_1791/82>, abgerufen am 16.02.2025.
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