Jch würde antworten: Derjenige Körper, dessen Veränderungen meine Veränderungen sind, ist mein Körper, und der Ort desselben ist zugleich mein Ort. Setzet man die Frage weiter fort, wo ist denn dein Ort (der Seele) in diesem Kör- per? so würde ich etwas Verfängliches in dieser Frage vermuthen. Denn man bemerkt leicht, daß darin etwas schon vorausgesetzt werde, was nicht durch Erfahrung bekannt ist, sondern vielleicht auf eingebildeten Schlüssen beruht; nemlich, daß mein denkendes Jch in einem Orte sey, der von den Oertern andrer Theile desjenigen Körpers, die zu meinem Selbst gehören, unterschieden wäre. Niemand aber ist sich eines besondern Orts in sei- nem Körper unmittelbar bewußt, sondern desje- nigen, den er als Mensch in Ansehung der Welt umher einnimmt. Jch würde mich also an der gemeinen Erfahrung halten und vorläufig sagen: wo ich empfinde, da bin ich. Jch bin eben so unmittelbar in der Fingerspitze wie in dem Kopfe. Jch bin es selbst, der in der Ferse leidet und wel- chem das Herz im Affekte klopft. Jch fühle den schmerzhaften Eindruck nicht an einer Gehirnner- ve, wenn mich mein Leichdorn peinigt, sondern am Ende meiner Zehen. Keine Erfahrung lehrt mich einige Theile meiner Empfindung, von mir für entfernt zu halten, mein untheilbares Jch in ein mikroskopisch kleines Plätzchen des Gehirnes
zu
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Jch wuͤrde antworten: Derjenige Koͤrper, deſſen Veraͤnderungen meine Veraͤnderungen ſind, iſt mein Koͤrper, und der Ort deſſelben iſt zugleich mein Ort. Setzet man die Frage weiter fort, wo iſt denn dein Ort (der Seele) in dieſem Koͤr- per? ſo wuͤrde ich etwas Verfaͤngliches in dieſer Frage vermuthen. Denn man bemerkt leicht, daß darin etwas ſchon vorausgeſetzt werde, was nicht durch Erfahrung bekannt iſt, ſondern vielleicht auf eingebildeten Schluͤſſen beruht; nemlich, daß mein denkendes Jch in einem Orte ſey, der von den Oertern andrer Theile desjenigen Koͤrpers, die zu meinem Selbſt gehoͤren, unterſchieden waͤre. Niemand aber iſt ſich eines beſondern Orts in ſei- nem Koͤrper unmittelbar bewußt, ſondern desje- nigen, den er als Menſch in Anſehung der Welt umher einnimmt. Jch wuͤrde mich alſo an der gemeinen Erfahrung halten und vorlaͤufig ſagen: wo ich empfinde, da bin ich. Jch bin eben ſo unmittelbar in der Fingerſpitze wie in dem Kopfe. Jch bin es ſelbſt, der in der Ferſe leidet und wel- chem das Herz im Affekte klopft. Jch fuͤhle den ſchmerzhaften Eindruck nicht an einer Gehirnner- ve, wenn mich mein Leichdorn peinigt, ſondern am Ende meiner Zehen. Keine Erfahrung lehrt mich einige Theile meiner Empfindung, von mir fuͤr entfernt zu halten, mein untheilbares Jch in ein mikroſkopiſch kleines Plaͤtzchen des Gehirnes
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Jch wuͤrde antworten: Derjenige Koͤrper, deſſen
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mein Ort. Setzet man die Frage weiter fort,
wo iſt denn dein Ort (der Seele) in dieſem Koͤr-
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Frage vermuthen. Denn man bemerkt leicht, daß
darin etwas ſchon vorausgeſetzt werde, was nicht
durch Erfahrung bekannt iſt, ſondern vielleicht
auf eingebildeten Schluͤſſen beruht; nemlich, daß
mein denkendes Jch in einem Orte ſey, der von
den Oertern andrer Theile desjenigen Koͤrpers, die
zu meinem Selbſt gehoͤren, unterſchieden waͤre.
Niemand aber iſt ſich eines beſondern Orts in ſei-
nem Koͤrper unmittelbar bewußt, ſondern desje-
nigen, den er als Menſch in Anſehung der Welt
umher einnimmt. Jch wuͤrde mich alſo an der
gemeinen Erfahrung halten und vorlaͤufig ſagen:
wo ich empfinde, da bin ich. Jch bin eben ſo
unmittelbar in der Fingerſpitze wie in dem Kopfe.
Jch bin es ſelbſt, der in der Ferſe leidet und wel-
chem das Herz im Affekte klopft. Jch fuͤhle den
ſchmerzhaften Eindruck nicht an einer Gehirnner-
ve, wenn mich mein Leichdorn peinigt, ſondern
am Ende meiner Zehen. Keine Erfahrung lehrt
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Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Psyche oder Unterhaltungen über die Seele. Bd. 1. Halle, 1791, S. 9. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schaumann_psyche01_1791/33>, abgerufen am 23.11.2024.
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