gen, oder irgend eine Aeußerung gewahr, da spüre man ihrem Grunde nach, und fange, um desto glücklicher darin zu seyn, bey sich selbst an. Besonders gebe man sich gern in Unterredungen über Sachen, die das Denkvermögen auf irgend eine Weise beschäftigen: dadurch wird einem man- che neue Ansicht gegeben, und einer schärft sich durch den andern -- und um endlich den Geist des Prüfens und eignen Untersuchens in sich rege zu machen und zu erhalten, lerne man die Kunst vernünftig zu zweifeln. Man erinnre sich bey jedem Buche, welches man liest, bey jedem Vor- trage, welchen man hört, daß es vielleicht auch anders seyn könne. Dadurch wird man angereizt werden, über das Gehörte oder Gelesene zu den- ken, und dann den Jrrthum erkennen, die Wahr- heit aber aus Gründen einsehen.
Psyche.
gen, oder irgend eine Aeußerung gewahr, da ſpuͤre man ihrem Grunde nach, und fange, um deſto gluͤcklicher darin zu ſeyn, bey ſich ſelbſt an. Beſonders gebe man ſich gern in Unterredungen uͤber Sachen, die das Denkvermoͤgen auf irgend eine Weiſe beſchaͤftigen: dadurch wird einem man- che neue Anſicht gegeben, und einer ſchaͤrft ſich durch den andern — und um endlich den Geiſt des Pruͤfens und eignen Unterſuchens in ſich rege zu machen und zu erhalten, lerne man die Kunſt vernuͤnftig zu zweifeln. Man erinnre ſich bey jedem Buche, welches man lieſt, bey jedem Vor- trage, welchen man hoͤrt, daß es vielleicht auch anders ſeyn koͤnne. Dadurch wird man angereizt werden, uͤber das Gehoͤrte oder Geleſene zu den- ken, und dann den Jrrthum erkennen, die Wahr- heit aber aus Gruͤnden einſehen.
Pſyche.
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gen, oder irgend eine Aeußerung gewahr, da
ſpuͤre man ihrem Grunde nach, und fange, um
deſto gluͤcklicher darin zu ſeyn, bey ſich ſelbſt an.
Beſonders gebe man ſich gern in Unterredungen
uͤber Sachen, die das Denkvermoͤgen auf irgend
eine Weiſe beſchaͤftigen: dadurch wird einem man-
che neue Anſicht gegeben, und einer ſchaͤrft ſich
durch den andern — und um endlich den Geiſt
des Pruͤfens und eignen Unterſuchens in ſich rege
zu machen und zu erhalten, lerne man die Kunſt
vernuͤnftig zu zweifeln. Man erinnre ſich bey
jedem Buche, welches man lieſt, bey jedem Vor-
trage, welchen man hoͤrt, daß es vielleicht auch
anders ſeyn koͤnne. Dadurch wird man angereizt
werden, uͤber das Gehoͤrte oder Geleſene zu den-
ken, und dann den Jrrthum erkennen, die Wahr-
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Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Psyche oder Unterhaltungen über die Seele. Bd. 1. Halle, 1791, S. 294. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schaumann_psyche01_1791/318>, abgerufen am 22.11.2024.
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