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Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Psyche oder Unterhaltungen über die Seele. Bd. 1. Halle, 1791.

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in der Stille nützte, auf einen größern Schau-
platz gerufen, um für seinen edlen Eifer lauten
Ruhm zu erndten. Doch, denkt er mit dem
Dichter -- ja wohl,

Reizvoll klinget des Ruhms lockender Silberton
Jn das schlagende Herz, und die Unsterblichkeit
Jst ein großer Gedanke
Jst des Schweißes der Edlen werth.
Aber süßer ists noch, schöner und reizender
Jn dem Arme des Freundes wissen ein Freund
zu seyn.
So das Leben genießen
Nicht unwürdig der Ewigkeit.
Er bestimmt sich, im stillern Kreise der Freund-
schaft zu bleiben -- will nicht, fern von ihr, den
lautesten Ruhm.

Jch habe, meine Leser und Leserinnen, diese
Unterredung aus meinem Gedächtnisse abgeschrie-
ben, um die beyden Hauptäußerungen der Seele,
Erkennen und Wollen, zu erläutern. -- Die
Seele erkennt, d. h. sie hat Vorstellungen, welche
sie mit Bewußtseyn auf einen von den Vorstellun-
gen verschiednen Gegenstand bezieht, und sie will,
d. h. sie bestimmt sich, was ihr als gut vorkommt,
zu wählen, was ihr als nicht gut vorkommt, nicht
zu wählen. Sie muß also auch, da diese Aeuße-

rungen
B 2

in der Stille nuͤtzte, auf einen groͤßern Schau-
platz gerufen, um fuͤr ſeinen edlen Eifer lauten
Ruhm zu erndten. Doch, denkt er mit dem
Dichter — ja wohl,

Reizvoll klinget des Ruhms lockender Silberton
Jn das ſchlagende Herz, und die Unſterblichkeit
Jſt ein großer Gedanke
Jſt des Schweißes der Edlen werth.
Aber ſuͤßer iſts noch, ſchoͤner und reizender
Jn dem Arme des Freundes wiſſen ein Freund
zu ſeyn.
So das Leben genießen
Nicht unwuͤrdig der Ewigkeit.
Er beſtimmt ſich, im ſtillern Kreiſe der Freund-
ſchaft zu bleiben — will nicht, fern von ihr, den
lauteſten Ruhm.

Jch habe, meine Leſer und Leſerinnen, dieſe
Unterredung aus meinem Gedaͤchtniſſe abgeſchrie-
ben, um die beyden Hauptaͤußerungen der Seele,
Erkennen und Wollen, zu erlaͤutern. — Die
Seele erkennt, d. h. ſie hat Vorſtellungen, welche
ſie mit Bewußtſeyn auf einen von den Vorſtellun-
gen verſchiednen Gegenſtand bezieht, und ſie will,
d. h. ſie beſtimmt ſich, was ihr als gut vorkommt,
zu waͤhlen, was ihr als nicht gut vorkommt, nicht
zu waͤhlen. Sie muß alſo auch, da dieſe Aeuße-

rungen
B 2
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[19/0043] in der Stille nuͤtzte, auf einen groͤßern Schau- platz gerufen, um fuͤr ſeinen edlen Eifer lauten Ruhm zu erndten. Doch, denkt er mit dem Dichter — ja wohl, Reizvoll klinget des Ruhms lockender Silberton Jn das ſchlagende Herz, und die Unſterblichkeit Jſt ein großer Gedanke Jſt des Schweißes der Edlen werth. Aber ſuͤßer iſts noch, ſchoͤner und reizender Jn dem Arme des Freundes wiſſen ein Freund zu ſeyn. So das Leben genießen Nicht unwuͤrdig der Ewigkeit. Er beſtimmt ſich, im ſtillern Kreiſe der Freund- ſchaft zu bleiben — will nicht, fern von ihr, den lauteſten Ruhm. Jch habe, meine Leſer und Leſerinnen, dieſe Unterredung aus meinem Gedaͤchtniſſe abgeſchrie- ben, um die beyden Hauptaͤußerungen der Seele, Erkennen und Wollen, zu erlaͤutern. — Die Seele erkennt, d. h. ſie hat Vorſtellungen, welche ſie mit Bewußtſeyn auf einen von den Vorſtellun- gen verſchiednen Gegenſtand bezieht, und ſie will, d. h. ſie beſtimmt ſich, was ihr als gut vorkommt, zu waͤhlen, was ihr als nicht gut vorkommt, nicht zu waͤhlen. Sie muß alſo auch, da dieſe Aeuße- rungen B 2

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Zitationshilfe: Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Psyche oder Unterhaltungen über die Seele. Bd. 1. Halle, 1791, S. 19. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schaumann_psyche01_1791/43>, abgerufen am 19.04.2024.